Bahn-Streik: Chaos in der Region

von Redaktion

Ausnahmezustand gestern auf Bahnhöfen der Region! Menschenmengen sammelten sich an, warteten vergeblich auf Züge und S-Bahnen: Der Eisenbahnerstreik der EVG legte ab 4 Uhr früh den Arbeits- und Schüleralltag lahm. Die Stimmung: Galgenhumor, Unverständnis.

Rosenheim – Petra Stache aus Ostermünchen braucht für die Fahrtstrecke bis München 45 Minuten. Eigentlich. Gestern waren es vier Stunden. Ihre Odyssee begann, als sie per Whatsapp durch eine Arbeitskollegin vom Total-Ausfall der Züge erfuhr. Als Optimistin setzte sie jedoch auf die S-Bahn, Mutter Gudrun fuhr sie per Auto nach Grafing. „Um 6.32 Uhr bin ich gleich in die erste S-Bahn gehüpft“, teilt sie frohgemut mit. Die Pendel-Bahn fuhr drei Stationen über Kirchseeon nach Zorneding – reibungslos. „6.47 Uhr angekommen. Aber hier geht erst mal nichts mehr“, informiert Stache ihre Eltern.

Kein Busverkehr, überfüllte S-Bahnen

Um 6.59 müssen alle Fahrgäste die S-Bahn wieder verlassen. Laut Ansage gibt es keinen Busverkehr in Richtung München. „Also fahre ich um 7.04 Uhr mit der Pendel-S-Bahn wieder zurück nach Grafing. Dann steh ich lieber dort, da hält eher ein Zug“, sagt sich die Ostermünchnerin. Zwei Minuten später entdeckt sie auf der App, dass doch noch eine S-Bahn verkehren soll. Um 8.15 steigt sie in die Pendel-Bahn – zurück nach Zorneding. Einer der Gründe, neben der Hoffnung, die bekanntlich zuletzt stirbt: In der S-Bahn ist es wärmer als auf dem bitterkalten und zugigen Bahnsteig. Dann diese Nachricht: Ab Grafing soll eine S-Bahn gen München fahren. Zurück also, es ist 8.57 Uhr. Eine Bahn kommt!

9 bis 9.55 Uhr: „Hurra! Jetzt tau ich gleich wieder auf. Die S-Bahn ist voller als während der Wiesn.“ Tatsächlich stehen die Leute wie Heringe im Fass. Die einen schnappen nach Luft, die anderen reißen müde Witze, wieder andere empören sich, weil der Streik auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen wird. Und Petra Stache? „Ich hab einen Sitzplatz, sonst wäre mein Geduldsfaden geplatzt. Ich brauche einen Tee, spüre meine Zehen nicht mehr.“ Dann ihr Fazit: „Ostbahnhof. Das Wunder der Deutschen Bahn.“

Stache gönnt sich eine Breze auf dem Fußweg zur Arbeit. Damit sei es ihr wieder besser gegangen, erzählt sie gegenüber unserer Zeitung. Im Max-Planck-Institut, ihrer Arbeitsstätte, geht es indes ruhig zu. Manche Kollegen hätten sich spontan einen Gleittag genommen und seien nach Hause zurückgekehrt. Andere Betroffene erwischten eine Mitfahrgelegenheit per Auto. Der Park&Ride-Platz in Grafing, ansonsten überfüllt, war wie leergefegt. Wer mobil war, bewegte sich auf der Straße – der übliche Berufsverkehr schwoll deshalb an.

Arbeitnehmer, etwa aus Augsburg, die nach München wollten, machten gar nicht erst den Versuch. Christopher Raabe, Sprecher der Bayerischen Oberlandbahn GmbH (BOB, Meridian, BRB) traf es ebenfalls, als er nach Holzkirchen wollte. Er blieb im Betriebswerk Augsburg. Wie alle anderen Regionalzüge auch standen die Zugräder der BOB wegen des Streiks der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) still. Ursache: Das Netz der DB, die für die Infrastruktur verantwortlich ist, wurde ebenfalls bestreikt. Dadurch war der Zugverkehr der privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen massiv beeinträchtigt.

Die BOB haderte mit der gestrigen Situation. Denn sie hatte in diesem Jahr mit der Eisenbahnergewerkschaft EVG, die zum Warnstreik aufgerufen hatte, einen Tarifvertrag abgeschlossen und wurde doch in die „Auswirkungen des Streiks“ hineingezogen. Wie hoch dadurch die Verluste für das Unternehmen sind, kann Raabe nicht benennen.

Wortattacken halten sich in Grenzen

In den sozialen Netzwerken der BOB hielten sich die Wort-Attacken in Grenzen. Man habe im Vorfeld auf die Situation hingewiesen und kurz und präzise das Warum und das Wie des Streiks erklärt, so Raabe. Allerdings seien Kundenbetreuer und Lokführer die ersten Personen, die den Ärger der Kunden zu spüren bekämen.

Etwa 600 Mitarbeiter beschäftigt die BOB auf vier Eisenbahnnetzen. Alle seien pünktlich zum Dienstantritt erschienen, sagt der Sprecher. Das Personal werde wohnungsnah für die Arbeit eingesetzt. Grob gerechnet waren etwa zwei Drittel der Lokführer zwangsläufig mit vorbereitenden Arbeiten befasst oder „hätten sich noch mal einen Kaffee gegönnt“, sagt Raabe.

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Hotline und Tickets

Wer Fahrkarten für später ausgefallene Züge gelöst hatte, konnte diese für andere BOB-, Meridian- und BRB-Züge nutzen. Im Netz informierte die Bayerische Oberlandbahn GmbH zu Abweichungen vom Regelfahrplan. Dort (www.meridian-bob-brb.de) findet sich auch das Thema „Fahrgastrechte“. Und wer am Schalter der Deutschen Bahn (DB) Tickets holte, muss sich dorthin wenden. Laut DB ist die Zugbindung für Spar- und Supersparpreis-Tickets aufgehoben. Tickets für Fernverbindungen sind nun bis Sonntag, 16. Dezember, gültig. Tickets und Reservierungen werden kostenlos erstattet, wenn streikbedingt die Reise nicht wie geplant möglich ist. Es gibt eine kostenlose DB-Hotline für betroffene Kunden (08000/99 66 33).

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