Traunstein/Siegsdorf/Rosenheim – Ein 27-jähriger staatenloser Palästinenser lag im Streit mit seiner geschiedenen „Ehefrau“, mit der er nach deutschem Recht gar nicht verheiratet war, und deren Familie. Wegen zweier bedrohlicher Szenen musste sich das Amtsgericht Traunstein mit Richter Thilo Schmidt mit dem Familienzoff befassen. Letztlich stellte das Gericht das Verfahren wegen Bedrohung und versuchter Nötigung gegen Zahlung einer Geldauflage von 600 Euro an die Björn-Schulz-Stiftung in Gstadt vorläufig ein.
Der Angeklagte hatte seine Frau im August 2017 in einer religiösen Zeremonie vor einem Iman geheiratet. Das Paar wohnte in Siegsdorf. Nach Beziehungsproblemen mit längerem Hin und Her erklärte der 27-Jährige der Frau im Dezember 2018 die Scheidung. Auf Frage des Richters erläuterte er, ein Mann könne nach islamischem Recht mündlich die Scheidung aussprechen – die dann sofort gültig sei. Eine Frau habe kein entsprechendes Recht. Gemäß Urteilen des Bundesgerichtshofs seien weder die Ehe noch die Scheidung rechtskräftig, betonte Richter Thilo Schmidt.
Der erste Vorwurf sollte sich laut Anklage von Staatsanwalt Gerhard Seehars am 18. Oktober 2018 in Siegsdorf ereignet haben. Der 27-Jährige sollte seine Ex-Frau, deren zwei Schwestern und seine Ex-Schwiegermutter bedroht haben. Dabei soll er einen Schuss aus einer schwarzen Pistole abgegeben haben. Schauplatz des zweiten Vorfalls war am 29. Januar 2019 der Bahnhof Traunstein. Als der 27-Jährige auf seine geschiedene Frau zuging, forderte eine seiner Schwägerinnen, diese in Ruhe zu lassen. Seine Frau wolle nicht mit ihm reden.
Der Angeklagte sollte auf eine entsprechende Geste der Schwägerin hin gedroht haben, ihr die Hand zu brechen. Als andere Leute auf die Szene mit lautstarker Debatte in arabischer wie deutscher Sprache aufmerksam wurden, entfernte sich der 27-Jährige.
Gestern wies der Mann alle Anschuldigungen zurück. Unter anderem begründete er, im Oktober 2018 habe seine Frau nicht mehr bei ihm in Siegsdorf gewohnt. Die 21-Jährige, die inzwischen in Rosenheim lebt, bestätigte den Sachverhalt der Anklage zum Teil.
Die Pistole habe der 27-Jährige in Siegsdorf zweimal dabei gehabt. Einmal sei sie allein gewesen. Er sei nach der Arbeit heimgekommen und habe gesagt, er habe die Waffe gefunden. Ihre Familie sei beim zweiten Mal dabei gewesen. Bei dieser Gelegenheit sei der Schuss gefallen. Die Zeugin meinte, er habe mit der Pistole „angeben“ wollen. Bedroht gefühlt habe sie sich nicht. Danach sei sie aus der Wohnung ausgezogen.
Der frühere „Schwiegervater“ hörte erst später von dem Schuss in Siegsdorf. Eine der Schwestern der 21-Jährigen erinnerte sich an eine „kleine Pistole“, die Drohung „Ich werde euch erschießen“ und an einen Schuss des Angeklagten in der Küche. Das Geschehen am Bahnhof Traunstein mit dem „Handbrechen“ hatte die Zeugin ebenfalls im Gedächtnis.
Die Ex-Schwiegermutter (41) des Angeklagten schilderte, der 27-Jährige habe in der Küche eine Pistole rausgeholt. Sie habe nicht gewusst, ob es eine echte Waffe oder ein Spielzeug war, ob er gescherzt oder es ernst gemeint habe. Als sie sich umgedreht habe, habe sie einen Schuss gehört. Auch die letzte der drei Töchter sprach von einer Pistole. Nach dem Schuss habe es in der Küche „wie Schwefel gerochen“: „Wir haben die Balkontür aufgemacht.“
Unklare
Beweislage
Staatsanwalt Gerhard Seehars regte angesichts der unklaren Beweislage an, das Verfahren gegen eine Geldauflage vorläufig einzustellen. Das Gericht schlug eine Zahlung von 600 Euro vor. Verteidiger Michael Vogel aus Traunstein und sein Mandant waren einverstanden. Wenn der 27-Jährige den Betrag fristgerecht überweist, gilt er weiterhin als nicht vorbestraft.