Stadt und Stadtwerke setzen auf neue Klimatisierungskonzepte

Kälte ist die neue Wärme

von Redaktion

Kälte mit Wärme produzieren: Das klingt paradox. Doch es ist technisch möglich – und sogar eine besonders innovative, umweltfreundliche Methode der Klimatisierung. Stadt und Stadtwerke setzen darauf. Heuer wird deshalb das erste Kältenetz in Rosenheim in Betrieb gehen.

Rosenheim – „Spannendes Thema“, findet Stadtwerkechef Dr. Götz Brühl. So etwas kann nur ein Technikfan sagen, werden sich so manche Stadträte gedacht haben bei den Beratungen zur Frage, ob die Kommune einsteigen soll in die neue, hoch komplizierte Technik. Trotzdem teilen die Stadträte die Begeisterung von Brühl. Denn durch den Anschluss mehrerer städtischer Gebäude an die zentrale Kälteversorgung wird die Stadt jährlich 180 Tonnen CO2 einsparen.

Heiß-kalter Einsatz einer Hummel

Im OVB-Gespräch erklären Brühl und Projektleiter Heiko Peckmann das Projekt, bei dem eine Hummel eine entscheidende Rolle spielt. Sie gibt einer neuen Kältemaschine den Namen, entwickelt von den Technischen Universitäten Berlin und Dresden mit Partnern aus der Industrie und Fachverbänden. In der Hummel verdampft ein Kältemittel und entzieht dabei der Umgebung Wärme – ohne Kompressor und mit wenig Strom, dafür mit Fernwärme und einem umweltfreundlichen Kältemittel aus Wasser und dem Salz Lithiumbromid.

Als Erster profitierte das Kultur- und Kongresszentrum (Kuko) von dieser neuen „Kälte aus Wärme“, nun auch der kürzlich eingeweihte Neubau des Landratsamtes. Das Kuko ist sogar Teil des Forschungsprojekts an der TU Berlin, berichtet Brühl.

Dass nicht nur Wärme CO2-arm erzeugt wird, sondern in Zukunft auch Kälte, macht ökologisch und ökonomisch Sinn, ist der Stadtwerkechef überzeugt. „Für uns ist das ein neues, interessantes Geschäftsfeld.“ Denn das Bedürfnis nach neuen Lösungen zur Klimatisierung steige stetig – vor allem in Unternehmen. Sie setzen bei ihren Neubauten auf viel Glas als Symbol für Transparenz und Garant einer Wohlfühlatmosphäre, die deutlich gestört würde, wenn die Mitarbeiter am Arbeitsplatz schwitzen. Diese Gefahr ist in Zeiten des Klimawandels gestiegen.

In Deutschland soll sich nach Angaben der Stadtwerke die zu kühlende Gebäudefläche bis 2020 nahezu verdreifachen. In Rosenheim wird diesem Trend dadurch Rechnung getragen, dass ein eigenes Kältenetz in Betrieb geht. Die Abwärme des Müllheizkraftwerks in der Bayerstraße kühlt via Fernwärme. Ihr 85 Grad heißes Wasser entsteht als Nebenprodukt der Stromerzeugung der Stadtwerke.

Sie haben über die Eid- und Aventinstraße 2017 begonnen, die Kälteleitung in Richtung Bahnhof zu verlegen. Im neuen Parkhaus der Rosenheimer Wohnungsbau- und Sanierungsgesellschaft (GRWS) integrieren die Stadtwerke Rosenheim im Untergeschoss ihre Kältezentrale. Von hier aus wird das heißkalte Netz gesteuert. Es versorgt die angeschlossenen Gebäude (siehe Plan) mit Kühlwasser.

Die Bauarbeiten für die Rohrtrasse und das Maschinengebäude sollen Ende Oktober beginnen.

Das Vorhaben der Stadt Rosenheim zur Kälteversorgung der städtischen Einrichtungen wird von Mitte 2019 bis zum Frühjahr 2020 realisiert, hieß es im Stadtrat. Die Kommune könne nach aktuellem Stand pro Jahr etwa 46000 Euro Betriebskosten gegenüber einer konventionellen Kühlung mit Strom einsparen.

Mit einer Amortisation rechnet die Stadt nach 33 Jahren – bei einer Lebensdauer von 50 Jahren. Die Maßnahme für Lokschuppen, Rathausgebäude Königstraße 15 und 24, Städtische Galerie und Städtisches Archiv wird Investitionen von etwa 3,9 Millionen Euro erfordern, teilte die Verwaltung im Stadtrat mit. Die Kommune erwartet eine Förderung von bis zu 1,7 Millionen Euro.

Dieses Vorhaben muss aufgrund der Zuschüsse isoliert betrachtet werden, hieß es im Stadtrat.

An das Kältenetz der Stadtwerke können sich dagegen auch private Interessenten, Behörden oder Unternehmen anhängen. Das macht vor allem rund um das Bahnhofsareal Sinn.

„Das Bedürfnis nach Kälte wird weiter steigen“, ist der Stadtwerkechef Dr. Götz Brühl überzeugt. Das erfordert auch ein neues Bauen: mit großen Übertragungsflächen. „Wir müssen reden“, bringt er den Kommunikationsbedarf in Richtung potenzieller Kühlkunden auf den Punkt.

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