Wo sich Kunst und Humor verbinden

von Redaktion

OVB-Serie „Kunst im öffentlichen Raum“ – Folge 104 Fischbrunnen am Ludwigsplatz

Rosenheim –Der „Fischbrunnen“ am Ludwigsplatz, den der Münchner Professor Georg Albertshofer 1927 entworfen hat, zählt zu Rosenheims bekanntesten Brunnen und zeigt sich als eine gelungene Komposition aus einem quadratischen Sockel, einer runden Brunnenschale, die von einem kunstvollen Gitter mit Fischmotiven bekrönt wird, und der zentralen Brunnensäule. Ganz oben steht ein Fischerjunge auf einer Kugel und hält einen kapitalen Fang, vielleicht ein großer Huchen, den er gerade aus dem Netz geholt hat. Aus vier Fischköpfen an der Säule sprudelt das Wasser in das Bassin. Den Außenrand der Schale ziert das Sprichwort: „Wasser nimmt alles weg, nur schlechte Reden nicht!“, wie es auch am Leipziger „Mägdebrunnen“ des Bildhauers Werner Stein von 1906 zu lesen ist.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verschönerten die Rosenheimer ihren Markt dank einer künstlerischen Gestaltung der öffentlichen Brunnen. 1762 wurde am Äußeren Markt, dem heutigen Ludwigsplatz, ein wohl schon lange existierender Holzbrunnen durch einen Steinbrunnen ersetzt. Fortan zierte ein sechseckiges Brunnenbecken, in dessen Mitte sich eine Marienfigur auf einer schlanken Säule erhob, den Platz vor dem Amann-Bäck Haus, dem heutigen Finsterwalder-Haus. Gut hundert Jahre später, 1868, musste der Steinbrunnen einem Brunnen aus Gusseisen weichen.

Die Marienfigur jedoch blieb erhalten und bekam einen neuen Platz an der Fassade des Bäckerhauses, das mittlerweile Johann Finsterwalder erworben hatte und 1864 umbauen ließ. Eine Tafel am heutigen Finsterwalder-Haus erinnert daran. In einer Nische auf Höhe des zweiten Stockwerkes sehen wir auf einer Akanthusblattkonsole und unter einem kleinen Blechdach die hl. Maria als Maria Immaculata, die unbefleckt Empfangene, und damit Siegerin über alle Sünden dieser Welt. Sie steht auf einer Weltkugel, unter ihrem Fuß die Schlange, Zeichen des Bösen. Ihr Haupt umgeben zwölf Sterne, wie das Apokalyptische Weib in der Offenbarung des Johannes. Vor die Brust hält sie eine Heilig-Geist-Taube. 1708 hatte Papst Clemens XI. das Fest „Mariä Empfängnis“ (8. Dezember) für die katholische Kirche eingeführt.

Nach dem Holz- und dem Steinbrunnen nun also 1868 ein Brunnen aus Gusseisen, was damals voll im Trend war. Der neue Brunnen, wohl eine Arbeit der Eisengewerke Achthal, hatte eine völlig andere Gestaltung: um einen pfeilerartigen Aufbau gruppierten sich vier runde Schalen, in die aus vier Hähnen das Wasser lief. Ornamentreliefs schmückten die Brunnensäule und obenauf thronte eine Schale, die alljährlich von der Stadtgärtnerei neu bepflanzt wurde. 1900 und 1916 musste dieser Brunnen repariert werden.

1928 wollte man mit einer großen Feier an „600 Jahre Marktrecht“ erinnern. In den Vorbereitungen dazu wurde 1927 der Ludwigsplatz neu gepflastert und Stadtbaurat Ferdinand Schlögl schlug dem Stadtrat auch gleich die Anschaffung eines neuen Brunnens vor. Der alte Gusseisenbrunnen gefiel offensichtlich nicht mehr. So erhielt Georg Albertshofer, der schon mehrfach bayernweit sein Talent für naturalistische Brunnen bewiesen hatte, den Auftrag für einen Brunnenentwurf. Da schon lange der Fischmarkt vom Max-Josefs-Platz an den Ludwigsplatz umgezogen war, ursprünglich war der Nepomukbrunnen der Fischbrunnen, lag es nahe, das Thema „Fisch“ im Brunnen künstlerisch aufzugreifen.

