„Enteignung auf politischem Weg“

von Redaktion

Kreisbauerntag: Landwirte sehen sich in Rolle des Sündenbocks gedrängt

Rosenheim – Vor allem in puncto Umweltproblemen sehen sich die Landwirte der Region von der Gesellschaft mehr und mehr in die Rolle des Sündenbocks gedrängt. Das machten die Redner jetzt beim Kreisbauerntag in der Rosenheimer Inntalhalle deutlich.

Der erste Applaus gebührte allerdings den Kolbermoorer Schäfflern, die mit ihrem Schäfflertanz, der nur alle sieben Jahre aufgeführt wird, den Teilnehmern des Kreisbauerntages in der Inntalhalle ihre Aufwartung machten. Kreisobmann Josef Bodmaier griff die gute Stimmung auf, als er die rund 500 Gäste und Ehrengäste begrüßte und so den Startschuss gab für eine Veranstaltung, die so gar nicht in den Rahmen eines eher ruhigen und winterlichen Wochenendes passte.

Schon der stellvertretende Landrat Josef Huber hob in seinen Grußworten die Bedeutung der Landwirtschaft heraus: „Denn ohne sie geht nichts.“ Und dass das so bleiben soll, zeigt auch die Tatsache, dass im Kreis Rosenheim die meisten Landwirtschaftsschüler und -meister bayernweit im vergangenen Jahr ausgebildet wurden, wie Josef Bodmaier vermelden konnte.

Doch dann hob er warnend den Finger und ging auf die Problematik des „Bauernalltags“ ein. „Viele ökologische Probleme werden auf dem Rücken der Landwirtschaft ausgetragen. Die Bauern sind schnell als die Verursacher und Buhmänner ausgemacht, auch von der Politik.“ Gerade jetzt beim „Volksbegehren Artenvielfalt“ erkenne er „sehr wohl den Trend einer Pauschalverursacher-Mentalität der Landwirtschaft, die auch für das Bienensterben verantwortlich sein soll“. Bodmaier: „Da haben wir keinen Rückhalt in der Politik, weder in Bayern noch in Berlin.“

Zielführende Gespräche gefordert

Beim landfressenden Brennernordzulauf stehe er mit seiner Organisation voll hinter den betroffenen Landwirten, „denn unsere landwirtschaftlich genutzte Fläche ist nicht vermehrbar“. Seiner Meinung nach fordern die vielen Probleme in Sachen Umweltschutz und Landwirtschaft zielführende Gespräche: „Doch da kommt oft nichts von oben.“

Provokant stellte Gastredner Stefan Köhler, Umweltpräsident des Bayerischen Bauernverbandes, die Frage: „Will unsere Gesellschaft überhaupt noch eine Landwirtschaft?“ Aktuell seien etwa 3,2 Millionen Hektar in Bayern als landwirtschaftliche Nutzfläche ausgewiesen. Aber es werde immer weniger, beispielsweise durch Umweltauflagen wie die Ausweisung von Ackerschonstreifen, die Schaffung neuer Biotope und Naturschutzgebiete oder ganz aktuell durch den Slogan „Rettet die Bienen“ zum geplanten „Volksbegehren Artenvielfalt“.

Dies alles ist seiner Meinung nach „mehr oder weniger Enteignung auf politischem Wege“, wie beispielsweise auch die Ausweisung neuer Biotope im Freistaat, die circa 320000 Hektar Fläche bayernweit betreffen und somit der landwirtschaftlichen Nutzung dauerhaft entzogen würden. „Unsere Landwirtschaft verliert an Wert, weil sie diese Flächen nicht mehr nutzen darf“, stellt er fest. „Allein im Kreis Rosenheim würden so etwa 520 Millionen Euro den Landwirten weggenommen durch Ausweisung von Flächen, die nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden dürfen“.

Unmut über

„Experten“

Für den Umweltpräsidenten fehlt es in der Politik und Gesellschaft am offenen und fairen Dialog, wie jetzt auch beim „Volksbegehren Artenvielfalt“. „Da werden Politiker und hochrangige sogenannte Experten eingeladen, die sich beispielsweise darüber wundern, dass keine Singvögel, sondern nur noch Elstern in den Gärten zu sehen sind.“ Aber, dass Elstern Rabenvögel, also Nesträuber sind, die die Nester der Singvögel plündern, und deren gehäuftes Vorkommen auch durch Schutzmaßnahmen überhandnimmt, sei für die „sogenannten Umweltexperten“ nicht erkennbar.

So werde das Wildbienensterben auch nicht nur insgeheim der Landwirtschaft zugeschrieben. 28 Arten seien in den vergangenen Jahrzehnten ausgestorben: „Aber es fehlt der Nachweis, dass auch nur eine Wildbiene an von Landwirten ausgebrachten Pflanzenschutzmitteln gestorben ist.“ Weiter führt Köhler aus, „dass ein jeder, der in die Natur geht, sein Haus oder seine Wohnung verlässt, zur Minderung der Artenvielfalt beiträgt. Sei es beim Spaziergang, einer Autofahrt oder der Urlaubsreise und natürlich ist da auch die Landwirtschaft im Boot“.

Wie überhaupt er in der Landwirtschaft keinesfalls Verweigerung in Sachen Natur- und Artenschutz erkennen könne. Doch er und sein Verband fordern den „sinnvollen und fairen Dialog“: „Denn auch wir wollen die Bienen haben.“ Zum Abschluss seiner Ausführungen malt Stefan Köhler ein für ihn durchaus vorstellbares Szenario: „Wenn die Landwirtschaft nicht mehr der Ernährung dient, sondern den Interessen der Politik und der Umweltverbände, dann ist die nächste Hungersnot nicht mehr weit.“

Von der CSU enttäuscht

In der sich anschließenden Diskussion zeigte sich sehr detailreich, mit welchen Ängsten sich die Landwirte der Region konfrontiert sehen. Angefangen beim Brennerbasistunnel über die Wolfsproblematik bis hin zur Biberplage und dem Bienensterben wurden Anregungen und Einschätzungen abgegeben und teils konträr diskutiert. Viele Bauern zeigten aber auch ihre Enttäuschung über die CSU, die „von zwei Dritteln der Landwirte gewählt worden ist“, so ein Rednerbeitrag. Zwar sei die CSU auch gegen das Volksbegehren, „sie kommuniziert das aber sehr leise“, wie es verschiedene Teilnehmer sahen.

Die anwesende CSU-Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig aus Kolbermoor nahm den Ball auf und entgegnete, dass „ich und meine Parteikollegen der CSU in Berlin gegen das Volksbegehren stimmen werden“.

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