„Handel ist Wandel“

von Redaktion

Experten beurteilen Situation in der Innenstadt als „durchaus positiv“

Rosenheim – Es gibt durchaus gute Nachrichten für den Einzelhandel in der Rosenheimer Innenstadt: Der ein oder andere Leerstand wird demnächst verschwinden. Doch insgesamt bleibt die Lage eher durchwachsen. Es seien „zunehmende Leerstände“ festzustellen, meldet die Stadt. Sie versucht, mit eigenen Instrumenten gegenzusteuern.

Schon am heutigen Samstag wird Anna-Patricia Böhm ihr Geschäft für Brautmoden in Rosenheim eröffnen. Die 27-Jährige aus Kolbermoor hat die Räume in der Bahnhofstraße 6 gemietet, in denen bis August Foto Sauter sein Angebot präsentiert hatte. Böhm, die derzeit im Brautmoden-Laden ihrer Mutter in Kolbermoor arbeitet, will mit „MyMelody Rosenheim“ vor allem preisgünstige Brautkleider für junge Frauen anbieten.

Italienische Damenmode

Einen weiteren gibt es im Mai an der Heilig-Geist-Straße. Im Haus mit der Nummer 7, wo „Eiger & Jungfrau Sportbedarf“ zu finden war, wird Rosa Sciarrabone ihr „Bellissima“ eröffnen. Die 48-jährige Italienerin will italienische Damenmode anbieten – wie sie es bereits in Traunstein macht. Mieten wird Rosa Sciarrabone nicht die gesamte Fläche, sondern lediglich jene, die von der Heilig-Geist-Straße aus direkt zugänglich ist. Für den zweiten Teil, der von der Hafnerstraße zu erreichen ist, hat sich bislang kein Mieter gefunden. Derzeit ohne Leben ist auch die ehemalige „Tom Taylor“-Filiale an der Münchener Straße.

Gleiches gilt für die einstige Jones-Filiale am Max-Josefs-Platz 24. Seit dem Rückzug der österreichischen Modemarke aus Rosenheim hat „Felder. Der Gewerbespezialist GmbH“ die rund 90 Quadratmeter großen Räume im Portfolio. Zunächst hatte Inhaber Thomas Wüstefeld optimistisch geklungen, war davon ausgegangen, dass sich rasch ein neuer Mieter finden ließe. Allerdings hatte er auch gesagt, dass oftmals Details über den Erfolg einer Neuvermietung entschieden. So spiele die Schaufenstergröße eine Rolle, die Raumhöhe könne ebenso wichtig sein wie die Zahl der Geschosse, oder, ob das Geschäft unter Arkaden liege und Stufen zu ihm hinaufführten. Arkaden und Stufen: das immerhin gilt für Jones. Doch die Hoffnung gibt Wüstefeld nicht auf. Irgendwann komme immer jemand, der die Immobilie haben wolle, sagt er. Manchmal allerdings dauere es bis zu zwei Jahre. Was auch an den Erwartungen der Vermieter liege: Sie müssten sich darauf einstellen, dass sich ihre Vorstellungen nicht mehr ohne weiteres realisieren ließen. Hohe und höchste Mieten gebe der Markt nicht mehr her.

Die Gesamtsituation in der Innenstadt beurteilt Thomas Wüstefeld durchaus positiv. Die Zahl der Leerstände sei „nicht kritisch“, Wechsel gebe es immer wieder. Eine Einschätzung, die Paul Adlmaier teilt. „Handel ist Wandel“, davon ist der Vorsitzende des Rosenheimer City-Managements überzeugt. Im Handel gebe es alle zehn bis 20 Jahre Wellenbewegungen. Wichtig sei es, sich den Gegebenheiten anzupassen, sagt er.

Fachkenntnisse mitbringen, prüfen, ob es einen Markt für das Geplante gibt, die richtigen Räume finden und dabei den eigenen Online-Auftritt nicht vergessen: Das sind einige der Grundvoraussetzungen für den Einstieg.

Anna-Patricia Böhm hat all das bereits erledigt. Sie glaubt an ihre Geschäftsidee, zu der eine Homepage ebenso dazu gehört, wie die Präsenz in den sozialen Medien.

Keine Selbstverständlichkeit im Rosenheimer Einzelhandel, wie immer wieder zu hören ist. Dabei haben Untersuchungen ergeben, dass der Händler vor Ort nicht am globalen Online-Handel zugrunde gehen müssen. Im Gegenteil: Er sollte selbst sein Angebot im Netz vorstellen.

Dann nämlich könnte der sogenannte RoPo-Effekt eintreten: „research online, purchase offline“. Heißt: Der Kunde sieht ein Produkt im Netz – und kauft es vor Ort. Der Idealfall. Mindestens aber gilt: „Eine attraktive Präsenz im Internet mit Kontaktdaten, Adressen und Öffnungszeiten ist Pflicht“, wie es die Beratungsgesellschaft „Cima“ 2018 in ihrer Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes für Rosenheim formuliert.

Dass der Online-Handel den Innenstädten zusetzt, ist unstrittig. Fraglich ist, wie stark die Wirkung tatsächlich ausfällt. Die „Cima“ geht davon aus, dass der Flächenrückgang auf relativ niedrigem Niveau bleiben wird und die Folgen des Online-Handels je nach Branche unterschiedlich ausfallen werden.

