Bayerns Start in die wichtigen Wochen

Frühjahr im Herbst

von Redaktion

Ein Rückblick an denselben Zeitpunkt im vergangenen Jahr bietet sich in seriellen Sportarten an, und manchmal führt er recht drastisch vor Augen, wie sich die Dinge geändert haben. Als die Bayern sich Ende September zum ersten Champions League-Gastspiel der Saison nach Madrid aufmachten, verließen sie München nach fünf Siegen als Bundesliga-Tabellenführer und mit breiter Brust. Dass es bei Atletico die erste Pleite der Saison setzte, wurmte, änderte aber nichts daran, dass man den Münchnern den ganz großen Wurf am Ende der Saison zutraute. Der wahre Wert der Arbeit von Carlo Ancelotti lasse sich erst im Frühjahr bemessen, sagte man. Was im Herbst passiert? Vollkommen egal.

Gestern ging es nach Paris und nicht nach Madrid. Und abgesehen davon, dass es dort neben Punkten um Prestige geht – schießt neuer oder alter Reichtum mehr Tore? –, wartet man auf ein Zeichen von Carlo Ancelotti. Wofür steht sein Team im Jahr zwei nach Pep Guadriola? Wo soll es hingehen in dieser Saison? Und vor allem: Wie kommt man dahin? Ist man ganz wohlwollend, kann man sagen: Alles, was bisher geschehen ist, war Vorgeplänkel. Ab jetzt aber zählt es – obwohl gerade erst die Blätter von den Bäumen fallen. Frühjahr-Feeling im Herbst.

Dass die Gelegenheit für den nächsten Champions League-Triumph nach 2013 in der vergangenen Spielzeit deutlich besser war als in der laufenden, ist kein Geheimnis. In seiner Premieren-Saison hatte Ancelotti den Luxus, auf der guten Vorarbeit von Pep Guardiola aufbauen zu können; genutzt hat er ihn nur bedingt. Er wollte seine eigene Idee verwirklichen, doch bis heute fragt man sich: Wie sieht diese aus? Der Renteneintritt von Philipp Lahm und Xabi Alonso sowie die Fülle an alternden Stars im Kader tun ihr Übriges dazu, dass die Chancen auf einen Coup nicht unbedingt gestiegen sind.

Wie sehr sich vor allem Robert Lewandowski, Arjen Robben und Franck Ribery nach einer Krönung bzw. einem krönenden Karriereabschluss sehnen, haben die Störgeräusche der vergangenen Wochen gezeigt. Sie haben aber auch dafür gesorgt, dass – Stand heute – kaum einer dem FC Bayern eine große Saison zutraut. Dass nun Wochen anstehen, in denen nach Paris bis Anfang November auch zwei Spiele gegen RB Leipzig (Pokal, Liga) und Tabellenführer Dortmund anstehen, sollte man daher als große Chance sehen.

Kommt man gut durch den Herbst, ist danach alles möglich. Verfällt man allerdings in die Herbst-Depression, dürfte Ancelotti den Rückblick in einem Jahr entspannt erleben. Denn Bayern-Trainer wäre er dann im Herbst 2018 voraussichtlich nicht mehr.

Artikel 22 von 27