Albertshofer modellierte die Brunnenteile in seinem Münchner Atelier, nahm die Gussformen ab und sandte diese dann nach Rosenheim, wo die Formen in der Firma Bernrieder ausgegossen wurden. Auf die besorgte Frage des Künstlers, ob denn alles gut angekommen sei, antwortete Schlögl am 12. September 1927: „Sämtliche Brunnenteile sind gut eingetroffen und werden zur Zeit in Kunststein ausgestampft. Wenn der Betonguß fertig, bearbeitet, der Brunnen aufgestellt ist, werden wir dies Ihnen mitteilen.“ Am Samstag, 12. November 1927, war feierliche Enthüllung des neuen „Fischbrunnens“. Neben zahlreichen Zuschauern hatten sich die beiden Bürgermeister, die Mitglieder des Stadtrates, Beamte des Stadtbauamtes, Vertreter aller an der Ausführung beteiligten Firmen sowie Ferdinand Schlögl und Georg Albertshofer eingefunden. Die umliegenden Häuser waren festlich beflaggt, wie der Rosenheimer Anzeiger von diesem Tag berichtet.

Stadtbaurat Schlögl sprach in seiner Rede allen Beteiligten den Dank aus: „Herrn Fabrikant Bernrieder, in dessen Werkstätten der Brunnen aus Kunststein in tadelloser Weise erstellt worden war; Herrn Steinbildhauer Wührer, der die Brunnenplastiken in so künstlerischer Weise überarbeitet hatte, Herrn Steinmetzmeister Roppelt, der die steinmetzmäßige Überarbeitung der Architekturteile sehr sauber ausgeführt hatte, Herrn Kommerzienrat Wolf und Herrn Peter Wolf junior, welch letzterer das schmucke Brunnenziergitter entworfen und ausgeführt hatte, Herrn Meirandres für die Installation der Wasserleitung und der Wasserspeier, sowie Herrn Architekt Steegmüller, der den Schriftsatz des Brunnenschmuckes zeichnete.“

Bürgermeister Dr. Bruno Kreuter ergänzte: Dem Beschauer biete der Brunnen ein Bild, das zum Herzen spreche und das die Natur des Inntales und seines Reichtums an Gewässern und Fischen zum Ausdruck bringe. Der Brunnen werde den späteren Geschlechtern ein Zeugnis dafür sein, dass ihre Altvorderen für Kunst und Humor einen guten Sinn gehabt haben.

Anlässlich der Neugestaltung des Ludwigsplatzes 2008 für die Landesgartenschau 2010 erhielt der Fischbrunnen eine neue Bodenplatte und die Firma Roppelt sanierte den Betonguss durch Tränken und Festigen.

Der Künstler

Georg Albertshofer wurde 1864 in Neuburg an der Donau als Sohn eines Gastwirtes geboren. Ab 1883 studierte er Bildhauerei an der Münchener Akademie der bildenden Künste, zuletzt bei Professor Wilhelm von Rümann. Bevor Albertshofer freischaffender Künstler wurde, arbeitete er im Atelier der Gießerei des Ferdinand von Miller. Die Professur an der Münchner Kunstakademie 1910 markiert den Höhepunkt seiner erfolgreichen Karriere. 1933 starb Albertshofer in München, das sein Lebensmittelpunkt geworden war. Der Künstler war befreundet mit dem Architekten German Bestelmeyer (1874 bis 1942), mit dem er öfters zusammenarbeitete und der für ihn eine großzügige Villa mit Bildhaueratelier in der Karl-Theodor-Straße 27 in München-Schwabing entwarf. Zum Freundeskreis gehörten ebenfalls der Rosenheimer Stadtbaurat Ferdinand Schlögl (1866 bis 1950) und der Lehrer und Kunstsammler Max Bram (1855 bis 1935).

Das Werk

„Fischbrunnen“, 1927 (Jahreszahl auf dem Sockel), Namenszug „G. Albertshofer“ auf der Sockelrückseite; Kunststein aus Betonguss; Sockel: Höhe 79 Zentimeter, Breite und Tiefe jeweils 72 Zentimeter; Brunnenschale: Höhe 36 Zentimeter, Durchmesser 172 Zentimeter; Gitter: Höhe maximal 75 Zentimeter, Durchmesser 180 Zentimeter; Säule: 105 Zentimeter, Durchmesser maximal 55 Zentimeter; Figur: Höhe 91 Zentimeter, Breite 45 Zentimeter, Tiefe 30 Zentimeter; Auftraggeber Stadt Rosenheim; Ludwigsplatz, vor den Häusern Reindl und Finsterwalder, Rosenheim.

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