München – Wer die Kabine des EHC München betritt, versucht als erstes, die Sitzordnung der Spieler zu ergründen. Sind sie sortiert nach Muttersprache, bilden sich Cluster nach der Generation, der man angehört, oder finden im einen Eck die spielerischen Feingeister zusammen und die anderen die eher rustikalen Typen?
Nein, es ist eigentlich ganz einfach. Don Jackson, der Trainer, hat es so haben sollen: Am Eingang links die Torhüter, rechts von der Tür bis hinter zum Nebenraum, in dem die Waschmaschinen ihr Tagwerk verrichten, die Verteidiger. Die Stürmer sind die größte Fraktion, ihnen gehören zwei Wandseiten.
Yannic Seidenberg sitzt rechts der Tür und deutet auf die gegenüberliegende Seite: „Da bin ich früher gesessen. Jetzt gehört der Platz Patrick Hager.“ Dem Neuzugang von den Kölner Haien, gepriesen als der kompletteste deutsche Stürmer, der zu haben war. Aber so überzeugend wie erwartet tritt der noch nicht auf. Er hat in sieben DEL-Spielen für die Münchner erst ein Tor geschossen und eines vorbereitet, bei seiner Plus-Minus-Bilanz, die Präsenz bei Toren und Gegentoren in Relation stellt, steht „– 3“.
Seidenberg hat seinen Platz in der Kabine wechseln müssen, weil zum Saisonübergang beschlossen wurde, dass man ihn von nun an als Verteidiger einplant. Diese Rolle hat er angenommen – im Wissen, „dass es einige Spiele geben wird, in denen ich als Stürmer einspringen werde“. Bisher war das noch nicht der Fall, auch wenn die Zahlen glauben machen würden, Seidenberg agiere vorne. Mit zwei Treffern und vier Assists ist er Dritter der internen Scorerwertung – und er hat 23 Schüsse abgegeben, Spitzenwert in der Mannschaft. Kann ausgebaut werden in den Wochenendspielen in Düsseldorf (Freitag, 19.30 Uhr) und gegen Augsburg (Sonntag, 16.30 Uhr).
Man merkt halt noch immer, dass er gelernter Mittelstürmer ist. Er sagt, das sei eine Position, in der man die Strategie des Spiels erlerne. Daher könne er auch Verteidiger spielen – „zumindest im System, das wir in München spielen“. Don Jackson testete das vor zwei Jahren an, als er in der Abwehr personelle Not hatte. Er wurde zum Seidenberg-Fan: „Wir haben analysiert, dass er vieles genau so macht, wie Verteidiger es machen sollen.“ Dass der EHC frühzeitig 15 Stürmer unter Vertrag hatte, aber zunächst wenige Leute für die Abwehr, mag auch dazu geführt haben, dass Yannic Seidenberg in den ersten Kaderlisten als Verteidiger geführt worden ist. „Doch ich denke“, sagt er, „dass ich vorne schon auch meinen Platz hätte“.
Er tut ja auch eine Menge dafür. Im Sommer ist er für knapp zwei Monate mit Familie nach Amerika gegangen, hat zusammen mit dem drei Jahre älteren Bruder Dennis, 36, sich mit einem privaten Fitnesstrainer vorbereitet. Dennis ist NHL-Star (aktuell New York Islanders), Stanley-Cup-Sieger (Boston 2011) und immer schon Verteidiger gewesen. Bespöttelt er Yannic nun, dass auch der Verteidiger geworden ist? „Ach, ich zeige ihm, wie man vorne die Scheibe reinbringt“, meint Yannic.
Sie spielen in verschiedenen Ligen und Welten, ausgeschlossen ist eine Renuion nicht, womöglich eine als Verteidigerpaar: Seidenberg/Seidenberg. Nicht aber im Heimatklub Schwenningen. „Eher“, sagt Yannic, „ab 2019 in München“.