Rosenheim – Eigentlich war es eine klare Sache: Der Eigentümer einer Doppelhaushälfte in der Johann-Sebastian-Bach-Straße wollte sein Dach ausbauen, um dort eine neue Wohnung zu schaffen. Doch statt der klassischen Lösung mit einer Gaube, die hier genehmigungsfähig gewesen wäre, wollte er das Satteldach wegreißen und durch einen kastenförmigen Aufbau mit Flachdach ersetzen, rund 40 Zentimeter höher als der First des Satteldaches.
Dieses Ansinnen konnte die Stadt als Genehmigungsbehörde nur ablehnen. Das fragliche Gebiet liegt baurechtlich gesehen in einem „unbeplanten“ Innenbereich, für den es keinen Bebauungsplan gibt. Das heißt: Die Zulässigkeit eines Bauvorhabens richtet sich nach der Umgebungsbebauung. Da in der Nachbarschaft aber nur zwei Geschosse plus Dachgeschosse mit Satteldächern vorhanden sind, wäre ein drittes Vollgeschoss nicht zulässig.
Genehmigen könnte die Stadt ein solches Bauvorhaben nur, wenn keine „städtebaulichen Spannungen“ auftreten würden. Doch das ist hier der Fall: Eine Genehmigung würde bei anderen Eigentümern wohl Begehrlichkeiten wecken. Und da am Rande des Gebietes auch Gebäude mit drei Vollgeschossen samt Dachausbau stehen, wäre die Gefahr vorhanden, dass solche „Drei-Plus-Lösungen“ nach und nach in das Gebiet eindringen würden und sich ein städtebaulich nicht gewünschter Wildwuchs entwickelt. Aus Sicht der Verwaltung war der Bauantrag deshalb zwangsläufig abzulehnen.
Lösung für „unbeplante“ Stadtbereiche
Allerdings nahm das städtische Bauamt dies zum Anlass, dem Ausschuss eine grundlegende Neuausrichtung für solche „unbeplanten“ Bereiche vorzuschlagen, von denen es im Stadtgebiet einige gibt.
Die Idee der Baubehörde: Für das noch „unbeplante“ Gebiet soll ein einfacher Bebauungsplan aufgestellt werden, der statt zwei Geschossen plus Dachgeschoss drei Vollgeschosse mit einer noch festzulegenden maximalen Wandhöhe zulässt.
Das Bauamt sieht mit einer solchen Lösung gleich mehrere Vorteile verbunden: Man könnte kostengünstig neuen Wohnraum schaffen, ohne weitere Flächen zu versiegeln. Auch die notwendige Infrastruktur wäre schon vorhanden. Und Auswüchse, dass von den Rändern des Gebiets her Lösungen eindringen, die über die drei Vollgeschosse hinausgehen, wäre durch die Vorgabe einer maximalen Wandhöhe ein wirksamer Riegel vorgelegt. Auch die Form der Dachausbauten könnte so geregelt werden.
Der Vorschlag der Verwaltung geht aber noch weiter: Man will eine solche Vorgehensweise auch für andere Stadtquartiere ohne Bebauungsplan prüfen. Damit hätten etliche Rosenheimer Hausbesitzer die Möglichkeit, auf ihre zwei Stockwerke ein Vollgeschoss draufzupacken.
Rätin sieht „gedanklichen Befreiungsschlag“
Bei den Fraktionen stieß der Vorschlag auf einhellige Zustimmung. „Gerade für Familien wäre das eine gute Lösung, um neuen Wohnraum zu schaffen“, meinte Gabriele Leicht (SPD). Aufstocken ist in ihren Augen die bessere Alternative, als weitere Flächen zu versiegeln. Allerdings müsse die Entwicklung geordnet und einheitlich ablaufen. Wie Michael Kettenstock, Leiter des Bauordnungsamtes, versicherte, müssten Abstandsfläche und Stellplatzbedarf nach wie vor nachgewiesen werden.
„Das ist die einzige Möglichkeit für die Stadt, sich weiterzuentwickeln, ohne noch mehr Fläche zu versiegeln“, meinte auch Herbert Borrmann, Fraktionsvorsitzender der CSU. Christine Degenhart (Freie Wähler/ UP) sprach gar von einem „gedanklichen Befreiungsschlag“ für die Rosenheimer Wohnbaupolitik.
Andreas Lakowski (SPD) mahnte allerdings an, das große Ganze im Blick zu behalten. „Welche Wohnbaupolitik wollen wir? Welchen Weg wollen wir gehen? Welche Wohnungen brauchen wir? Wie groß soll Rosenheim werden?“, fragte er stellvertretend. Wie Stadtplaner Robin Nolasco erklärte, erarbeitet das Rathaus gerade eine Wohnbauanalyse, die noch im Sommer dem Stadtrat vorgelegt werden soll.
Der Ausschuss stimmte dem Vorschlag einstimmig zu. Die Baubehörde versprach eine schnellstmögliche Umsetzung, damit der Bauwerber in der Johann-Sebastian-Bach-Straße rasch loslegen kann.