Rosenheim – „Ekelhaft“: Angewidert blickt eine Dauerparkkartenbesitzerin auf den Kotteppich, in dem ihr Pkw parkt. Er steht in der untersten Ebene (-1). Sie ist von der Verunreinigung besonders betroffen. Die Tauben verkoten außerdem die Parkplätze, die zum VHS-Gebäude am Parkhausschacht hin ausgerichtet sind.
Füttern als falsch verstandene Tierliebe
Auch in der Fußgängerzone sind die Vögel oft keine gern gesehenen, gefiederten Gäste: Sie flattern zwischen Cafébesuchern herum, versammeln sich gurrend zu großen Gruppen, die sich über Brotkrumen oder Brezelreste hermachen, jagen im Sturzflug herbei, sodass Passanten erschrocken die Köpfe einziehen. Da werden Erinnerungen an Hitchcocks „Vögel“ wach.
Die Beute, auf die die Tauben aus sind, ist in Rosenheim jedoch nicht der Mensch. Es sind Essensreste. Die gibt es im Überfluss. Und genau das ist das Problem: In den Cafés und Biergärten, an Eisdielen und Würstlständen fallen Krümel zu Boden. Das lässt sich oft nicht vermeiden. Doch es gibt auch Passanten, die die Waffeltüten ihres Eises einfach auf das Pflaster werfen – oder sogar bewusst Taubenfutter ausstreuen.
Eine typische Szene, die immer wieder in der Hafnerstraße zu beobachten ist: Eine alte Dame leert ihre Semmeltüten über dem Pflaster aus und lockt mit den Teigresten ganz bewusst die Tauben an – falsch verstandene Tierliebe. Sie wird mit Bußgeld bestraft. Doch sogenannte Tierfreunde lassen sich davon kaum abschrecken, obwohl feststeht: Wer Tauben liebt, füttert sie nicht. Denn nicht artgerechte Essensreste schwächen die Vögel und machen sie anfällig für Krankheiten und Parasitenbefall, erläutert die Stadt.
„Die Uneinsichtigkeit einzelner Bürgerinnen und Bürger ist manchmal nur schwer zu ertragen“, seufzt der Pressesprecher der Stadt, Thomas Bugl. Das bewusste Füttern stelle alle Bemühungen der Stadt zur Eindämmung der Population auf den Kopf.
Dass das Parkhaus P4 besonders stark betroffen ist, liegt an den reichhaltigen Nahrungsangeboten im Umfeld, ist die Stadt überzeugt. Hier liegen die Bushaltestelle Heilig-Geist-Straße, wo viele Schüler ihre Brotzeit verspeisen, Cafés, Bäckereien, Wirtshäuser und Eisdielen sind in der Nähe des Parkhauses.
Eier gegen Attrappen ausgetauscht
Dass das 2012 von der GRWS errichtete Taubenhaus auf dem Dach des Parkgebäudes, das von der Veranstaltungs- und Kongress GmbH Rosenheim (VKR) betrieben wird, eine Mitschuld an der besonders intensiven Plage rund um das P4 tragen könnte, weist die Stadt zurück. Der Taubenwart der Stadt füttere die Tiere artgerecht und tausche die gelegten Eier gegen Attrappen aus. Hierdurch werde die Population reguliert. Da sich die Bewohner des Taubenhauses den Großteil des Tages in ihrem Heim aufhalten würden, verringere sich die Verschmutzung von Gebäuden durch Kot, ist Bugl vielmehr überzeugt.
Er findet sogar, dass sich der Grad der Verunreinigung im Parkhaus seit der Eröffnung des Taubenhauses und der kontinuierlichen Vergrämung – auch durch Metallstacheln auf Fenstersimsen und Netzen – gegenüber den Anfangsjahren deutlich verbessert habe. 75 Prozent der 340 Stellflächen im P4 seien mittlerweile kaum noch betroffen.
Doch wer in der untersten Ebene oder am zur VHS ausgerichteten Schacht parkt, watet nach wie vor oft durch einen Kotteppich. Kein Wunder: Eine Taube verursacht im Jahr etwa zwölf Kilogramm Kot. Auf 2000 Tiere wird die Population in Rosenheim geschätzt.
Eine Hilfe: die Stadtfalken
10000 Euro kostet nach Angaben der Stadt die einmal jährlich durchgeführte Grundreinigung des P4. Glasdach und Dachrinne werden je nach Verschmutzungsgrad extra gesäubert – bisher alle halbe Jahre, künftig vierteljährlich. Hinzu kommen laut Stadtverwaltung tägliche Reinigungen der Treppenauf- und -abgänge, dreimal wöchentliche Grobreinigungen und je nach Bedarf Extraeinsätze.
Noch mehr Taubenhäuser zu bauen, um in die Population einzugreifen, das scheitert jedoch an verfügbaren Dachflächen, bedauert Bugl. Gute Dienste leisten nach seinen Angaben jedoch die Rosenheimer Stadtfalken, die bewusst im Turm der Nikolauskirche angesiedelt wurden. Sie bejagen die Tauben systematisch. Einziger Nachteil: „Leider können diese an sich sehr intelligenten Raubvögel nicht zwischen Stadt- und Brieftauben unterscheiden. Das gibt dann Kollateralschäden“, seufzt Bugl.