Zeit haben

von Redaktion

Nach dem Geheimnis seines Erfolgs gefragt, meinte kürzlich ein Manager im Interview: „Ich nehme mir jeden Tag eine halbe Stunde Zeit zum Nachdenken!“ Der überraschte Journalist hatte jede andere Antwort erwartet, aber nicht das. Dabei gibt der Mystiker Franz von Sales für unser Leben einen ganz ähnlichen Rat: „Nimm dir jeden Tag eine halbe Stunde Zeit für das Gebet. Außer du hast sehr viel zu tun. Dann nimm dir dafür eine ganze Stunde!“

Da regt sich zunächst Widerspruch. Zeit ist nämlich genau das, was wir moderne Menschen alle miteinander nicht haben! Allerdings habe ich schon solche Tage erlebt, an denen mir die Wahrheit dieses Rats aufgegangen ist. Wenn ich vor lauter Betriebsamkeit meine innere Mitte verliere, kommt trotz Anstrengung letztlich unter dem Strich nichts heraus. Zeit für das Gebet haben meint aber mehr, als Worte aufzusagen. Teresa von Avila spricht sogar vom „Gott loben zwischen den Kochtöpfen“. Zudem bin ich der festen Überzeugung, dass mancher Krankenbesuch oder Zeit für einen pflegebedürftigen Angehörigen eine sehr tiefe Form von Gebet sein kann. Gebet ist auf alle Fälle mehr, als nur das halbstündige Nachdenken des erfolgreichen Managers. Gebet hat zuallererst etwas mit Beziehung zu tun. Es ist ein sich versetzen in die Gegenwart Gottes und damit das Verweilen bei einem Freund, der uns näher ist, als wir uns selbst. Wenn ich mir dafür Zeit nehme, werden Kräfte frei, wo meine eigene Energie bereits erschöpft ist. Dann kann unter einem noch so angefüllten Tag am Ende doch ein Pluszeichen stehen.

Artikel 11 von 18