Das Programm

Baukultur: Grünes Licht für Modellprojekt

von Redaktion

Der Landkreis Rosenheim beteiligt sich am Pilotprojekt „Baukultur im Voralpenland“, das mit EU-Mitteln aus dem Leader-Programm gefördert wird. Das Projekt erstreckt sich über drei Jahre und soll Ende 2019 starten.

Rosenheim – Gwendolin Dettweiler, Geschäftsführerin der Leader-Arbeitsgemeinschaft Mangfalltal-Inntal, formulierte die Zielvorstellung in den jüngsten Sitzungen von Kreisausschuss und Kreistag unmissverständlich. „Wir wollen zur Baukultur-Vorzeigeregion werden.“ Nach einer längeren Debatte in beiden Gremien stellte sich eine deutliche Mehrheit der Kreisräte hinter das Vorhaben. Fünf Gegenstimmen gab es im Kreisausschuss, auch im Kreistag beschränkte sich das ablehnende Votum auf eine Handvoll Skeptiker.

14 Kommunen

sind mit dabei

Insgesamt 14 Kommunen aus vier Landkreisen – neben dem Landkreis Rosenheim sind noch die Kreise Miesbach, Bad Tölz-Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen mit im Boot – beteiligen sich an dem Pilotprojekt. Im Landkreis Rosenheim sind die Stadt Bad Aibling sowie die Gemeinden Bad Feilnbach, Kiefersfelden, Neubeuern und Samerberg dabei. Sie hoffen, bei Fragen zur künftigen Ortsgestaltung zu profitieren.

Dass dies so sein wird, daran ließ der ehemalige Weyarner Bürgermeister Michael Pelzer (Freie Wähler) keinen Zweifel. Er warb in beiden Sitzungen als Koordinator des Projekts um Zustimmung. Sein Credo: „Baukultur kann man nicht an ein Konsortium von Architekten und Städteplanern übertragen.“ Ziel sei nicht, neue Gestaltungssatzungen zu entwickeln, sondern sich grundsätzlich beispielsweise mit der richtigen Siedlungsentwicklung in den Orten, der Leerstandsbekämpfung, der Nachverdichtung, der Umwandlung von Industrieflächen in Wohngebiete, der Umnutzung aufgegebener Bauernhöfe und mit integrierten Verkehrskonzepten zu beschäftigen und Lösungen zu finden. Für jede beteiligte Kommune werde eine intensive sechsmonatige Betreuung angeboten.

In dieser Zeit werden laut Kreisbaumeister Thomas Spindler zusammen mit externen Experten für sie individuelle Kriterien herausgearbeitet, um diese Ziele zu erreichen. Pelzer verwies vor allem darauf, dass in die Entscheidungsfindung möglichst viele Beteiligte und Betroffene eingebunden werden: Bürger, Architekten, Bauherren und die zuständigen Ämter und Gremien. Die Initiatoren des Projektes können auch auf die Hilfe prominenter Unterstützer bauen – beispielsweise die Bundesstiftung Baukultur oder Landtagspräsidentin Ilse Aigner, die die Schirmherrschaft übernimmt. Ergebnisse könnten zu einem späteren Zeitpunkt auch auf andere Gemeinden im Landkreis übertragen werden.

Kreisbaumeister Thomas Spindler geht davon aus, dass die Gesamtkosten für das Projekt im Landkreis bei etwa 465000 Euro liegen, Bis zu 200000 Euro Förderung aus EU-Mitteln sei realistisch. Die verbleibenden 265000 Euro müssten sich der Landkreis und die teilnehmenden Gemeinden je zur Hälfte teilen, sodass dem Kreis Kosten in Höhe von rund 132500 Euro entstehen. „Ich glaube, das kann noch etwas günstiger werden, weil wir derzeit prüfen, ob es noch weitere Fördermöglichkeiten gibt“, sagte der Kreisbaumeister.

