In Hollywood ein Renner

von Redaktion

Ausstellung „Made in Rosenheim“ erinnert an Designer Ernest Hofmann „Igl“

Wo alles begann: Ernest Hofmann in seiner ersten Werkstatt in München. Was ihm für seine Arbeit sinnvoll erschien, setzte er ein. Unter anderem auch den Bohrer eines Zahnarztes.Foto Privat

Rosenheim – Ernest Hofmann war ein ungewöhnlicher Mann. Für seine Zeit, aber auch darüber hinaus. Einer, der gesegnet war mit Begabungen, der dank seiner Talente weltbekannt geworden ist. Sogar Hollywood klopfte an. 19 Jahre seines Lebens verbrachte der Designer, Erfinder, Grafiker, Karikaturist und Bildhauer in Rosenheim. Sein Sohn (63), der „Igl-Bua“, lebt noch heute in der Stadt. Er hält das Werk seines Vaters zusammen. Die wichtigsten Stücke zeigt derzeit die Ausstellung „Made in Rosenheim – Design und Werbung aus 100 Jahren“.

Zwischen Aktmalerei
und Industrie-Design

Wie vielseitig kreativ der 1920 in Prag geborene Ernest Hofmann Zeit seines Lebens arbeitete, belegt allein schon die Tatsache, dass der Anfang seines – zumindest finanziellen – Erfolges irgendwo zwischen dem Illustrieren von Schulbüchern, dem Malen von Aktbildern und dem Entwerfen einer Gießkanne zu finden ist.

Ein Erfolg, der ihn in den Jahren und Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg immer bekannter werden ließ, erst in der Region, dann in Deutschland, in Europa. Später reichten sein Ruf und Ruhm bis nach Hollywood: Die Filmemacher des Blockbusters „Men in Black 3“ statteten die berühmte Agentenzentrale mit Schreibtischen aus, die Hofmann entworfen hatte. Eine posthume Ehre: Der Film lief im Jahr 2012. Ernest Hofmann aber war bereits 2001 in Davos an Prostatakrebs gestorben.

Dort erinnern ein Ferienhaus, das man mieten kann, und diverse Skulpturen an den „Igl“. Ein Künstlername, den er sich selbst 1954 gegeben hatte. Drei Buchstaben wie die Stationen eines jeden seiner Schaffensprozesse: Idee, Gestalt, Linie. In Davos hatte Hofmann Linderung gefunden für sein Asthma-Leiden. Zuvor, auf Sylt, hatte sich die Krankheit eher verschlimmert. Der Umzug auf die Nordsee-Insel und der damit verbundene Abschied aus Rosenheim hatte sich insofern nicht gelohnt.

Die Familie lebt
Am Mitterfeld

19 Jahre lang, von 1960 bis 1979, hatte Ernest Hofmann Am Mitterfeld gelebt, mit seiner Frau und den drei Kindern, zwei Mädchen und ein Bub. Zu dieser Zeit hatte er sich bereits einen Namen gemacht. Hatte für den Piper-Verlag Schulbücher mit seinen Zeichnungen versehen und – wie man heute sagen würde – den Deal seines Lebens eingefädelt: Eine Ausstellung mit den Aktbildern besuchte in München mit viel Freude ein Gießkannen-Hersteller. Wer so gut male, der könne sicher das Design für eine Gießkanne entwerfen, habe der gesagt, erzählte Hofmann später seinem Sohn Till. Eine Gießkanne, die in Heimarbeit herzustellen sei und daher, nicht wie damals üblich, gelötet sein dürfe, sollte entstehen. Hofmann entwickelte die Kugelkanne, deren Griff zugleich Ausgießer ist. Die ganz ohne Lötstellen auskommt, dafür aber von zwei Gummistöpseln zusammengehalten wird. „Ein Weltrenner“, wie Till Hofmann sagt. Ausgedacht daheim, am Küchentisch in München.

Danach lief das Geschäft, Ernest Hofmann, einst Schüler der Hochschule für Bildende Kunst in Prag und der Akademie der Angewandten Kunst in München, gewann als Designer für Industrieprodukte immer mehr an Bedeutung. Seine Ideen waren für Mähdrescher ebenso gefragt wie für Tesa-Roller. Er entwickelte für Leica ein Präzisionsmikroskop, für Romika einen Gummistiefel. Eine Haushaltsleiter von Hailo trägt ebenso seine Handschrift wie ein Rodelschlitten für das Unternehmen Fritzmeier.

