Rosenheim – Ein Nachspiel hat der Auftritt des Münchner Rechtspopulisten Michael Stürzenberger in Rosenheim. Zum einen hat er der Stadt mit Klage gedroht. Zum anderen steht die Frage im Raum, ob die Stadt den Auftritt des Pegida-Aktivisten mit Auflagen stärker hätte reglementieren können und müssen.
Stürzenberger steht politisch rechts, wird vom Verfassungsschutz beobachtet und gilt als islamfeindlich. In Rosenheim war er am vergangenen Samstag als Gastredner einer angemeldeten Veranstaltung aufgetreten und hatte über mehrere Stunden vor dem Mittertor seine Thesen propagiert (wir berichteten). Sehr zum Ärger der Gegendemonstranten, die lautstark mit Trillerpfeifen gegen Stürzenberger anhielten.
Kritik an Lautstärke
und Redezeit
Insbesondere die Lautstärke des Gastredners und die Länge seines Vortrags beschäftigen nun die Stadt und ihre Vertreter. Franz Opperer, Stadtrat und Oberbürgermeisterkandidat der Grünen, wirft ihr vor, den Redner „zu gut behandelt“ zu haben. Eine Einschätzung, die sein Mitbewerber und SPD-Stadtrat Robert Metzger teilt: Über einen Zeitraum von vier Stunden, praktisch von Anfang bis Ende der Veranstaltungszeit, habe Stürzenberger ohne Pause geredet. Und zwar dermaßen laut, dass – zusammen mit der Lautstärke der Gegendemonstranten – ein Lärmpegel entstanden sei, der insbesondere für die Händler ringsum ein Ärgernis gewesen ist (siehe Kasten). Die Polizei bestätigt den Lärm bei der ansonsten friedlichen Veranstaltung, beide Seiten hätten sich „gegenseitig aufgeschaukelt“.
Lautstärke und Rededauer fallen unter die Auflagen, die eine Stadt laut Versammlungsrecht grundsätzlich machen darf. Ebenso kann sie den Versammlungsort korrigieren, muss aber in jedem Fall ihre Entscheidung fundiert begründen. Gegen die Auflagen können der oder die Anmelder einer Versammlung Einspruch einlegen: entweder vorab per Eilantrag an das zuständige Verwaltungsgericht. Oder im Anschluss an die Veranstaltung per nachträglicher Feststellungsklage – was offensichtlich Absicht von Michael Stürzenberger ist, wie die Stadt mitteilt.
Der Rechtspopulist tritt gerne öffentlich auf, auch in München. Wie das Kreisverwaltungsreferat (KVR) München mitteilt, hatte man zuletzt für eine Veranstaltung im Jahr 2013 folgende Verfügungen bestimmt: „Beschränkung der technischen Schallverstärkung auf drei Zehn-Minuten-Blöcke pro Stunde mit jeweils einer Pause von mindestens zehn Minuten.“ Außerdem eine „Begrenzung der Lautstärke auf einen Höchstwert von 85 dB(A) – gemessen fünf Meter vor der Mündung des Schalltrichters des Megafons“. Gegen beide Verfügungen wurde nachträglich geklagt, und sowohl das Verwaltungsgericht in München als auch der Verwaltungsgerichtshof wiesen die Klage ab. Kläger war damals „Die Freiheit Landesverband Bayern“, eine im Jahr 2010 gegründete „Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie“. 2013 war Stürzenberger zu ihrem Vorsitzenden gewählt worden. Drei Jahre später löste sich „Die Freiheit“ selbst auf.
Sollte Stürzenberger gegen die Stadt klagen, wird sich zeigen, wer eigentlich der Veranstalter in Rosenheim war. Offiziell ist das nicht bekannt. Es gibt Aussagen, wonach es sich um Sympathisanten der AfD handelt. Das sei falsch, sagt der Landtagsabgeordnete und Kreisvorsitzende der AfD Rosenheim, Andreas Winhart. Seine Partei habe Stürzenberger weder eingeladen noch ihn finanziell oder logistisch unterstützt. Auch Werbung für dessen Auftritt habe die AfD zu keinem Zeitpunkt betrieben. Ganz im Gegenteil: Wie sein Landtagskollege Franz Bergmüller und der Rosenheimer AfD-Oberbürgermeisterkandidat Andreas Kohlberger sei auch er selbst „ganz bewusst“ nicht vor Ort gewesen. Als Grund für diese Entscheidung nennt Winhart eine Direktive des AfD-Bundesverbandes, wonach Parteimitglieder möglichst nicht an Veranstaltungen Dritter teilnehmen und/oder mit ihnen zusammenarbeiten sollen.
Videos auf einem youtube-Kanal
Immerhin: Auf dem youtube-Kanal des Schriftführers im Rosenheimer AfD-Kreisverband, Stefan Bauer, finden sich Videos, die offensichtlich vor Ort entstanden sind. Eines zeigt – zumindest bis Mittwochabend – Stadtrat Franz Opperer. Unter dem Video steht: „Die Grünen haben Franz Opperer aufgestellt. Hier stolziert er neben einem extrem störenden Teilnehmer der Gegendemo an Michael Stürzenberger vorbei. Natürlich ohne zu diskutieren, denn er weiß: er würde nur verlieren.“
Eine Sequenz von 34 Sekunden, die es in dieser Form bei einem Auftritt Stürzenbergers in München wohl nicht gegeben hätte: Denn dort hatte das KVR nicht nur Einschränkungen zu Lautstärke und Rededauer verfügt. Es hatte den Veranstaltern auch Bild- und Videoaufnahmen verboten von „Gegendemonstranten, opponierenden Teilnehmern und Teilnehmerinnen und Teilnehmern bzw. unbeteiligten Personen, soweit diese nicht ausdrücklich ihre Einwilligung zu den Aufnahmen erklärt haben“.
In Rosenheim hat der Videofilmer viele solcher Menschen dokumentiert. Nicht nur in dem Streifen über Franz Opperer. Sondern auch auf drei weiteren Filmen, die im Netz stehen. Ob er all diese Leute um ihre Einwilligung gebeten hat, darüber liegen dem OVB keine Informationen vor. Das Fotografierverbot des KVR in München immerhin ist längst verwaltungsgerichtlich bestätigt.