Rosenheim – Es heißt nicht umsonst, der Hund sei der beste Freund des Menschen. Die treuen Vierbeiner sind für ihre Besitzer vieles: Spiel- und Sportkamerad, Seelentröster und Beschützer. Schäferhündin Yuki schenkt ihrem Frauchen Nora Isabel Nogossek etwas noch Wichtigeres: Freiheit. Denn Yuki ist ein Epilepsie-Warnhund.
Nora Isabel Nogossek arbeitet in der Volkshochschule Rosenheim. Die 35-Jährige gibt dort Sprachkurse. Immer an ihrer Seite Yuki. Der Name kommt aus dem Japanischen und bedeutet „Schneeflocke“. Gut gewählt, denn das Fell der Hündin ist schneeweiß.
Vielseitige Hunderasse
Der Weiße Schweizer Schäferhund oder Berger Blanc Suisse ist eine ebenso imposante wie vielseitige Hunderasse. Der Spitzname „Weißer Schatten“ kommt nicht von ungefähr – diese Hunde folgen ihrem Menschen am liebsten überall hin. Sie gelten als sehr sensibel, intelligent und lernwillig. Außerdem haben sie einen ausgeprägten Schutz- und Hütetrieb. Damit bringen sie alle wesentlichen Eigenschaften mit, die Therapie- und Assistenzhunde brauchen.
Blindenhunde sind heutzutage schon eine anerkannte Selbstverständlichkeit. Bei Epilepsie-Warnhunden sieht es, insbesondere hierzulande, noch anders aus. Wer sich einen Hund mit diesen Fähigkeiten wünscht, ist bei Kauf und Ausbildung noch völlig auf sich selbst gestellt. Es gibt keinerlei finanzielle Unterstützung.
Nora Isabel Nogossek entschied sich trotzdem dafür, sich so einen Hund anzuschaffen. Seit vielen Jahren ist sie Epileptikerin. Eine Krankheit, die die Medizin heutzutage eigentlich gut im Griff hat. Aber Nora Isabel Nogossek ist medikamentenresistent. Ohne für sie wirksame Medizin gehören epileptische Anfälle zu ihrem Alltag.
Bis Yuki vor dreieinhalb Jahren zu ihrer ständigen Begleiterin wurde, war ihre Lebensqualität dadurch enorm eingeschränkt: „Ein Anfall kündigt sich nicht an. Das kann böse Folgen haben, beispielsweise wenn man von der Treppe stürzt oder wenn man gerade beim Kochen ist und die Herdplatte nicht mehr rechtzeitig abschalten kann.“ Sich frei und unbeschwert zu bewegen, war für die Rosenheimerin unmöglich. Mit der weißen Schäferhündin hat sich vieles in ihrem Leben geändert: „Meine Lebensqualität ist mit ihr deutlich besser geworden. Ich habe jetzt viel mehr Freiheit“.
Yuki kam aus einer Zucht in Norddeutschland zu der Rosenheimerin. Eine Garantie, dass aus einem Welpen später einmal ein guter Assistenzhund wird, gibt es bei keiner Rasse. Nora Isabel Nogossek musste erst einmal abwarten, wie sich ihre Hündin entwickelt. Bei der Ausbildung zur Seite stand ihr eine erfahrene Tiertrainerin.
Wichtig war der Rosenheimerin von Anfang an: „Auch als Therapiehund soll mein Hund immer Hund sein dürfen“. Eine artgerechte Entwicklung, ausreichend Spiel- und Ruhephasen sind für sie eine Selbstverständlichkeit.
Bei der Ausbildung zu einem Epilepsie-Warnhund kommt es vor allem auf ein gutes Gespür an – von Tier und Mensch. Beide Seiten müssen zuerst einmal eine gemeinsame „Sprache“ finden. Nora Isabel Nogossek erinnert sich gut daran, als ihr ihre Hündin zum ersten Mal anzeigte, dass ein Anfall bevorsteht: „Ich habe zuerst nicht verstanden, was sie mir sagen will“. Heute weiß sie aber ganz genau – bleibt Yuki unvermittelt stehen, lässt sie keinen Schritt mehr weitergehen und schaut ihr ganz gezielt in die Augen – muss sie sich darauf einstellen. „Dann bleiben mir noch etwa zwei Minuten, um mich darauf vorzubereiten.“
Wie Hunde einen epileptischen Anfall schon im Vorfeld erkennen, ist wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt. Vermutet wird, dass sich der Atem verändert, durch Botenstoffe, die der Körper freisetzt oder durch eine veränderte Hormonausschüttung.
Wie auch immer, für Nora Isabel Nogossek zählt das Ergebnis: 90 Prozent der Anfälle erkennt Yuki sicher: „Das ist ein so großes Geschenk für mich.“
Auch bei ihrer Arbeit an der Volkshochschule Rosenheim ist Yuki eine enorme Erleichterung.
Für Nora Isabel Nogossek gibt es in der Schule einen Raum mit einer weichen Matte. Warnt ihr Hund vor einem Anfall, begibt sie sich zügig dorthin. Ihre Kursteilnehmer werden schon im Vorfeld darüber informiert, was es mit dem tierischen Begleiter im Klassenzimmer auf sich hat: „Das ist natürlich wichtig, denn es gibt ja auch Menschen mit einer Hundehaar-Allergie. Die kann ich natürlich nicht unterrichten.“ Probleme hat es bisher noch nie gegeben, ganz im Gegenteil. „Schüler und Arbeitskollegen stehen Yuki sehr positiv gegenüber“, freut sich ihr Frauchen.
Eine Freundin für
die Hundedame
Seit einigen Monaten hat die schöne Hundedame sogar eine tierische Freundin an der VHS: Lotte, Halbschwester von Otto, dem Dackel von Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer. Dagmar Steffen, Ansprechpartnerin für Alphabetisierungskurse und Qualifizierungsberatung in der VHS, nimmt ihren kleinen Familienzuwachs ebenfalls regelmäßig mit zur Arbeit.
Treffen sich die beiden Vierbeiner, ist die Freude jedesmal groß.
Ein Leben ohne ihre Yuki kann sich Nogossek nicht mehr vorstellen. „Sie ist ein fester Bestandteil in meinem Leben, ein richtiges Familienmitglied eben“, sagt sie. Ihr größter Wunsch ist es, dass es in Zukunft auch für eine medikamentenresistente Epilepsie eine medizinische Behandlungsmöglichkeit gibt: „Dann muss Yuki nicht mehr auf mich aufpassen und darf nur noch Hund sein.“