Rosenheim – 50 Jahre ist es her, dass an der Hochschule in Rosenheim der damals neue Studiengang Kunststofftechnik startete. Dieses Jubiläum wurde mit einem Festabend an der TH gefeiert, bei dem auch ein Großteil der rund 30 Studierenden anwesend war, die im Oktober 1969 ihr Studium aufgenommen hatten.
Einer von ihnen ist Bernd Wensauer (im Bild oben ganz rechts in der untersten Reihe), der in einer kurzweiligen Rede auf die Studienzeit zurückblickte. „Wir waren mit Sicherheit fachlich nicht so sattelfest wie unsere Nachfolger und wir hatten bei Weitem nicht die Möglichkeiten in den Praktika, wie sie heute angeboten werden. Aber: Wir wussten uns zu helfen und konnten improvisieren“, so Wensauer vor rund 270 Gästen.
Erster Lehrplan in
Teamwork erstellt
Der „lebenslängliche Semestersprecher des ersten Jahrgangs der Kunststofftechnik-Studenten“, wie sich Wensauer vorstellte, erinnerte an den einstigen Pioniergeist: „Gemeinsam mit den Dozenten haben wir die Schwerpunkte des Lehrplans ausgewählt. Unsere Mitarbeit wurde stets dankbar angenommen und unsere Skripten wurden von den Dozenten gerne für die Vorlesungen der kommenden Jahre verwendet.“
In den vergangenen fünf Jahrzehnten hat sich beim Thema Kunststoff viel getan, erklärte Prof. Peter Karlinger, der Studiendekan des Studiengangs Kunststofftechnik. „Es gibt einige neue Arten und neue Verfahren im Vergleich zu früher.“ Gleich geblieben seien die Grundlagen, die in den ersten Semestern vermittelt werden: Mathematik, Physik, Mechanik und Polymerchemie.
Hinzu kommt laut Karlinger, dass heute Kenntnisse im Prozessmanagement große Bedeutung haben. „Es ist alles miteinander vernetzt, Prozesse bestimmen die Arbeitsabläufe“, erläuterte er. Abseits der Theorie sei wichtig, dass die Studierenden mit den verschiedenen Maschinen und Werkstoffen an der Hochschule arbeiten und Praktika bei Unternehmen absolvieren. „Praxisnähe ist bei einem Studium an einer Fachhochschule immer ein wesentliches Merkmal“, sagte Karlinger.
Seinen Angaben nach hat sich die Zusammensetzung der Studentenschaft über die Jahre deutlich verändert. „Ein Großteil der Studierenden kommt aus der Region, das war früher anders.“ Das bestätigte auch Wensauer in seiner Rede: „Man hörte Dialekte der Hamburger, Ostfriesen und Westfalen bis hin zu völlig unverständlichem Oberpfälzer Kauderwelsch“, erinnerte er sich. Die Einheimischen seien den kulturellen Besonderheiten gegenüber aber „sehr aufgeschlossen“ gewesen.
Seit dem Start des Studiengangs hat die TH Rosenheim etwa 2000 Nachwuchskräfte für die Bereiche Produktentwicklung, Kunststoffverarbeitung und Materialentwicklung hervorgebracht. „Rosenheim ist zu einem Mekka der Kunststofftechnik geworden“, sagte Hochschulpräsident Prof. Heinrich Köster.
Diese Sichtweise bestätigte beim Festabend Prof. Dr. Rudolf Stauber, Geschäftsführer der Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie in Alzenau: „Die Rosenheimer Kunststofftechnik ist heute regional wie international ein ingenieurtechnisches Juwel.“ Die Gründungsväter des Studiengangs hätten vor 50 Jahren mit Weitblick gehandelt, so Stauber.
„Plastik gilt
gemeinhin als böse“
Allerdings ist die Sichtweise auf das Thema Kunststoff heute eine ganz andere als früher. „Plastik gilt gemeinhin als böse. Diese Sichtweise auf den Werkstoff tut uns schon weh“, sagte Karlinger im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen. Er sei absolut dafür, überflüssige Verpackung zu vermeiden. „Man muss aber auch sehen, welche Rolle Kunststoff zum Beispiel bei Lebensmitteln spielt“, so der Studiendekan. Eine lange Haltbarkeit sei am besten mit Verpackungen aus Kunststoff zu gewährleisten.
Zudem sei es nicht so, dass Kunststoff immer eine schlechtere Umweltbilanz habe als andere Materialien. „Eine Einkaufstasche aus Baumwolle muss man rund 130-mal benutzen, damit der CO2-Fußabdruck bei der Herstellung besser wird als der einer Plastiktüte“, bezog sich Karlinger auf einen Vortrag vom Festabend.
Mit Blick auf die Wiederverwertbarkeit von Kunststoffen müssten allerdings die Ströme im Recycling-System verbessert werden. „Wir müssen dafür sorgen, dass Plastikmüll nicht in der Natur landet, sondern so weit wie möglich, am besten vollständig, zurück in den Kreislauf gelangt“, so Karlinger. Diesbezüglich gebe es auch noch viel Potenzial für die Forschung und Lehre an den Hochschulen.
Klar sei in jedem Fall: „Ein modernes Leben ist ohne Kunststoff nicht denkbar. Das beginnt bei unserer Kleidung, geht über Baumaterialien und Fahrzeugkomponenten bis hin zum gesamten Bereich der Kommunikations- und Unterhaltungstechnik“, sagte der Studiendekan. In diesem Sinn kann man das Motto des Studiengangs als Verweis auf die nächsten 50 Jahre verstehen: „Mit Kunststoffen der Welt von morgen Gestalt geben.“