Die finanzielle Situation der Familie stabilisierte sich zunehmend. Was vor allem der Mutter wichtig gewesen sei, sagt Till Hofmann. Die nämlich, im Gegensatz zum Vater, sehr genau rechnete und darauf bedacht war, dass verlässlich und nachhaltig Geld in die Haushaltskasse floss. Schließlich musste die Familie ernährt werden. Was man für Design verlangen könnte, darüber habe der Vater lange nicht genau Bescheid gewusst, sagt Till Hofmann. Und erzählt von einer Diskussion zwischen Vater, Mutter und einem Gesellen: Der Vater schlug 2000 Mark vor, die Mutter 6000 Mark. Am Ende einigte man sich mit 4000 Mark auf den Vorschlag des Mitarbeiters. Im Jahr 1960 zog die Familie nach Rosenheim. Die Grundstücke waren günstiger als in der Großstadt. Ein Vorteil, denn Ernest Hofmann brauchte Platz. Viel Platz. Er fand ihn auf einem 4000 Quadratmeter großen Areal Am Mitterfeld, auf dem ein Haus im Rohbau stand – ursprünglich geplant als Gemeindehaus für Westerndorf St. Peter. Das Gebäude wurde zum Wohnhaus der Familie. Direkt angeschlossen entstanden ein Designstudio und Produktionshallen. Über Jahre seien dort die Firmenbosse ein- und ausgegangen. Im Wohnzimmer, an einem Tisch für 16 Personen, habe der Vater gesessen und verhandelt, sagt Till Hofmann. Bekocht von der Mutter, gerne mit mehrgängigen Menüs.

In Rosenheim war es auch, wo Ernest Hofmann ein Design gelang, das es Jahrzehnte später bis nach Hollywood schaffte: der Igl-Top-Schreibtisch, den es nachfolgend in verschiedenen Versionen gab, etwa als „Igl-Jet“. In den frühen 1970er-Jahren entworfen und aus Kunststoff gefertigt für den Rosenheimer Büromöbelhersteller Werndl, ging er hinaus in die Welt und gilt heute als Sammlerstück. Der ungewöhnliche Werkstoff machte es möglich, einen Tisch zu produzieren mit runden Ecken. „Nächtelang ist der Vater in Rosenheim im Wohnzimmer gesessen und hat überlegt, wie sich der Kunststoff entwickelt und was zu tun ist, dass er wirklich bis in die letzte Ecke fließen kann“, sagt Till Hofmann. Derzeit steht einer dieser Schreibtische in der städtischen Galerie. Ein Kind seiner Zeit. Vor 50 Jahren eine „Sensation“, wie die Leiterin der Galerie, Monika Hauser-Mair, in einer Mitteilung schreibt. Ein Möbel, das dank seiner eleganten fließenden Linie und Kantenlosigkeit schon damals viele Fans hatte.

Vor der Ästhetik
kommt der Nutzen

Die Vielfalt der Ideen, die schier unendliche Kreativität im Umgang mit Materialien und Formen – all das zeichnet das Werk und damit auch den Menschen Ernest Hofmann aus. Dabei, so sagt Till Hofmann, sei der Vater aber keineswegs ein Stylist gewesen, der in erster Linie auf Ästhetik geachtet habe. Im Gegenteil. Vor dem Entwurf stand die Frage nach der Nutzung und ihren Anforderungen. Hatte er etwa den Auftrag, ein neues Design für einen Mähdrescher zu entwickeln – dann fuhr er raus zu den Bauern und erkundigte sich danach, was sie brauchen für ihre Arbeit mit der Maschine.

Am Ende war das Leben von Ernest Hofmann zu kurz für diese enorme Schaffenskraft. Im Alter von 81 Jahren starb er in Davos. Auf seiner Grabstätte in Rosenheim erinnert eine Skulptur an ihn. Natürlich von ihm selbst entworfen – ebenso wie der Sarg, in den er gebettet wurde.

Eigener Entwurf
für den Sarg

„Mein Vater hätte für mich gerne 100 Jahre alt werden können“, sagt Till Hofmann. Ein großes Kompliment, denn leicht war es nicht mit dem Igl. Vater und Sohn konnten viele Jahre nicht miteinander, fanden erst spät zueinander. Heute versteht sich Till Hofmann als der „kleine Archivar“ des Vaters. Und das gilt längst nicht allein für dessen Werk. Sondern ganz besonders für sein Gedankengut. Der Vater sei auch im Denken der Zeit vorausgewesen, sagt Till Hofmann. Das hat er nicht vergessen.

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