Seilbahn vom Schloßberg: Warum nicht?

von Redaktion

an Christine Degenhart und Robert Multrus: 70 Jahre Freie Wähler Sieben Fragen

Rosenheim – 70 Jahre Freie Wähler Rosenheim: Das wird die Partei heute Abend feiern. Die OVB-Stadtredaktion nimmt den 70. Geburtstag zum Anlass für sieben Fragen an die Parteivorsitzende Christine Degenhart und den Vorsitzenden der Stadtratsfraktion, Robert Multrus.

1. Hans Klepper, Hans Nickl, Richard Horner, Hans Bentzinger, Richard Wurm, Professor Dr. Anton Kathrein: Die Freien Wähler sind seit 70 Jahren durch bekannte Rosenheimer Persönlichkeiten geprägt. Jeder von ihnen stand für ein politisches Anliegen. Mit welchem Thema wollen Sie in das Geschichtsbuch der Partei eingehen?

Degenhart: Ich würde mir wünschen, dass man mich mit zwei Dingen in Verbindung bringt: Zum einen mit der Entwicklung dieser Stadt, dazu zähle ich den Rosenheimer Norden, und mit einem meiner Lieblingsthemen, der Barrierefreiheit, die sich ja durch viele Lebensbereiche zieht.

Multrus: Wenn man sich die Namen ansieht, stellt man fest, das sind alles altehrwürdige Rosenheimer. Dazu gehöre ich nicht, denn ich bin kein echter Rosenheimer – auch, wenn mein Herz hier zu Hause ist. Wichtig ist mir die Entwicklung des Rosenheimer Nordens – nicht nur fokussiert auf das Nahversorgungszentrum, sondern auch bezogen auf die Entwicklung der Technischen Hochschule und des Wohnraums. Zweiter Punkt ist der Verkehr, den wir vielleicht in Rosenheim irgendwann in den Griff bekommen oder punktuell verbessern sollten.

2.Was waren die größten Erfolge in den vergangenen 70 Jahren?

Multrus: Die Stetigkeit.

Degenhart: Die Gebietsreform, die aktive Unterstützung der Landesgartenschau durch Gründung eines Freundes- und Förderkreises mit dem Zweiten Vorsitzenden Robert Multrus. Und natürlich der erste Antrag, den unser Fraktionsmitglied und Dritte Bürgermeisterin Frau Dr. Burkl 2002 für einen Bebauungsplan zum Bahngelände Nord gestellt hat. Das war ein gravierender Richtungswechsel – hin zu einer Entwicklung, bei der wir als Kommune selbst das Heft in der Hand halten…

Multrus: … und wir verhindern konnten, dass sich großflächiger Einzelhandel am Bahnhof Nord ansiedelt. Diese Vorgabe des Bebauungsplanes und die Veränderungssperre haben schließlich dazu geführt, dass die Investoren der Bahnhofsarkaden aufgegeben haben.

Degenhart: Frau Dr. Burkl haben wir wirklich viele große Erfolge zu verdanken – bis heute: Sie ist die große ‚Akteurin der Fair-Trade-Stadt. Außerdem hat jahrzehntelang Richard Horner den sportlichen Geist in der Stadt geprägt.

3.Und die größten Misserfolge?

Degenhart: Da muss ich erneut den Rosenheimer Norden anführen: Erstarrung, Bewegungslosigkeit.

Multrus: Seit 15 Jahren in Planung und jetzt kann das Vorhaben schlicht und einfach nicht weiter betrieben werden…

Degenhart: … und das in Zeiten des Wohnungsmangels und der Flächendiskussion in einer der kleinsten kreisfreien Städte Bayerns. Dass das so ist, müssen wir der Politik ebenso wie der Verwaltung vorhalten.

Multrus: Es gibt einfach Beschlüsse des Stadtrates, die nicht umgesetzt werden.

Was ist Ihr Wunsch ?

