Stich in den Hals

von Redaktion

22-Jähriger muss nach Attacke auf Mutter in Psychiatrie

Traunstein/Siegsdorf – „Ich wollte die Mutter nicht umbringen. Ich war es nicht. Es war das Hörndlviech.“ Das erklärte ein psychisch kranker 22-Jähriger einem Polizisten, nachdem er seine 55-jährige Mutter mit einem Küchenmesser in der gemeinsamen Wohnung in Siegsdorf schwer am Hals verletzt hatte. Das Schwurgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Erich Fuchs ordnete gestern die Unterbringung des jungen Mannes in einer psychiatrischen Einrichtung an.

Zur Tatzeit am 26. Mai litt der 22-Jährige an einem akuten Krankheitsschub mit Wahnvorstellungen. Er fühlte während des Fernsehens auf einmal Kälte im Raum auf sich zukommen und glaubte, der „Teufel“ sei im Raum beziehungsweise, die Mutter sei der Teufel.

Gemäß Antragsschrift holte er ein Küchenmesser und ging auf die Mutter zu. Sie dachte, er wolle sie umarmen. Als sie das Messer in der Hand des Sohns sah, flüchtete die 55-Jährige auf die Terrasse. Er holte sie ein und stach zu.

Die Mutter schilderte vor Gericht: „Es war ein ganz normaler Tag.“ Am übernächsten Tag habe sie mit ihrem Sohn wegen dessen ständiger Kopfschmerzen zu einem Neurologen fahren wollen. Plötzlich habe er das Messer in der Hand gehalten und sie „komisch angeschaut“. Das habe ihr Angst gemacht. Auf der Terrasse sei sie auf den Rücken gefallen. Die Mutter weiter: „Ich weiß bis heute nicht, ob er mich halten wollte. Er hat mich am Hals getroffen. Ich bin sicher, er wollte mich nicht treffen.“

Die Mutter berichtete von wenigen früheren Vorfällen, bei denen ihr Sohn aggressiv geworden sei. Die Zeugin führte sie zurück auf die anhaltenden Kopfschmerzen. Viele Ärzte hätten sie deshalb schon vergeblich aufgesucht.

„Wie geht es weiter?“ wollte der Vorsitzende Richter wissen. Die 55-Jährige bat, den 22-Jährigen wieder nach Hause zu lassen: „Er leidet unter unwahrscheinlichem Heimweh. Von mir aus soll er heim.“ Bis 2018 sei überhaupt nichts vorgefallen, argumentierte die Mutter, die nach dem Stich fünf Tage im Krankenhaus Traunstein bleiben musste.

Medikamente nicht mehr genommen

Der psychiatrische Sachverständige, Dr. Josef Eberl vom Bezirksklinikum in Gabersee, berichtete von anhaltenden Wahnvorstellungen und bedingter Krankheitseinsicht. Die schwere psychische Krankheit des 22-Jährigen sei seit etwa einem Jahr bekannt. Nach einem stationären Aufenthalt habe der Beschuldigte seine Medikamente nicht mehr eingenommen. Eine stationäre Behandlung nach der Tat habe kaum Erfolg gezeigt. Der Gutachter betonte: „Bisher konnte keine ausreichende Besserung erzielt werden.“ Die Wiederholungsgefahr für ähnliche Taten sei noch hoch.

Im Plädoyer verneinte der Staatsanwalt gestern entgegen seiner Antragsschrift, die auch versuchten Mord umfasst hatte, ein Tötungsdelikt. Verwirklicht sei eine gefährliche Körperverletzung – mit einem gefährlichen Werkzeug. Markus Andrä beantragte die Unterbringung des 22-Jährigen in der Psychiatrie. Der Verteidiger, Harald Baumgärtl aus Rosenheim, schloss sich beim Sachverhalt, bei der rechtlichen Wertung wie auch der Notwendigkeit der Unterbringung dem Staatsanwalt an.

Das Urteil deckte sich mit den Schlussanträgen. Vorsitzender Richter Erich Fuchs begründete, der Beschuldigte habe sich „gegen den Teufel wehren wollen“ und deshalb den Stich gegen die Mutter geführt. Diese habe Glück gehabt: „Einen Zentimeter weiter und die Halsschlagader wäre durchtrennt worden.“

Übrig bleibe eine gefährliche Körperverletzung. Der Sohn könne dafür nicht bestraft werden, sei er doch schuldunfähig gewesen. In der Gesamtwürdigung seien mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnliche Taten zu erwarten. Mildere Maßnahmen wie eine Bewährung seien noch nicht möglich, betonte Fuchs abschließend.

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