Neue Struktur

Soziale Stadt im Wandel

von Redaktion

Über 1000 Projekte, drei neue Bürgerhäuser, Bürgervereine mit eigenen Etats und Freiwilligenagenturen: Die Soziale Stadt Rosenheim ist ein Erfolgsmodell. Doch es gibt immer häufiger Stimmen, welche über eine angeblich fehlende Unterstützung der Stadt klagen – und einen aktuellen Misserfolg: die Schließung des Miniladens.

Rosenheim – 1999 ist die Soziale Stadt Rosenheim ins Leben gerufen worden. Jahrelang war sie auch eng mit einer Person verbunden: Britta Schätzel. Sie koordinierte die Arbeit, stieß Projekte an, stand als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Angegliedert war Schätzel der Rosenheimer Wohnungsbau- und Sanierungsgesellschaft (GRWS). In ihrer Zeit entstanden Bürgerhäuser, Spielplätze, Jugendtreffs, Skateranlagen, Fahrradwerkstätten, der Miniladen, Patenprojekte, Bildungs- und Veranstaltungs- sowie Ferienprogramme für die Stadtquartiere.

Finanziert wurden diese Vorhaben durch Bund-Land-Mittel und Zuschüsse aus Partnerprogrammen. Über zehn Millionen flossen nach Rosenheim. Doch das waren Anschubfinanzierungen. Von Anfang an stand nach Angaben des Pressesprechers der Stadt, Thomas Bugl, fest, dass sich die öffentlichen Zuschussgeber wieder zurückziehen werden. Denn die Soziale Stadt ist dem Subsidiaritätsprinzip verpflichtet. Das heißt: Die öffentliche Hand nimmt sich zurück, wenn die Projekte ins Laufen gekommen und überlässt diese der Eigenverantwortung der Bürger.

So auch in Rosenheim. Die Quartiersmanager, die anfangs die Arbeit koordinierten, haben längst aufgehört. Bürgervereine sowie Freiwilligenagenturen arbeiten jetzt in eigener Regie. Die Stadt beteiligt sich aber immer noch finanziell: Sie stellt weiterhin 25000 Euro je Bürgerfonds zur Verfügung, über den die Mitglieder nach Absprache mit der Stadtteilversammlung frei verfügen können. Der Etat der Freiwilligenagenturen wurde im vergangenen Jahr von 20000 auf 30000 Euro erhöht, berichtet Sozialdezernent Michael Keneder. Insgesamt stehen also 165000 Euro für die Quartiersarbeit zur Verfügung.

Schwerpunkt anfangs beim Städtebau

Organisatorisch hat sich in den vergangenen Jahren ebenfalls viel verändert: Anfangs war die Soziale Stadt in der GRWS integriert, sogar räumlich: Denn das Schätzel-Büro war im GRWS-Verwaltungsgebäude in der Altstadt-Ost untergebracht. Das machte Sinn, denn so konnten Personalkosten gefördert werden, was bei einer Anstellung bei der Stadt nicht möglich gewesen wäre. Außerdem lag der Schwerpunkt auf städtebaulichen Maßnahmen wie der Errichtung von Bürgerhäusern, initiiert und gebaut oft von der GRWS, die Grundstücke oder Räume zur Verfügung stellte.

Später wechselte die Soziale Stadt in das Sozialdezernat – und örtlich in das Sozialrathaus in der Reichenbachstraße. Zurück zur Stadt, hieß die Devise, denn hier im Sozialdezernat war die Idee, sich an dem Städtebauförderprogramm zu beteiligen, geboren worden. Jetzt gibt es erneut ein neues Zuhause: das Sozialamt mit seinem Team unter Verantwortung von Christian Meixner.

Schon beim ersten Wechsel von der GRWS zum Sozialdezernat gab es kontroverse Diskussionen in der Bürgerschaft und im Stadtrat. Die Kritiker sahen die Gefahr, dass die Soziale Stadt mit ihrer Rückführung in die Verwaltung ihre Unabhängigkeit verliert – und mit dem Umzug der Geschäftsstelle von der Burgermühle zur Reichenbachstraße das Quartier Altstadt-Ost eine zentrale Anlaufstelle vor Ort.

