Mit künstlicher Intelligenz aus dem Stau

von Redaktion

Forscher suchen Lösungen für einen besseren Verkehrsfluss und Alternativen zum Auto

Rosenheim – Den Verkehrsfluss verbessern sowie Alternativen zum Auto entwickeln und stärken: Das sind Ziele, die die Rosenheimer Stadträte derzeit durchaus kontrovers diskutieren. Ideen für mehr Mobilität jenseits politischer Färbungen sammeln und zur Verfügung stellen – das ist Ziel des Forschungsprojekts „KIBO-NUM“. Es wird unterstützt und gefördert vom bayerischen Wirtschaftsministerium. Rosenheim tritt als assoziierter Partner auf und kann die Ergebnisse nutzen.

Apps weisen

den Weg

Drei Unternehmen sind es, die das Projekt realisieren wollen: die „Urban Mobility Innovations“ (UMI) mit Sitz in Garching (Landkreis München) sowie die beiden PSI-Töchter „PSI Fuzzy Logik & Neuro Systeme“ aus München und die „PSI Mines & Roads GmbH“ aus Aschaffenburg. Gemeinsam wollen sie zunächst die Verkehrssituation in Rosenheim möglichst vollständig erfassen, um dann Konzepte für eine nachhaltige, urbane Mobilität zu entwickeln und vorzustellen, die die Stadt umsetzen kann. Instrumente dazu sind Anwendung von BigData-Konzepten, aber auch künstlicher Intelligenz (KI), etwa in Form von Apps.

Rosenheim habe sich als Forschungsfeld angeboten, weil man bewusst keine Metropole wählen wollte, sondern eine Stadt mit maximal 100000 Einwohnern. Außerdem habe es persönliche Kontakte der UMI gegeben, sagt Elmar Jaeker von der PSI in Aschaffenburg. Gemeinsam mit Markus Bachleitner von UMI hat er das Forschungsvorhaben im Rosenheimer Verkehrsausschuss vorgestellt.

Die Forscher sind sich bewusst, dass es zum Thema Verkehr viele, ganz unterschiedliche Standpunkte gibt, ganz nach persönlicher Einstellung und/oder parteipolitischer Zugehörigkeit. All diese Ansichten „auszubalancieren“ und in Vorschläge münden zu lassen, das sei die Forschungsaufgabe, sagt Jaeker. Die Entscheidung darüber, was, zu welchem Zeitpunkt, umgesetzt werde, liege dann bei der Stadt.

Grundsätzlich sind kollektive von individuellen Maßnahmen zu unterscheiden: So kann etwa die Schaltung von Ampeln im gesamten Stadtgebiet verändert werden. So kann es aber auch individuelle Angebote geben für Menschen, die nach und in Rosenheim fahren wollen. Dazu gehört, Routen durch die Stadt vorzuschlagen, die nicht direkt über die Innenstadt führen. Oder den Tipp zu geben, das Auto am Stadtrand abzustellen und mit einem Mietrad weiterzufahren.

Zwei Jahre haben die Unternehmen Zeit für ihre Forschung und die prototypische Realisierung. Wenn erste Ergebnisse vorliegen, soll es einen Zwischenbericht im Ausschuss geben. Nutzen wollen die Forscher unter anderem bereits vorhandene Daten einer UMI-Plattform. Sie stammen von Verkehrsteilnehmern aus ganz Europa, die eine bestimmte App für ihre Mobilität nutzen und der Auswertung ihrer Daten zugestimmt haben. Unter ihnen Menschen aus Rosenheim.

Finanziert wird „KIBO-NUM“ durch die Unternehmen selbst sowie das bayerische Wirtschaftsministerium. Der Stadt als assoziiertem Partner entstehen keine Kosten. Ihre Aufgabe ist es, Einblick in ihr bestehendes Verkehrskonzept zu geben und Informationen bereitzustellen.

Nachhaltige und

urbane Mobilität

Der Projektname „KIBO-NUM“ steht für KI-basierte Online-Optimierung (KIBO). Sowie für nachhaltige urbane Mobilität (NUM). Der Kibo wiederum ist der höchste Berg Afrikas und Teil des Kilimandscharo-Massivs. Ein schöner Vergleich zum Projekt, findet Jaeker. Denn schließlich wollen die Unternehmen „höchste Berge erklimmen“. Läuft das Projekt erfolgreich, könnte es einmal in ein Geschäftsmodell münden, das anderen Kommunen angeboten und letztlich dann auch verkauft würde.

Stadträte kritisieren Schwerpunkt der Studie und die Erhebung von Daten

Durchaus kritisch haben die Rosenheimer Stadträte im Verkehrsausschuss auf das Projekt „KIBO-NUM“ reagiert. Im Mittelpunkt dabei die Gewichtung der Verkehrsmittel und die Datennutzung.

Franz Opperer, Stadtrat und Oberbürgermeisterkandidat der Grünen, und auch Stadtrat Abuzar Erdogan (SPD) monieren, dass das Auto zu sehr in den Fokus gerückt werde. Sie fordern eine stärkere Einbeziehung der Daten von Radfahrern. Elmar Jaeker von PSI Aschaffenburg gab ihnen recht und versicherte, einen multimodalen Ansatz zu verfolgen, also auch andere Verkehrsmittel zu berücksichtigen. CSU-Fraktionschef Herbert Borrmann schloss sich Opperer und Erdogan an, bat darum, möglichst alle Verkehrsträger einzubinden und die Systeme miteinander zu koppeln. Um schnelle Ergebnisse zu erhalten, sieht er es als unverzichtbar an, auf Google-Verkehrsdaten zurückzugreifen. Stadtrat Daniel Artmann (CSU) wollte wissen, warum man nicht intensiver die ohnehin vorliegenden Google-Daten verwende. Dort seien sämtliche Baustellen und Straßensperrungen korrekt vermerkt. Deren Verwendung sei zu teuer und aufgrund des Datenschutzes bedenklich, antworteten Jaeker und auch Markus Bachleitner von „Urban Mobility Innovations“.

Stadtrat Dr. Wolfgang Bergmüller (CSU) regte an, die Ampelschaltungen mithilfe von künstlicher Intelligenz zu optimieren. Artmann erwähnte digitale Verkehrsschilder als sinnvolle Maßnahme, um den Verkehr besser zu lenken.

Rosenheims Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer (CSU) verspricht sich von dem Forschungsprojekt einen Mehrwert für die ÖPNV-Nutzer. Für Fahrgäste, die nicht technikaffin seien und beispielsweise Probleme mit Apps hätten, könnte sich aus dem Projekt eine bessere Fahrgastinformation samt Echtzeitdaten ergeben. „Aktuell ist der Austausch zwischen Station, Bus und Schiene schwierig“, sagte Bauer und spielte damit an auf die mangelhaften Möglichkeiten der Anschlusssicherung. aez

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