Rosenheim – Der Größenunterschied ist immens, aber David fürchtet sich nicht vor Goliath. Der kleine Hirte, der zuvor noch am Hof von König Saul die Laute spielte, soll nun gegen den Riesen aus dem Heer der Philister als Champion kämpfen. Goliath kann über seinen Herausforderer nur lachen, er sieht sich bereits als Sieger. Da nimmt David die Steinschleuder vom Gürtel und zielt auf seinen Gegner.
Auch der Koran
erzählt die Geschichte
Eine Szene aus dem Musical „David – Davud“, das der Kinderchor Fürstätt aufführt, zusammen mit Kindern einer Moschee in Rosenheim. Die Premiere ist heute Abend im Schüler- und Studentenzentrum zu sehen. Das Stück ist die Bearbeitung einer Vorlage von Thomas Riegler. Die Geschichte von König David ist nicht nur in der Bibel ein Thema, auch der Koran erzählt von „Davud“. Zusammen mit Kindern aus der Ditib-Gemeinde in Rosenheim bringt der Chor die Geschichte als gemeinsames Projekt auf die Bühne. Um die integrative Dimension hervorzuheben, schrieben Chorleiterin Annette Kopf und Theaterpädagogin Marion Koczmajewski-Mayle das Stück um.
„Ich würde mir wünschen, dass die Zuschauer aus dem Musical gehen und merken, dass es egal ist, welche Religion man hat“, sagt Anna Wahl. Die Neunjährige spielt die Rolle des Eliab. Ihre Freundin, Elisabeth Allgajer (10), die die Rolle des Davids innehat, pflichtet ihr bei: „Wir wollen nicht gegeneinander kämpfen.“ Im Mittelpunkt des Stücks stehen die beiden Erzähler. In der Rolle eines christlichen Priesters und eines Imams tragen Josefine Allgajer und Yilmaz Cetin die Geschichte abwechselnd vor, aber auch Gebete aus der Bibel und dem Koran. Die Zuschauer sehen auf der Bühne, wie David erst vom Propheten Samuel (Tabea Grawe) gesalbt wird, dann vor König Saul (Simon von Delius) Laute spielt, und schließlich vor Goliath (Alina Mayr) steht. Pianistin Constanze Kopf begleitet den Chor und die Solisten zusammen mit einem kleinen Orchester. Die Eltern nähten die Kostüme und entwarfen Kulissen.
Die Idee für ein christlich-muslimisches Musical entstand im Zusammenhang mit der Ausstellung „Religionen der Welt“, die im Bildungswerk Rosenheim stattfindet. Annette Kopf war es besonders wichtig, die Gemeinsamkeiten der Religionen zu zeigen. „Vor drei Jahren, als wir das erste Musical aufführten, dominierte gerade die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre. Wir wollen demonstrieren, dass viele Geschichten in Koran und Bibel vorkommen, nicht zuletzt die von Jesus.“
Die Ditib-Gemeinde organisierte extra für das Stück einen besonders verzierten Koran aus München und der Imam übte mit den Kindern auch die entsprechenden Suren ein.
Nicht nur der Erfolg des Stückes steht im Vordergrund, die Kinder sollen auch etwas Persönliches mitnehmen. „Über die Erfahrung des Theaterspielens kann man wunderbar den eigenen Handlungsspielraum erweitern. Wir müssen im Alltag die ganze Zeit Rollen spielen, auch in ganz praktischen Situationen wie Bewerbungsgesprächen und mündlichen Prüfungen“, sagt Koczmajwksy-Mayler.
Während der Probenzeit konnten die Buben und Mädchen Freundschaften schließen. „Wir sind gleich Freunde geworden“, erzählt Amelie Finsterwalder (9). Tabea Grawe fügt hinzu: „Alle waren offen zueinander, nur so kann das funktionieren.“ Die unvoreingenommene Haltung der Kinder zeige, dass Rassismus und Feindseligkeit nichts Natürliches seien, sagten Kopf und Koczmajewsky-Mayler.
Eine Anregung
zum Nachdenken
Ein Abend, der nicht nur eine Geschichte erzählen, sondern zum Nachdenken anregen soll, erwartet die Zuschauer heute. Zu sehen ist die Aufführung ab 18 Uhr auf der Bühne des Schüler- und Studentenzentrums in Rosenheim. Weitere Aufführungen sind geplant für den 8. und 9. Februar im Rosenheimer Künstlerhof.
Das christlich-muslimische Kinderchorprojekt will eine Alternative sein zu Hass und Feindseligkeit. Oder wie es Alina Mayr (13) formuliert: „Davids Kampf gegen Goliath zeigt eindeutig, dass am Ende eben nicht der Laute gewinnt.“