Brannenburg – In den kommenden Tagen, das weiß er, wird Bastian Gürth gelegentlich zum Smartphone greifen und sein Daumen wird eine App suchen. Dann wird er den Kopf schütteln und das Handy wieder zur Seite legen.
Denn der 35-jährige Brannenburger wird ab dem heutigen Aschermittwoch bis zum Ende der Fastenzeit in gut sechs Wochen auf eine Gewohnheit verzichten, die derzeit rund 30 Millionen Menschen in Deutschland haben: Sie besuchen regelmäßig soziale Medien wie Facebook oder Instagram. Und verlieren, das findet Gürth, neben viel Zeit dadurch auch den Blick aufs Wesentliche im Leben.
Als die OVB-Heimatzeitungen kürzlich auf Facebook fragten, auf was die Leser in der Fastenzeit verzichten wollen, entschied sich der Brannenburger, seinen Plan mit uns zu teilen. „Ich bin nicht groß gläubig“, gibt Gürth zu, „trotzdem finde ich die Idee des Fastens, den Verzicht bewusst zu üben, sehr gesund“. Soziale Medien nutze er, seit es sie überhaupt in Deutschland gibt.
Und so, wie sich Facebook und Co. mit den Jahren gewandelt haben, änderte sich auch Gürths tägliches Nutzverhalten. Früher habe er sich durch das Leben alter Schulkameraden geklickt oder Urlaubsfotos geteilt. Heute seien Facebook und Instagram für ihn eher Nachrichtenportale, er verfolge Magazine, Zeitungen, Marken und Personen, die ihn interessieren.
„Es kann sehr wohl passieren“, sagt er, „dass ich morgens im Bett noch vor dem Aufstehen eine halbe Stunde auf Facebook oder Instagram verplempere, um dort zum Beispiel ein Video zu sehen, in dem es darum geht, was man alles aus alten Cola-Flaschen machen kann. Das habe ich mich noch nie gefragt. Aber man bleibt kleben. Und schon wird das nächste Video abgespielt.“ Insgesamt schlucke die Beschäftigung mit sozialen Medien mindestens eine Stunde am Tag.
Die OVB-Heimatzeitungen begleiten Gürth dabei, wenn die Zeitfresser aus seinem Leben verschwinden. Er wird am Aschermittwoch die entsprechenden Apps auf seinem Handy und die Daten, mit denen er sich einloggen kann, auf seinem Computer löschen. Kurz: Er macht einfach nicht mehr mit.
Generell können sich aber die wenigsten Menschen vorstellen, weniger Zeit online zu verbringen. Die meisten verzichten während der Fastenzeit auf Süßigkeiten. Wenn Gürth von jetzt bis zum Karsamstag auf die Infos aus aller Welt verzichtet, pflegt auch er seine Gesundheit: Gerade bei jungen Menschen konnte nachgewiesen werden, dass die heile Welt der sozialen Medien das Selbstbild stören und eine negative Körperwahrnehmung begünstigen.
Das klassische Fasten kommt für Gürth nicht infrage, weil er schon lange auf eine gesunde Ernährung und Sport wert legt: „Dass wir uns allein übers Essen solche Gedanken machen dürfen, ist ja fast kein Zeichen des Verzichts mehr, sondern ein Privileg.“
Mittlerweile sprechen sich auch Kirchenvertreter dafür aus, die Fastenzeit so auszulegen wie der Brannenburger. „Sie möchte dazu dienen, dass wir unser Leben überdenken, vielleicht auch ändern“, heißt es beim Erzbistum München.
Gürth sagt: „Ich rechne jetzt am Anfang mit so etwas wie einem Phantomschmerz, wenn ich meine Nachrichten nicht mehr so bekomme wie gewohnt.“ Er überlegt daher schon jetzt, klassische Nachrichtenseiten zu abonnieren.
Vorsätze für
die Zukunft
Nach der Zeit des Facebook-Fastens möchte er in den sozialen Netzwerken bewusster darauf achten, was seine Zeit wert ist. Wenn sich nicht, das hofft er, „wieder der Trott einschleicht“. Dass er das Facebook-Fasten über die rund sechs Wochen durchhält, da ist sich der 35-Jährige allerdings sicher – immerhin möchte sich die Autorin dieses Textes zur Halbzeit nochmal melden und sein Handy kontrollieren.