Rosenheim – Wann ist ein landwirtschaftliches Bauvorhaben im Außenbereich privilegiert? Darüber wird in Rosenheim seit Monaten heftig debattiert und gestritten. Es gibt Beispiele, wo sich gezeigt haben soll, dass Neubauten auf Dauer nicht landwirtschaftlich genutzt, sondern in Wohnungen für Feriengäste oder Dauermieter umgewandelt wurden – mit allen bekannten Problemen. Das fördert die Zersiedelung der Landschaft, Missgunst und Neid. Viele reagieren verärgert – vor allem aufgrund der Tatsache, dass sich junge Familien aus der Mittelschicht in Rosenheim kaum Wohneigentum leisten können, Neubauten auf Grundstücken im Außenbereich rechtlich nicht möglich sind, wenn sie nicht landwirtschaftlich begründet sind.
Bei jedem neuen Antrag eines Bauern, der für seinen Betrieb bauen möchte, schaut der Stadtrat deshalb ganz genau hin. Basis für eine Beurteilung des Vorhabens ist die Stellungnahme des Landwirtschaftsamtes. Es prüft, ob eine Privilegierung vorliegt, das heißt, ob der Landwirt den Neubau für den Betrieb seines Hofes benötigt.
Geplant: Vom Neben- zum Vollerwerb
Im aktuellen Fall sind sich die Mitglieder des Baugenehmigungsausschusses sicher, dass es sich wirklich um ein landwirtschaftliches Bauvorhaben handelt – ohne Hintergedanken. Antragsteller ist ein studierter Landwirt, der den Hof von seinem Vater übernommen hat. Er wohnt mit seiner Familie in Pang. Die Dorfstelle liegt jedoch in Aising. Die Viehhaltung befindet sich in einem Stall an der Innfeldstraße. Drei Betriebsstätten also, die bis zu zwei Kilometer voneinander entfernt liegen und auf Dauer im Außenbereich an der Innfeldstraße zusammengeführt werden sollen. Zukunftsplan des Landwirts: ein Ausbau des Betriebs vom Neben- zum Vollerwerb mit Direktvermarktung von Rindfleisch. Das ist eine Entwicklung, die es kaum noch gibt in Zeiten des Höfesterbens.
Zuerst ist nach Angaben von Michael Kettenstock, Leiter des Bauordnungsamtes, geplant, den an der Innfeldstraße bereits bestehenden Mutterkuh- zum Bullenstall umzubauen. Außerdem soll auf dem Grundstück eine neue Berge- und Lagerhalle mit Werkstatt errichtet werden. Die Bauanträge fanden die Zustimmung.
Warnung vor der Zersiedelung
Dies galt auch für einen Vorbescheid, mit dem der Antragsteller abklären wollte, ob es auch möglich ist, das Betriebsleiterhaus an die Innfeldstraße auszusiedeln. Denn die Direktvermarktung im Hofladen erfordert die ständige Anwesenheit der Familie am Hof, die betrieblichen Abläufe die Konzentration an einem Standort.
Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sieht bei allen Vorhaben die Zweckmäßigkeit und Privilegierung gegeben. Trotzdem war im Ausschuss deutlich zu spüren, dass das Thema Bauen im Außenbereich mit großer Skepsis betrachtet wird. CSU-Stadtrat Josef Gasteiger zeigte deutlich, dass er auf die Stellungnahmen des Landwirtschaftsamtes nicht viel hält – „nach der Gaudi in Happing“, deutete er an, dass hier bei einem Bauvorhaben Landwirtschaft versprochen wurde, es jedoch ganz anders kam. Gasteiger macht sich jetzt grundsätzlich selbst ein Bild vom Antrag und der Örtlichkeit und kam deshalb im Fall Innfeldstraße zum Ergebnis: „Ich glaube ihm.“
Das tat auch der übrige Ausschuss. Viele Mitglieder hatten sich vor Ort überzeugt und das Gespräch mit dem Antragsteller gesucht. Andreas Lakowski (SPD) sprach außerdem von einem sinnvollen Betriebskonzept, das den Anträgen beiliege. Das sah auch die Oberbürgermeisterin so – „obwohl ich dazu nichts mehr sagen kann, seitdem ich vegan lebe“, ergänzte Gabriele Bauer schmunzelnd angesichts des Hofladens, der sich der Fleischdirektvermarktung widmet. Margarete Fischbacher (CSU) forderte außerdem, den Bau des Betriebsleiterhauses erst dann zu erlauben, wenn die landwirtschaftlichen Nutzungen ganz an der Innfeldstraße gebündelt worden sind. Vorher mache dies auch keinen Sinn, bestätigte Kettenstock.
Auch die Grünen stimmten dem Vorhaben in Aising zu. Anna Rutz wies jedoch mit Nachdruck darauf hin, dass grundsätzlich das Bauen im Außenbereich kritisch zu bewerten sei. Auf Luftbildern von Rosenheim sei die Zersiedelung der Landschaft immer deutlicher zu sehen. Dem Flächenverbrauch müsse dringend Einhalt geboten werden. Der Grüngürtel der Stadt werde mehr und mehr zerstört, warnte Rutz.