Beratung auf Augenhöhe

von Redaktion

Der Bedarf ist groß – jetzt verfügt auch Rosenheim über eine ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB). Menschen mit Behinderung sowie deren Angehörigen können hier kostenlos nach Hilfe fragen. Auch eine Beratung zu Hause ist möglich. Morgen, Donnerstag, ist Eröffnung.

Rosenheim – Durch die geschlossene Tür dringt das Geräusch von klappernden Tasten. In dem kleinen Büro im zweiten Stock in der Luitpoldstraße 9 sitzen Nils Vater (36) und Marco Trapp (41). Vor ihnen stehen Computer. Ein Schrank ist mit Fachbüchern gefüllt. Sonst ist der Arbeitsplatz eher spärlich eingerichtet. Es gibt viel zu tun – E-Mails müssen beantwortet, Gespräche geführt und Termine koordiniert werden.

Morgen, Donnerstag, ist es soweit: Die erste ergänzende unabhängige Teilhabeberatung in Rosenheim wird eröffnet. Träger ist Startklar, eine freie und gemeinnützige Wohlfahrtseinrichtung. Das Angebot wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bundesweit eingeführt. Inzwischen gibt es 500 Beratungsstellen.

Neben Gesprächen mit dem Fachpersonal steht auch das sogenannte „Peer Counseling“ im Vordergrund. Das heißt: Menschen mit Behinderung werden selbst zu Ansprechpartnern für Ratsuchende. Wie Marco Trapp. Der 41-Jährige sitzt im Rollstuhl. Er leidet an „Osteogenesis imperfecta“ – der Glasknochenkrankheit. Bis jetzt hat er sich etwa 70 Knochen gebrochen. „Die Krankheit ist unberechenbar“, weiß Trapp. So ist er beispielsweise vor einigen Jahren bei einem schweren Verkehrsunfall mit ein paar blauen Flecken davon gekommen – brach sich aber später beim zu weit nach vorne Lehnen eine Rippe.

Sein Arbeitskollege Nils Vater ist zwar nicht selbst betroffen, trotzdem ist das Thema für ihn eine Herzensangelegenheit. „Meine Frau ist sehbehindert“, sagt Vater und fügt hinzu: „Sie hat mir geholfen, die Sichtweise von Behinderten zu verstehen.“

Ab Donnerstag geben die beiden ihr Wissen an Menschen mit Behinderung und deren Angehörige weiter. Im Fokus stehen Themen wie Betreuung, Pflege, Assistenz, Hilfsmittelversorgung, Partnerschaft, Diskriminierungserfahrung, Elternschaft und gesetzliche Betreuung sowie Teilhabe am Leben.

Was nicht angeboten wird, ist eine Beratung für Gehörlose: „Wir beherrschen die Gebärdensprache nicht“, begründet Trapp. Die Betroffenen werden an eine Beratungsstelle in der näheren Umgebung verwiesen, die einen Dolmetscher zur Verfügung hat.

Aber auch sonst gibt es genug zu tun. Seit Oktober bereiten sich die Mitarbeiter auf die Eröffnung vor und haben schon etliche Beratungsgespräche geführt. „In Rosenheim herrscht viel Bedarf“, sagt Vater. Das Problem: Viele Situationen, in denen sich Behinderte befinden würden, seien sehr festgefahren, stellen sie fest. Im Moment haben es die beiden deswegen viel mit Krisen und weniger mit der Beratung zu tun.

Zufrieden mit der bisherigen Entwicklung der Beratungsstelle sind sie trotzdem: „Ich bin total froh, dass alles funktioniert. Wir haben den gleichen Wunsch und die gleiche Schaffenskraft“, sagt Vater. Ihr Motto: Wer kommt, erhält Beratung. „Durch unsere langjährige Erfahrung kennen wir uns in vielen Bereichen aus“, sagt Trapp. Dass er der Ansprechpartner für Rollstuhlfahrer ist, liegt auf der Hand. Betroffene, die Fragen zu Sehbehinderungen haben, wenden sich in den meisten Fällen eher an Vater. Die beiden sind eben ein eingespieltes Team.

Info und Kontakt

Meine Frau hat mir geholfen,

die Sichtweise von Behinderten

zu verstehen.

Nils Vater

Artikel 12 von 17