Multrus: Es hat sich im Rosenheimer Norden auch etwas verkehrt: Wir waren ja anfangs davon ausgegangen, entlang der Marienberger Straße zwischen Marienberger Straße und Bahn in Verlängerung des Hubauer-Geländes Gewerbe anzusiedeln. Davon ist man jetzt weg, um hier Wohnungsbau zu ermöglichen. Das ist äußerst wichtig und eine verträglichere Gestaltung für die Anlieger. Wir verfolgen ja auch die Idee, das Gelände nördlich von der Bundespolizei zwischen Bundespolizei und Ebersberger Straße zu entwickeln. Das ist ja auch etwas, bei dem die Grundeigentümer mitziehen müssen. Wenn ich eine vorausschauende Wohnungspolitik betreiben will, muss ich mal anfangen, Planungen zu machen – auch wenn nicht unbedingt sofort alles umgesetzt werden kann.

Es heißt ja immer von der Verwaltung, die Beschlüsse zum Rosenheimer Norden könnten erst umgesetzt werden, wenn es gelinge, den Grund für den Ausbau der Kreuzung Westerndorfer/Ebersberger Straße zu erhalten?

Degenhart: Das ist einfach falsch. Dieser Zusammenhang ist herbeigeredet.

4. Kommunalpolitiker wie Herr Baumann oder jüngst Herr Markus Dick sind von der CSU oder SPD zu den Freien Wähler gewechselt. Wie erklären Sie sich dies?

Degenhart: Wir sehen uns durchaus als eine vielfältige Mannschaft. Wenn man die einzelnen Professionen sieht, ergibt sich auch eine Vielstimmigkeit, die sich nicht immer ganz auf eine Spur bringen lässt. Das unterscheidet uns von den anderen. Wir sind eben nicht eine Partei der Beliebigkeit, sondern eine Partei der sachorientierten Denkweise, deren Mitglieder mal auf der einen, mal auf der anderen Seite stehen.

Da können sich dann auch Mitglieder austoben mit eher Kreativem und Ungewöhnlichem?

Degenhart: Genau (lacht).

5.Welches kommunalpolitische Thema liegt Ihnen für die nächsten Jahre am Herzen?

Multrus: Die Verkehrsentwicklung mit Anbindung des Umlandes an die Stadt und mit dem Ziel, Rosenheim im öffentlichen Personennahverkehr so attraktiv zu machen, dass die Menschen auf das Fahrrad oder auf Busse umsteigen. Außerdem sollten nicht mehr alle, die von außen kommen, mit dem Auto in die Stadt fahren. Deshalb müssen wir Park-&-Ride-Systeme aufbauen. Auch eine Seilbahn vom Schloßberg herunter ist eine Möglichkeit: Warum denn nicht? Fest steht: Platz für mehr und breitere Straßen haben wir nicht. Das wäre auch in puncto Flächenverbrauch nicht sinnvoll.

6.Werden der Erfolg bei der Landtagswahl und die Beteiligung der Freien Wähler an der Landesregierung die Partei in Rosenheim verändern?

Degenhart: Mehr Selbstbewusstsein haben wir schon. Es ist ein großer Vorteil, wenn man sich mit der Fraktion, die sich ja jetzt in einer Regierungskoalition befindet, und mit den Ministern in einem sehr guten Kontakt steht. Dass das so ist, zeichnet sich bereits ab. Wir kommen schneller an Informationen. Und wir merken in Gesprächen mit Bürgern, dass wir als attraktiver Partner wahrgenommen werden, weil wir jetzt mitregieren. Das eine oder andere werden wir mit ein bisschen mehr Nachdruck verfolgen können.

7.2001 hatten Sie per Inserat im OVB einen OB-Kandidaten gesucht. 2020 ist wieder Kommunalwahl. Haben Sie diesmal bereits einen Kandidaten oder eine Kandidatin im Auge?

Multrus: Damals hatten wir keine wirkliche Option, heute würde ich sagen: Wir haben sogar mehrere Optionen. Doch wir werden uns Zeit lassen, denn die Erfahrung zeigt, dass sich Kandidaten, die zu lange warmlaufen, totlaufen.

Interview: Heike Duczek