Traunstein – Zwei Mitarbeiter eines Supermarkts in Traunstein, einer davon als stellvertretender Marktleiter, nahmen die Sache mit der Selbstbedienung zu wörtlich. Zwischen Dezember 2016 und Anfang März 2018 klauten sie Zigaretten, Getränke und Bargeld.
Das Amtsgericht Traunstein mit Richter Wolfgang Ott verhängte gegen den 25-jährigen Haupttäter wegen 219-fachen Diebstahls eine Freiheitsstrafe von einem Jahr mit zweijähriger Bewährung. Ein 23-Jähriger erhielt für vier Fälle des Diebstahls eine Geldstrafe von 40 mal 40 Euro, somit von 1600 Euro, und für einen Fall Freispruch.
Der 25-Jährige zeigte sich gestern zu den drei Tatkomplexen voll geständig. Er bestätigte regelmäßige Diebstähle von Dosen mit Red Bull, anderen Getränken und Zigaretten. Außerdem ließ der 25-Jährige Bargeld in Höhe von 150 Euro sowie weitere 1000 Euro aus Wechselgeldüberschüssen mitgehen. Gemäß Anklage von Staatsanwalt Josef Haiker erbeuteten die Männer zusätzlich aus einem Tresor einen so genannten Safebag mit 7150 Euro. Das Geld sollte halbe-halbe geteilt worden, unter anderem in ein Auto und in eine Uhr geflossen sein.
Unternehmen spricht Kündigungen aus
Der jüngere Angeklagte stand zu den kleineren Sachdiebstählen. Er habe „vergessen“, dem Chef die Mitnahme von Getränken und Zigaretten zu melden. Auf den Vorschlag des 25-Jährigen bezüglich des Safebags sei er aber nicht eingegangen, beteuerte der 23-Jährige. Die von der Polizei beschlagnahmte Rolex-Uhr – die sich hinterher als Fälschung herausstellte – habe er im Internet erstanden. Beiden Mitarbeitern kündigte das Unternehmen nach Bekanntwerden der Taten.
Der 45-jährige Chef berichtete, durch einen anonymen Hinweis habe er von der Sache erfahren. Auf dem Zettel sei gestanden, der 25-Jährige sei „nicht ganz ehrlich“. Man habe die Entwicklung zunächst beobachtet. Als er den Mitarbeiter angesprochen habe, sei dieser sofort voll geständig gewesen. Der 25-Jährige habe den Kollegen mitbelastet. Das Geld aus dem Safebag wäre geteilt worden.
Der 23-Jährige habe hingegen erklärt, der andere habe ihm ein „Schweigegeld“ offeriert, wenn er nichts verrate. Als stellvertretender Marktleiter habe der 25-Jährige in seiner Abwesenheit den Tresorschlüssel bekommen, informierte der 45-Jährige. Er zeigte sich „wirklich getroffen“ durch die Taten. Er habe beide Angestellte gern gemocht, sie wie „Söhne“ behandelt.
Anhand der betriebswirtschaftlichen Ergebnisse wurde der Miteigentümer des Geschäfts auf die Taten aufmerksam. Nach dem anonymen Brief habe man „aufgepasst“, den 25-Jährigen mit den Beobachtungen konfrontiert und durch ihn von dem Safebag-Diebstahl erfahren. „Wir sind aus allen Wolken gefallen“, betonte der Zeuge gestern. Ihre Ermittlungen schilderten Beamte der Polizeiinspektion Traunstein.
Günstige Sozialprognose
Das Amtsgericht beschränkte die Zahl der Taten in Übereinkunft mit den Prozessbeteiligten gestern deutlich. Staatsanwalt Josef Haiker stellte fest, der 25-jährige Traunsteiner habe einen enormen Vertrauensbruch begangen. Andererseits habe er ein überschießendes Geständnis abgelegt. Eine Gesamtstrafe von eineinhalb Jahren mit Bewährung sei ausreichend. Die Sozialprognose sei günstig.
Für den 23-Jährigen forderte der Ankläger wegen vierfachen Diebstahls eine Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen à 40 Euro, also von 2800 Euro. Der Safebag-Diebstahl lasse sich bei ihm nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen. Deshalb sei in diesem Punkt Freispruch zu erteilen. Der Verteidiger des 23-Jährigen, Bernhard von Ellerts aus Traunstein, schloss sich bei dem Safebag dem Staatsanwalt an. Für die restlichen Diebstähle seien 20 Tagessätze Geldstrafe ausreichend.
Den besonderen Wert des Geständnisses, auf dem nahezu die ganze Anklage beruhe, rief Roland Netzer aus Traunstein als Verteidiger des 25-Jährigen ins Gedächtnis. 14 Monate Freiheitstrafe mit Bewährung seien tat- und schuldangemessen. Sein Mandant wolle den Schaden wieder gut machen. Deshalb sei von einer Geldauflage abzusehen. Der 25-Jährige nutzte das „letzte Wort“ zu einer Entschuldigung bei seinem Chef.
Bezüglich des Safebags stehe Aussage gegen Aussage. Weitere Indizien gebe es nicht, unterstrich Richter Wolfgang Ott im Urteil. Der 25-Jährige habe hinsichtlich des Tresorschlüssels unterschiedliche Angaben gemacht. Daraus habe das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der 23-Jährige beteiligt war.
Bei dem bewährungswürdigen 25-Jährigen mit seinem „selten zu findenden überschießenden Geständnis“ sei ein gesetzlicher Wertersatz von 4650 Euro, der „Gewinn“ aus den Straftaten, einzuziehen. Der Betrag fließe letztlich an die geschädigte Firma.