Landkreis treffen

rund 132000 Euro

„Wir werden etwas Gutes daraus machen und kein Schubladenprojekt“, versprach stellvertretender Landrat Josef Huber (CSU) in der Debatte. CSU-Fraktionssprecher Felix Schwaller, zugleich Bürgermeister von Bad Aibling, erhofft sich wichtige Impulse zur Lösung von Problemen, mit denen viele Kommunen derzeit zur kämpfen haben. „Riesendruck auf dem Wohnungsmarkt, hohe Grundstückspreise und die effiziente Nutzung vorhandener Flächen sind Punkte, die uns alle angehen. Wichtig ist, dass wir Vorschläge von Fachleuten bekommen, die eine klare Struktur aufweisen.“ Sepp Hofer, Fraktionssprecher der Freien Wähler, wollte das Projekt so kurz vor den Kommunalwahlen im nächsten Jahr nicht auf den Weg bringen. „Wir sollten den Wahltermin abwarten.“ Das sah Dieter Kannengießer, Fraktionssprecher der Parteiunabhängigen, ganz anders: „Ich bin froh, dass mehrere Gemeinden aus unserem Landkreis einen Anfang machen. Der Wahltermin spielt keine Rolle. Wir sollten zustimmen.“

Sepp Lausch (Bayernpartei) fand sich dagegen in der Phalanx der Skeptiker. „Mir ist der tatsächliche Nutzen des Projekts nicht klar. Ich befürchte, dass ein teurer Wasserkopf entsteht, der später wieder einschläft.“ Da befand er sich im Einklang mit dem Ameranger Bürgermeister August Voit (CSU). „Eine vernünftige Ortsentwicklung kann dieses Projekt nicht gewährleisten. Ich habe die Sorge, dass es bereits bei der Ausschreibung für die externen Unterstützer in die Brüche gehen kann. Meine Befürchtung ist auch, dass das Konzept in die Schublade wandert und nie mehr herausgezogen wird.“ Stellvertretender Landrat Josef Huber versicherte, der Landkreis werde seinen mit dem Projekt verbundenen Verpflichtungen nachkommen. Auf die Bauabteilung im Landratsamt käme die wesentliche Aufgabe zu, für die angestoßenen Projekte baurechtliche Lösungen zu finden.

Hans Loy ändert

seine Meinung

Christian Stadler (Bündnis 90/Die Grünen), sprach von einem „guten und wichtigen Projekt“, warnte aber vor zu viel Euphorie. „In kürzester Zeit zu einer Vorzeigeregion in Sachen Baukultur zu werden, halte ich für etwas hochgegriffen. Baukultur ist nämlich oft auch eine Kostenfrage.“ SPD-Fraktionssprecherin Alexandra Burgmaier sieht bei der Umsetzung des Vorhabens durchaus einen Mehrwert für den Landkreis – „auch aus touristischer Sicht“. Sie sprach gar von einem „Leuchtturmprojekt“. Das geplante Engagement vieler ist für sie der Garant, dass es nicht als „Bettvorleger“ landet.

Erkenntnisse aus dem Projekt auch anderen Gemeinden zur Verfügung zu stellen, ist für Sebastian Friesinger (CSU) wichtig für dessen Akzeptanz. Da sei der Landkreis gefordert. Ðer Samerberger Bürgermeister Georg Huber (Parteiunabhängige), verwies darauf, dass Baukultur nicht im Gesetz verankert sei. „Das Thema ist bei uns im Landkreis gut aufgehoben. Wir wollen da mitmachen und nehmen gerne Geld hierfür in die Hand“, sagte der Rathauschef einer der fünf Modellgemeinden aus dem Landkreis. Sein Pruttinger Kollege Hans Loy (CSU) wollte in der Kreisausschusssitzung hierfür noch keine Mittel ausgeben – „ich sehe keinen Mehrwert für die Gemeinden“ – , änderte aber in der Kreistagssitzung seine Meinung und stimmte dem Beschlussvorschlag zu. „Weil alle Gemeinden profitieren können, schließe ich mich den Befürwortern gerne an.“

Förderung seit 1991

Leader ist ein Maßnahmenprogramm der Europäischen Union, mit dem seit 1991 modellhaft innovative Aktionen im ländlichen Raum gefördert werden. Lokale Aktionsgruppen erarbeiten vor Ort Entwicklungskonzepte. Ziel ist es, die ländlichen Regionen Europas auf dem Weg zu einer eigenständigen Entwicklung zu unterstützen.