Bauern zeigen Wolf die Zähne

von Redaktion

Mehr als 300 Landwirte und Interessierte haben sich am Donnerstagabend zur Kundgebung „Oberbayern braucht Weidetiere – keine Wolfsreviere!“ in Rohrdorf eingefunden. Die Forderung: wolfsfreie Zonen und effektiver Schutz für die Weidetiere.

Rohrdorf – Wie sehr das Thema Wolf in landwirtschaftlichen Kreisen mobilisiert, zeigt sich schon vor dem Gasthof Hotel zur Post in Rohrdorf: Sämtliche Parkplätze sind belegt, die Nebenstraßen sind mit Fahrzeugen gesäumt. Aus zwei Reisebussen mit Garmischer und Tölzer Kennzeichen strömen Menschen zum Haupteingang. „Bis wir daheim sind, ist es zwei Uhr nachts“, sagt ein Garmischer im Vorbeigehen. „Aber das ist ein extrem wichtiges Thema.“ Im Festsaal reiht sich ein grüner Filzhut an den nächsten. An den Säulen hängen Plakate und Schilder: „Wolf oder Bergbauern“, „Stoppt den Wolf endlich“, „Tierschutz für unsere Tiere“. Während einige Besucher mit Stehplätzen am hinteren Ende des Raumes vorliebnehmen müssen, verlegen Verantwortliche Rednerpult und Leinwand, um vorne Platz für zusätzliche Tische und Stühle zu schaffen.

„Beginn einer

neuen Zeitrechnung“

Anton Kreitmair, der Präsident des Bayerischen Bauernverbands bittet zunächst um Verständnis für die Verzögerung, kommt dann aber gleich zum Thema: „Der Wolf passt nicht in unsere Region.“ Zustimmender Applaus. Die Politik rede viel über dieses Thema, treffe aber keine Entscheidungen. „Das Problem muss endlich gelöst werden“, fordert er. Warum, das veranschaulicht ein Video-Beitrag eindrucksvoll: Zu sehen sind ein verendetes Mutterschaf mit Jungen, mehrere Aufnahmen von gerissenen Tieren, Bewegtbilder von einem Wolf, der sich in ein Schaf verbeißt und abschließend ein in zwei Hälften gerissenes Kalb. Schwere Kost. „Das ist die Realität“, murmelt ein Garmischer am Nebentisch, während Kreitmair den „Beginn einer neuen Zeitrechnung“ in Richtung der Politik ankündigt.

Dann tritt der Hauptredner des Abends, Siegfried Rinner, Präsident des Bauernbundes Südtirol, ans Rednerpult. Er schildert zunächst den italienischen Status quo: „Wir haben rund 2000 Wölfe in Italien. Die genaue Zahl weiß aber niemand. Das ist so gewollt.“ Südtirol sei umzingelt von drei bis sechs Rudeln. Seit 2016 verzeichne man steigende Risszahlen, die Zahl der gealpten Kleintiere gehe bereits zurück. „Die Bauern reagieren auf die Bedrohung.“ Die Folgen für die Almen: „Mehr Erosion, weniger Biodiversität, ein verändertes Landschaftsbild und damit weniger Tourismus.“

Rinners Tipp: „Gehen Sie zu einer renommierten Uni und lassen Sie sich diese absehbaren Auswirkungen belegen. Sie brauchen belastbares Material.“ Wenig hält der Präsident des Bauernbundes Südtirol vom sogenannten Herdenschutz, also Zäunen und Schäferhunden. Das Land Südtirol habe dazu ein Pilotprojekt auf den Weg gebracht – sämtliche direkte und indirekte Kosten trägt die Europäische Union. „Das ist Käse“, sagt Rinner. „Aber der Druck ist enorm. Man muss sich darauf einlassen.“

Wichtig im Kampf gegen den Wolf sei eine „exzellente Vernetzung“. Es brauche einen Schulterschluss sowohl mit dem Tourismus als auch den Gemeinden. Einige Kommunen in Südtirol haben sich bereits zur „Wolf- und Bärenfreien Gemeinde“ erklärt. Rinner sieht das positiv: „Es geht um Symbolik. Wir kämpfen um die Deutungshoheit.“ Von zentraler Bedeutung sei auch die Öffentlichkeitsarbeit. Deshalb habe man die Sozialen Medien mit verschiedenen Filmen – etwa ein Interview mit einem Almbauer, der seine Wolfserfahrungen anhand von Fotografien gerissener Tieren erläutert – bespielt. „Authentisch und emotional“, sagt Rinner.

Auch Kreisbäuerin Anna Kern hat eine klare Meinung zum Wolf. „Unsere Almen müssen wolfsfrei sein“, fordert sie. Erneut tosender Applaus. Dieselbe Position vertritt im Anschluss Georg Mair, Vorsitzender des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern. Er beruft sich auf den österreichisch-deutschen Forstwissenschaftler Prof. Wolfgang Schröder – für ihn einer der wenigen Nicht-„Scharlatane“. „Er hat mal gesagt, dass der gesamte Alpenraum für den Wolf ungeeignet ist.“

Oberaudorfer macht radikalen Vorschlag

Für kollektive Belustigung sorgt anschließend eine Almbäuerin. Sie erzählt von Wolfrissen 2015 und verfälschten Gen-Analysen der Behörden, bei denen statt des Wolfs der Fuchs als Täter ausgemacht wurde. „Daraufhin habe ich den Jagdschein gemacht“, sagt sie trocken. Schallendes Gelächter. Manipulierte Analysen führt auch ihr Nachredner ins Feld. Sein Tipp: „Immer eigene Proben nehmen und unabhängig untersuchen lassen.“ Etwas radikaler kommt da der Vorschlag eines Oberaudorfers daher: „Wir müssten die gerissenen Tiere medienwirksam am Max-Josefs-Platz in Rosenheim niederlegen.“

In dieselbe Richtung – wenn auch sachlicher – zielt das Positionspapier des Bayerischen Bauernverbandes ab, das Kreitmair und Bezirksbäuerin Christine Singer am Ende vortragen (siehe Kasten) und anschließend zur Unterschrift am Eingang auslegen. Das Ziel: Gehört werden in der Politik.

Das fordert der Bauernverband

Laut dem Bundesamt für Naturschutz sind in Deutschland aktuell 73 Wolfsrudel bestätigt. Das Wolfvorkommen konzentriert sich auf das Gebiet von der sächsischen Lausitz in nordwestliche Richtung über Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen bis nach Niedersachsen. Zum ersten Mal seit der Ausrottung in Deutschland vor mehr als 150 Jahren ist zudem ein Rudel in Bayern bestätigt. Damit ist die Zahl der bestätigten Rudel in Deutschland im Vergleich zum 22. November 2017 um 13 gestiegen. Zusätzlich ist die Zahl der Wolfspaare von 21 auf 30 angestiegen. Außerdem wurden drei sesshafte Einzelwölfe bestätigt.

Erstmals seit 150 Jahren Rudel in Bayern

- Schutz und Erhalt der bäuerlichen Weide-, Freiland und Offenstallhaltung
- Erstellung einer umfassenden Folgenabschätzung
- Berücksichtigung der lokalen Bevölkerung und des Tourismus
- Aufrechterhaltung der Weidewirtschaft in der bisher üblichen Form
- Umkehr der Beweislast: Beweispflicht muss bei Behörden liegen, nicht bei den betroffenen Menschen
- Sicherheit von Mensch und Tier in den ländlichen Räumen hat Vorrang

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