München – Edgar Walth ist Boxer. Und das ist eine Überraschung. Denn er sieht nicht aus wie ein Boxer. Sein Gesicht ist ohne die Narben, die schwere Einschläge hinterlassen, die Nase ist nicht plattgehauen. Edgar Walth lacht: „Ich werde unterschätzt, ich wirke ja auch viel jünger.“ Auf 18, 19 könnte man ihn schätzen. Er ist 26 und sagt, „dass ich nochmals Vater geworden bin“. Edgar Walth, der Boxer, hat zwei Kinder.
Wenn er im Ring steht, wirke er neben seinen Gegnern „manchmal kindlich“. Er wird unterschätzt, er zieht einen Vorteil daraus. „Da entsteht dann oft ein Wow-Effekt.“ Im Ring, versichert Edgar Walth, „bin ich ein Fighter“.
Er steht vor seinem Debüt als Profi, am 14. Oktober im Unterschleißheimer Ballhausforum. Verpflichtet hat ihn der Dachauer Promoter Alexander Petkovic, der Walth als den erfolgreichsten deutschen Amateurboxer rühmt. Serienmeister wie im Fußball die Bayern.
Dreimal war Edgar Walth Deutscher Meister bei den Junioren, inzwischen hat er vier Titel in Folge bei den Senioren gewonnen. Das Besondere daran: „Immer in der gleichen Klasse. Edgar hat sein Gewicht halten können“, so Petkovic, dem dies zu seinen aktiven Zeiten nicht gelungen ist. Edgar Walth hat bisher im Bantamgewicht gekämpft, das geht bis 56 Kilogramm. „Doch es wird immer härter, das Limit zu schaffen“, sagt er, „ich muss oft neun, zehn Kilo abkochen“.
Von seinen rund 200 Amateurkämpfen hat er über 170 gewonnen. Doch der eine große Traum erfüllte sich nicht: Er wollte zu den Olympischen Spielen 2016 nach Rio de Janeiro. Bei der Qualifikation in Aserbaidschan verlor er den entscheidenden Kampf gegen einen Japaner, „mit 2:3 Richterstimmen“, wie Walth sagt. „Das war höhere Politik. Edgar war das Opfer“, schimpft Serge Michel, „von uns hatten einige schon die Qualifikation, von den Japanern noch keiner“.
Serge Michel aus Traunreut war in Rio dabei, als erster bayerischer Boxer seit 44 Jahren. Er war der beste Deutsche und hat sich danach entschlossen, Profi zu werden. Hat beim Petkovic-Stall unterschrieben und die ersten drei Kämpfe bestritten und gewonnen. Den letzten im Juni mit gebrochener Hand. Passierte im Ring. „Serge hat dann die Auslage und die Schlaghand gewechselt. Jetzt kann er schon wieder Klavier spielen“, sagt Petkovic.
Wie Serge Michel stammt auch Edgar Walth aus einer Spätaussiedler-Familie. Er war zwei, als seine Eltern mit ihm Moldawien verließen, Man wurde in Straubing heimisch, Edgar fühlt sich als Bayer, ist heimatverbunden – auch wenn er des Boxens wegen die vergangenen Jahre meist am Olympiastützpunkt Heidelberg verbrachte. Sechs Jahre war er bei der Bundeswehr, Sportförderkompanie. Nun ist der Vertrag ausgelaufen, er wird Profi-Boxer und Polizist.
Wobei das mit der Polizei nicht so naheliegend ist, wenn einer nur 1,63 Meter groß ist. „Zwei Zentimeter zu wenig, man wird eigentlich erst ab 1,65 in den Polizeidienst aufgenommen“, erklärt Edgar Walth. Er musste darum eine Sportprüfung machen, nachweisen, dass er die fehlenden Zentimeter kompensieren kann. „Eine 2,5 hätte ich gebraucht, ich habe eine 1,0 geschafft.“
Boxen wird er nicht ewig. So mit 30, 31 Jahren soll Schluss sein. „Ich will nicht viel Zeit verlieren, ich will sofort gute Gegner“, hat er seinen neuen Boss Alexander Petkovic wissen lassen, „in der Weltliga habe ich auch schon ohne Kopfschutz und über fünf Runden geboxt“.
Der erste Profikampf am 14. Oktober ist auf sechs Runden angesetzt, der Gegner wird ein Routinier sein, der schon an die 20 Fights hinter sich hat. Kann sein, dass er den kindlichen Debütanten unterschätzen wird. Dem wäre das ganz recht.