Spezialisierung
statt Filialisierung

Tendenziell gilt: Die Entwicklung geht weg von der Filialisierung hin zur Spezialisierung. Was vor Ort zählt, sind Beratung und Wissen. Um damit zu punkten, muss der Händler den Kunden und seine Bedürfnisse besser kennenlernen, die gewonnenen Informationen auswerten und nach ihnen sein Angebot gestalten. Belohnt wird dieses Engagement mit Kundentreue. Drei Viertel aller gut 1000 Befragten geben an, weiterhin bevorzugt vor Ort einkaufen zu wollen, meldet die Studie „Trends im Handel 2025“, die der Handelsverband Deutschland vorgelegt hat. Allerdings gilt: Es kommt auf die Branche an. Elektroartikel etwa werden eher online gekauft, Lebensmittel bevorzugt vor Ort.

Es gibt Städte, die mit Localcommerce und digitalen City-Initiativen experimentieren: Lokale Händler schließen sich zusammen und verkaufen ihre Produkte gemeinsam über eine Plattform. Doch der Erfolg ist umstritten. Als Alleinstellungsmerkmal anzugeben, alle Händler seien aus einer Stadt, überzeuge nicht, sagen Kritiker. Befürworter loben die höhere digitale Sichtbarkeit, die wiederum den erwähnten „Ropo-Effekt“ bringen könnte.

Von solchen lokalen Marktplätzen im Internet hält Rosenheims Wirtschaftsdezernent Thomas Bugl nichts. Beispiele wie in Günzburg, Coburg und Pfaffenhofen belegten, dass die Plattformen zwar zunächst gut liefen, ehe sie recht schnell uninteressant würden. Sinnvoller sei es, dass jeder Einzelhändler selbst für seine Sichtbarkeit im Netz sorge. Deshalb geht die Stadt einen anderen Weg:

Wenigstens indirekte Unterstützung sollen die Rosenheimer Händler bekommen dank einer Internetseite, an der das Rosenheimer Stadtmarketing derzeit arbeitet, gemeinsam mit Vertretern der Veranstaltungs- und Kongress GmbH (VKR) Rosenheim, des City-Managements und des Wirtschaftlichen Verbandes. Mit Informationen über die Stadt, Freizeittipps und Hinweisen auf Veranstaltungen soll diese Seite Touristen in die Innstadt locken. Und die wiederum würden Kaufkraft bringen, sagt Bugl.

Messung der Passantenströme

Wie viele Menschen wo in der Innenstadt unterwegs sind, das will die Stadt mithilfe der Passantenfrequenzmessung herausfinden. Das Projekt läuft seit 17. Dezember, erste Ergebnisse sollen im Herbst vorgestellt werden. Schon jetzt ließen sich deutliche Unterschiede zwischen den untersuchten Standorten innerhalb Stadt beobachten. Zum Teil variiere die Zahl der registrierten Passanten um bis zu 50 Prozent, sagt Bugl.

Was immer die Ergebnisse zeigen: Die Zukunft des Einzelhandels wird nicht allein von den Händlern oder der Stadtverwaltung bestimmt. Faktoren wie die technischen Entwicklungen, der prognostizierte Rückgang der Bevölkerung bundesweit, die steigende Zahl alter Menschen oder die Zunahme kleiner Haushalte werden Angebot und Nachfrage beeinflussen. Und so wird es in der Rosenheimer Innenstadt immer wieder gute und auch schlechte Nachrichten aus dem Einzelhandel geben.

Blickpunkt Parkmöglichkeiten

Wenn von den Leerständen in der Rosenheimer Innenstadt die Rede ist, dann geht es auch um die Frage der Parkmöglichkeiten. Viele Rosenheimer kritisieren, dass es davon zu wenige gibt. Oder dass sie, vor allem in den Parkhäusern, zu teuer sind. Diese sogenannte Parkraumbewirtschaftung führt die Stadt auf fast allen innenstadtnahen Stellplätzen durch. Ausnahme ist, nach einem Beschluss des Stadtrats, die Loretowiese. Dass es zu wenig Parkplätze in der Innenstadt gebe, weist die Stadt zurück. So habe die Beratungsgesellschaft „Cima“ zuletzt im Jahr 2018 bescheinigt, dass „ausreichend Parkmöglichkeiten“ vorhanden seien. Betrachtet worden waren der Ludwigsplatz, der Max-Josefs-Platz und die Münchener Straße.

Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt die Stadtratsfraktion der Republikaner. Sie hat einen Antrag an Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer (CSU) gestellt, in dem sie ein „Konzept für die Belebung der Innenstadt und zur Sicherung der Arbeitsplätze“ fordert. Die Innenstadt sei schlecht zu erreichen, es fehlten die Parkplätze. Und beides zusammen führe dazu, dass „die gute Stimmung dahin ist“.

Es sei wichtig, die weggefallenen Parkmöglichkeiten an der Herzog-Heinrich-Straße, an der Rieder- und an der Samerstraße zu kompensieren. Als mögliche Idee schlagen die Republikaner vor, mindestens zwei Gratisstunden, vielleicht auch mehr, in den Parkhäusern und auch auf den Stellplätzen im Freien einzurichten.bw

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