Finger am Alarmknopf

von Redaktion

Ungewohnt früh in der Saison sehen sich die Bayern unerwartet vielen Brandherden ausgesetzt

VON ANDREAS WERNER

München – Manuel Neuer ist so ein Typ, der auch mit 31 noch immer ein Lausbubengesicht hat. Gestern schaute er zwar lange mit der Miene eines Krisenverwalters drein, doch dann huschte ihm doch wieder eines seiner schelmischen Lachen übers Gesicht. Als er gefragt wurde, wie die Führungskräfte des FC Bayern eine Niederlage diskutieren – etwa in einer dieser Whats- App-Gruppen, in denen sich Normalbürger organisieren? Nein, antwortete der Kapitän, man bespräche das persönlich. Nach dem 0:2 gegen Hoffenheim begann die Aufarbeitung bereits im Bus.

Es ist bemerkenswert, dass ungewohnt früh in dieser Saison die Abläufe beim FC Bayern so detailliert hinterfragt werden. Der Klub sieht sich unerwartet vielen Brandherden ausgesetzt, so vielen, dass die Verantwortlichen sogar den zweifelhaften Luxus haben, sie sortieren zu können. Bei Karl-Heinz Rummenigge hat sich Robert Lewandowski mit seinem kritischen „Spiegel“-Interview für einen Spitzenplatz qualifiziert, Uli Hoeneß hingegen haben die Darbietungen auf dem Platz die Wochenendlaune versaut. Es ist vielleicht ganz gut, dass die Bayern-Profis keinen Whats-App-Chat für ihre Versäumnisse unterhalten – Hoeneß könnte ja glatt seine Technik-Aversion über den Haufen werfen und sich einloggen. Er habe sich „wahnsinnig geärgert“, ließ er gestern wissen. Das würde selbst als knappe Textnachricht am Smartphone seine Wirkung haben.

Der Präsident stellte aber auch klar, dass ihn die Leistungen auf dem Platz weitaus mehr verärgern als das Interview seines Starstürmers. Er habe sich die Zeit genommen und das Interview genau gelesen, sagte er, nicht nur Fragmente in den neuen Medien. „Da habe ich es gar nicht so schlimm gefunden“. Man soll nicht immer so empfindlich sein, empfahl er, „auch wir intern“. Dass neulich Thomas Müller seinem Frust Luft gemacht hatte, sei „in diesem Rahmen“ genauso in Ordnung gewesen: „Wir leben in einer Demokratie, das sind alles gestandene Männer, die ihre Meinung sagen dürfen. Da sollten wir lockerer werden. Da gab es nicht im Ansatz Grund für eine Strafe.“

Ihn beschäftige derzeit mehr, „dass wir sehr schlecht spielen, schon seit Anfang der Saison – und nicht, was einer in der Zeitung sagt“. Man dürfe „nicht immer alles nur auf die Medien schieben. Wir müssen unsere Probleme selber lösen und zusehen, dass wir bald besser spielen.“ Er sehe derzeit zwar „noch keine Alarmglocken“. Dennoch sei sein Wochenende „alles andere als gut“ gewesen.

Obwohl die Sirenen bisher noch nicht heulen – wenn es heute gegen den RSC Anderlecht mit der Champions League losgeht, ruht zumindest ein Finger bereits auf dem Alarmknopf. Und auch wenn Lewandowski bei Hoeneß relativ glimpflich davonkam, erteilte er dem Stürmer dennoch ebenfalls einen Rüffel: „Ich finde es gut, wenn sich ein Spieler Gedanken über seinen Verein macht – aber wichtiger ist seine Leistung. Denn wenn Robert wieder besser spielt, erreichen wir unsere Ziele.“ Die Profis und ihre Berater sollten nur nicht glauben, dass sie den Ton angeben. „Eines muss klar sein: So Verhältnisse wie in Dortmund, dass man jedes halbe Jahr über einen Ausstieg diskutieren wollte, die wollen wir hier nicht haben“, sagte Hoeneß. Die Profis sollten in ihren Vertrag schauen, zudem seien sie „in erster Linie dafür da, gut zu trainieren, gut zu spielen und die Leute zu begeistern“. Über die Partie gegen Anderlecht sagte Hoeneß: „Wenn wir das spielen, was wir können, gewinnen wir.“ Auch das wäre schnell für eine WhatsApp-Gruppe getippt und versendet.

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