Kolbermoor – Der Albtraum aller Eltern: Sie geben ihr Kind in den Kindergarten oder die Krippe – wo es alles andere als optimal betreut wird. Immer wieder kommen Fälle von Vernachlässigung oder grober Behandlung ans Licht. Zuletzt in Neumarkt-St. Veit. Jahre zuvor hatte eine Kita in Kolbermoor für Schlagzeilen gesorgt – und bundesweit Aufsehen erregt. Dort scheint inzwischen die Wende gelungen. Die Wogen haben sich geglättet.
Blick zurück: Kinder waren hart angepackt, vernachlässigt worden. Zum Essen gezwungen, in den Schlafraum gesperrt worden. Diese und weitere Vorfälle in der Kolbermoorer Kinderkrippe „Barbara Strell“ hatten im Sommer 2014 für einen Aufschrei gesorgt. Das Kreisjugendamt entzog der Einrichtung in der Folge die Betriebserlaubnis – die Krippe wurde geschlossen.
Aktueller Fall in
Neumarkt-St. Veit
Sommer 2019: Isolation, Fixierung, Diffamierung – diese und weitere Vorwürfe wurden kürzlich gegen eine Mitarbeiterin einer Kinderkrippe in Neumarkt-St. Veit/Landkreis Mühldorf („St. Vitus“) erhoben – und erhitzen dort die Gemüter.
Und die Parallelen zu Kolbermoor 2014 hören bei den Vorwürfen nicht auf: Auch im Fall Neumarkt-St.Veit spaltet sich die „Kita-Gemeinde“ in zwei Lager: die einen, die die Vorwürfe stützen und kritisieren; die anderen, die sich mit der Einrichtung solidarisieren, hinter ihr stehen.
Weitere Parallele: Träger damals wie heute war und ist die katholische Kirche. Das Erzbistum München-Freising hat im Fall Neumarkt-St. Veit Aufklärung zugesichert, ist den Beschwerden auf den Grund gegangen. Ein klärendes Elterngespräch ist erfolgt. Ergebnis des Erzbischöflichen Ordinariats: keine Gefährdung des Kindswohls. Die betroffenen Eltern wollen dennoch einen Anwalt einschalten.
In Kolbermoor waren damals die Bemühungen des Erzbischöflichen Ordinariats gescheitert – letztendlich bewirkte erst das harte und konsequente Eingreifen des Kreisjugendamtes Rosenheim eine Wende. Das Fass zum Überlaufen brachte damals: Erzieherinnen hatten ein Krippenkind auf dem Rückweg vom Garten vergessen – es wurde mutterseelenallein im Pfarrhof, wenige Meter entfernt von einer Straße, aufgefunden. Für die Behörde war unumstritten: Verletzung der Aufsichtspflicht, ein klarer Fall von „Kindswohlgefährdung“. Noch am selben Tag wurde die Kinderkrippe geschlossen.
Die Schließung und die damit verbundenen Vorwürfe hatten auch bundesweit für Aufsehen gesorgt. Der Kölner Kinderschutzverein „Zartbitter“ um Ursula Enders, die auch in der Gesetzgebung beratend tätig ist, kritisierte damals: Das Jugendamt hätte schon viel früher und konsequenter den ersten Hinweisen nachgehen sollen. „Fachlichkeit lässt sich nicht an gereinigten Fenstern und aufgeräumten Räumen messen“, unterstrich Enders damals.
Die Konsequenz im Fall Kolbermoor: mehrmaliger Wechsel der Träger – und eine langsame, mitunter auch holprige Konsolidierung. Denn keine drei Jahre später der nächste Rückschlag: Die Einrichtung musste eine Kindergartengruppe schließen – wegen Personalmangels. Von heute auf morgen saßen die Kinder wieder auf der Straße. Dieses Mal hatte die Kita selbst die Reißleine gezogen. Die Kinder wurden, so weit möglich, auf umliegende Einrichtungen verteilt.
Der nächste Träger sollte es nun richten: Die Stadtkirche Kolbermoor und mit ihr das Erzbischöfliche Ordinariat beauftragten die Caritas Rosenheim mit der Trägerschaft der Kindertageseinrichtung – und gut fünf Jahre nach dem großen Aufschrei scheint die Wende geschafft. Die Anmeldezahlen für die Kita steigen wieder. Zum September soll die Kinderkrippe, allerdings unter inzwischen neuem Namen („Wiederkunft Christi“), wieder in „Volllast“, also mit zwei verfügbaren Gruppen (24 Kinder), gehen.
Ist das Vertrauen zurück? Für die Stadt Kolbermoor ist klar: ja. Im Rathaus gingen keinerlei Beschwerden mehr ein – ganz im Gegenteil: Die Einrichtung ist in Elternkreisen wieder gefragt, die Zufriedenheit kehrt zurück. Das betont Elisabeth Kalenberg, Geschäftsleiterin im Rathaus und mit dem Thema Kindertagesstätten befasst. „Das Problem ist aufgearbeitet“, unterstreicht sie. Als wichtigen Schritt beurteilt sie den Wechsel zu einem größeren Träger. „Die Caritas mit ihrer Fachberatung ist viel breiter und auch professioneller aufgestellt“, spricht Kalenberg aus Erfahrung. „Wir befinden uns hier auf einer guten Schiene“, ist sie zufrieden. Und der größte Vertrauensbeweis für sie: Eltern würden sich inzwischen wieder bewusst für diese Einrichtung entscheiden und sie auf ihrer Wunschliste ganz oben angeben. „Das ist für uns ein sicheres Zeichen, dass die Wende geschafft ist.“
Kreisjugendamt
gibt Entwarnung
Auch von Seiten des Kreisjugendamtes gibt es keinerlei Beanstandungen mehr im Fall Kolbermoor – ganz im Gegenteil: Normalität ist eingekehrt. „Mit der Einrichtung wird so zusammengearbeitet wie mit allen anderen auch“, bestätigte dazu Michael Fischer, Sprecher des Landratsamtes Rosenheim, auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen.
Gute Nachrichten beim Thema Kolbermoor – doch wie sollen Eltern vorgehen, wenn sie in Bezug auf „ihre“ Kita ein ungutes Gefühl haben? Wir haben dazu beim Kreisjugendamt Rosenheim nachgefragt. „Erster Ansprechpartner ist in diesen Fällen immer der Träger“, erklärt Behördensprecher Fischer das gängige Procedere. Sind diese Gespräche vor Ort nicht von Erfolg gekrönt, können sich die Eltern an die Aufsichtsbehörde wenden: Dann steht das Jugendamt mit Rat und Tat zur Seite – und kann sich des Problems annehmen.