Doch Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer versicherte in der entscheidenden Stadtratssitzung, die Arbeit werde weder finanziell noch inhaltlich beschnitten.

Jetzt ist die Diskussion wieder aufgeflammt. Denn mit dem Wechsel ins Sozialamt ging auch eine Prüfung der bereitstehenden finanziellen Mittel und ihrer Zahlungsströme einher. Schließlich bestehen unter dem Dach der Sozialen Stadt drei Bürgerhäuser, gibt es drei Freiwilligenagenturen, welche die Programme koordinieren, und Bürgerfonds mit eigenen Etats sowie zahlreiche Akteure – von der Stadt bis zur GRWS, von Wohlfahrtsverbänden und Trägern der Sozialraumarbeit bis zu staatlichen Zuschussgebern. Angesichts der Notwendigkeit, all diese Töpfe darzustellen, war erneut von einer Bürokratisierung der Sozialen Stadt die Rede. Doch Bugl und Keneder verteidigen die Vorgehensweise: Schließlich handele es sich um öffentliche Steuergelder. „Die Allgemeinheit hat das Recht und einen Anspruch darauf, dass dargelegt wird, wie mit diesen Mitteln umgegangen wird.“

Schwerer Abschied vom Miniladen

Manchmal ist es auch notwendig, sich von einem lieb gewordenen Projekt zu verabschieden, zeigt das Beispiel Miniladen in der Lessingstraße. Wie berichtet, muss er schließen, um die drohende Insolvenz zu vermeiden. Doch die von der GRWS vermieteten Räumlichkeiten bleiben dem Stadtteil als Begegnungsstätte erhalten, teilt Keneder mit. Die Soziale Stadt werde die Bürger anschreiben und erfragen, welche Nutzungswünsche sie hätten. „Es ist ein schwerer Abschied, doch im Miniladen geht es mittlerweile in erster Linie nicht um das Einkaufen, sondern um das zwanglose Treffen. Solche Begegnungsangebote können in den Räumlichkeiten auch auf anderer Basis erhalten bleiben“, ist der Sozialdezernent überzeugt.

Keneder ist der Meinung, dass die Soziale Stadt trotz der zweiten Neustrukturierung „nicht schlechter als früher dastehen wird.“ In der Integration in das Sozialamt sieht er eine neue Chance für die Belebung der Arbeit. Denn im Sozialamt sei auch die Seniorenarbeit angesiedelt. Und diese soll in Zukunft aufgrund der demografischen Entwicklung einen neuen Schwerpunkt der Arbeit in der Sozialen Stadt bilden.

In den vergangenen Jahren war dies die Integration der Flüchtlinge. Dies ist nach wie vor eine große Aufgabe. Doch im Fokus steht nun vor allem die Bildung. Die Programme managt die Bildungskoordinatorin Katharina Zeh. Die von ihr vernetzten Angebote wenden sich an alle Rosenheimer. Zehs Arbeit wird zu 100 Prozent vom Bund gefördert – „vorerst für voraussichtlich weitere zwei Jahre“, so Keneder.

Stadtteil Happing hat Vorbildcharakter

Tatsache ist auch: Die Soziale Stadt wird bleiben, doch die starke Konzentration auf Investitionen und bauliche Maßnahmen in den Quartieren geht zu Ende. Die Städtebauförderung wird sich zurückziehen. Die letzte bauliche Maßnahme stellt nach Angaben von Bugl und Keneder die Sanierung des Bürgerhauses E-Werk dar. Danach wird vor allem inhaltlich gearbeitet – an Programmen für die Bildung beispielsweise oder in den Bürgervereinen.

Dass dies sehr gut funktioniert, beweist das Beispiel Happing: Der Stadtteil lebt und pulsiert – dank eines engagierten und gut organisierten Bürgervereins. Ohne die Soziale Stadt wäre er nicht entstanden.

Artikel 18 von 18