Rosenheim – Nach der Nachricht kommt das Nachdenken: Der geplante Umzug von 500 Mitarbeitern der Regierung von Oberbayern nach Rosenheim bewegt die Stadt. In die Begeisterung über die Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei der Klausur in Seeon mischen sich Bedenken. Im Mittelpunkt stehen dabei die möglichen Folgen für den Wohnungsmarkt.
Viel Euphorie und
ein Grundstück
Rosenheim, zusammen mit Ingolstadt, als Zentrum des Regierungsbezirks Oberbayern: Diese Nachricht hatte am Mittwoch vor allem die politischen Köpfe in der Stadt euphorisiert. Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer (CSU) etwa sagte, sie sei „total begeistert“. Und nannte mit dem rund 4000 Quadratmeter großen Baufeld 3 Ost an der Münchener Straße auch gleich ein mögliches Grundstück für das Behördengebäude. Die Fläche liegt zwischen dem Parkhaus P12 und dem im Bau befindlichen „Medical Cube“.
Wirtschaftsdezernent Thomas Bugl sprach von einem „großen Wurf“. Und konkretisierte gestern, Rosenheim gewinne mit der Verlagerung eine zentrale Mittelbehörde dazu. Eine Aufwertung, vor allem dann, wenn alle Funktionseinheiten im Ganzen jeweils nach Rosenheim und Ingolstadt kämen. Die Regierung von Oberbayern also zwei Sitze erhalte: den einen für die Menschen im Norden, den anderen – Rosenheim – im Süden des Freistaats. Dann, sagte Bugl, würden die Menschen eine echte Verbesserung spüren, würden die Wege kürzer werden in allen Belangen, bei denen sie die Regierung von Oberbayern brauchen.
Die Menschen in der Stadt treibt aber offensichtlich etwas anderes um: Die Sorge, die Mieten könnten ebenso steigen wie die Preise für Immobilien. Von „goldenen Zeiten für Vermieter und Immobilienbesitzer“ schreibt etwa Michael H. auf Facebook. User „Mic Hael“ mahnt an: „…wichtig wäre erstmal bezahlbaren Wohnraum in Rosenheim und Umgebung zu schaffen!!!“ Und Michael S. findet: „Wir brauchen nicht mehr Jobs und noch mehr Zuzug…. München verlagert die Arbeitsplätze unter anderem mit der Begründung, dass Wohnraum knapp ist. Als ob wir das Problem nicht kennen würden?“
Ein Auszug nur aus dem Netz. Sicherlich. Doch schon seit einiger Zeit mehren sich die Stimmen besorgter Rosenheimer, die Preise könnten bald Münchner Niveau erreichen, ein durchschnittliches Gehalt nicht mehr genügen, um Wohnraum zu bezahlen.
Bugl zerstreut diese Bedenken mit dem Hinweis, nicht alle 500 Mitarbeiter zögen von jetzt auf gleich nach Rosenheim. Außerdem: Längst gebe es solche, die von Rosenheim oder aus dem Umland nach München einpendelten, um bei der Bezirksregierung zu arbeiten. Und selbst wenn man davon ausginge, dass in Folge des Umzugs rund 1500 Menschen auf den Rosenheimer Wohnungsmarkt strömten, sei das zu stemmen. Bugl setzt dabei insbesondere auf eine enge Zusammenarbeit mit den SUR-Gemeinden. Auch dort könnte Wohnraum entstehen. In Rosenheim selbst seien derzeit 1200 Wohneinheiten „in der Pipeline“. Auch in Sachen Infrastruktur ist Bugl zuversichtlich: Ob Kindergärten oder Schulen, die Stadt sei auf einem guten Weg und gerüstet.
Chance für
den Einzelhandel
Zuzug, daran lässt Bugl keinen Zweifel, ist wichtig für die Stadt und das Umland. Denn selbst, wenn die Regierung von Oberbayern keine Gewerbesteuer in die Stadt bringe, sei sie doch ein Garant für krisensichere und in der Regel hochwertige Arbeitsplätze. In der Folge könne die Stadt auf ein Plus an Einkommenssteuer zählen. Außerdem sei ein Zuwachs an Kaufkraft zu erwarten. So mancher Euro könnte in den Rosenheimer Einzelhandel fließen. „Wir brauchen das“, bilanziert Bugl.
Söders Offensive für den ländlichen Raum bedeutet für Rosenheim eine lange Zeit der Planung – sollte die Entscheidung tatsächlich für einen Standort in der Stadt fallen. Mindestens zehn, eher sogar 15 Jahre werden ins Land gehen, bis der Umzug vollendet ist. Das zu managen, ist auf jeden Fall nicht mehr Sache von Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer, sondern die ihres Nachfolgers.
Um das Amt bewerben sich sechs Kandidaten: Sie alle können der möglichen Neuansiedelung Positives abgewinnen. Für Christine Degenhart (FW/UP Rosenheim) ist der Vorstoß „ein klares Signal für Aufbruch und Eigenständigkeit“. Zwar handle es sich bisher um eine „Absichtserklärung des Ministerpräsidenten“, der die Koalition erst zustimmen müsse. Dennoch sei die Idee für sie eine „Steilvorlage der Bayernkoalition“, die sie zu nutzen wisse, sollte sie Rathaus-Chefin werden.
CSU-Oberbürgermeisterkandidat Andreas März ist „begeistert“. Söders Vorstoß findet er „grandios“. Auch er plädiert dafür, zwei eigenständige Zentren der Bezirksregierung zu schaffen. Bedenken, die Infrastruktur in Rosenheim könne nicht ausreichen, kontert er mit der Aussage: „Es wäre, als würden wir ein Gewerbegebiet nicht zulassen, weil wir fürchten, den Wohnraum nicht stellen zu können.“
Genau das treibt Franz Opperer um: Der Oberbürgermeisterkandidat der Grünen fürchtet, dass „der Druck auf den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt und auf die Verkehrs- und Mobilitätsinfrastruktur“ wachsen wird. Daher erwarte er, dass die Staatsregierung nicht nur den Umzug finanziere, sondern der Stadt Rosenheim auch Geld zur Verfügung stelle für die notwendige Infrastruktur. Trotzdem: Opperer verspricht sich durchaus eine Aufwertung für die Stadt als Oberzentrum.
Herausforderung
über viele Jahre
Diese erkennt gleichermaßen der FDP-Kandidat Lars Blumenhofer. Er spricht von einer „Stärkung“ der Stadt, die es aber notwendig mache „noch aktiver die Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt“ anzugehen. Vor allem die Hoffnung auf neue Arbeitsplätze stellt Andreas Kohlberger, Kandidat der AfD, in den Mittelpunkt seiner Zustimmung. Die Sorge, dass die Preise auf dem Wohnungsmarkt anziehen könnten, teilt er nicht. Von SPD-Oberbürgermeisterkandidat Robert Metzger lag bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme vor.
Für wen auch immer sich die Rosenheimer Wahlberechtigten am 15. März entscheiden werden: Sollte die Regierung von Oberbayern mit 500 Mitarbeitern nach Rosenheim kommen, ist das eine Aufgabe, die den Nachfolger von Gabriele Bauer mehr als eine Amtsperiode beschäftigen wird.