Silo wird zur Todesfalle

von Redaktion

In eine tödliche Falle hat sich am Sonntagabend das Futtersilo auf seinem Hof für einen 72-jährigen Landwirt in Irschenberg verwandelt. Am Tag nach dem tragischen Unglück sucht die Kripo nach der Ursache. Und es wird klar, dass nicht nur der 30-jährige Ersthelfer ebenfalls in großer Gefahr war.

Irschenberg – Die Verzweiflung der Angehörigen muss groß gewesen sein. So groß, dass sie selbst ihr Leben riskierten, um den 72-jährigen Landwirt aus den tödlichen Gärgasen im Futtersilo zu retten. Kurz nachdem ein 30-jähriger Ersthelfer mit einer Leiter in die Tiefe gestiegen und ebenfalls ohnmächtig geworden war, schickten sich zwei weitere Personen an, einen Befreiungsversuch zu starten. Er wäre mit ziemlicher Sicherheit in einem noch größeren Drama gemündet, sagt Irschenbergs Feuerwehrkommandant Tom Niggl. „Das hätte auch ganz anders ausgehen können.“

Als der Alarm am Sonntagabend gegen 18.47 Uhr ging, wusste Niggl sofort, was es geschlagen hatte. Das Stichwort „Silo“ reichte ihm, um die große Gefahr für den verunfallten Landwirt zu erahnen. „Da zählt jede Sekunde“, sagt Niggl. Wenige Atemzüge in den unsichtbaren und weitgehend geruchlosen Gärgasen würden genügen, um zur Bewusstlosigkeit und kurz darauf zum Erstickungstod zu führen. Deshalb legten die Retter, die solche Einsätze regelmäßig trainieren, noch während der Anfahrt ihre Atemschutzausrüstung an. „Sonst lasse ich da niemanden rein“, erklärt Niggl.

Nur sieben Minuten nach dem Notruf waren die Retter vor Ort. Wie das Polizeipräsidium Oberbayern Süd berichtet, hatte die Ehefrau des Landwirts ihren Mann vermisst und kurz darauf leblos im Futtersilo entdeckt. Umgehend eilte ein Großaufgebot an Einsatzkräften der Feuerwehren Irschenberg, Niklasreuth, Miesbach und Bad Aibling sowie vier Rettungswagen und zwei Notärzte zu dem Anwesen im Irschenberger Ortsteil Buchfeld.

Die Atemschutzträger der Feuerwehr kamen laut Niggl gerade rechtzeitig, um die beiden weiteren Angehörigen vom Einstieg ins Tiefsilo in der Tenne des Bauernhofs abzuhalten. Den leblosen Landwirt und den bewusstlosen 30-Jährigen fanden sie auf einer Abdeckplane in rund zwei Metern Tiefe vor. Weil für das Anlegen einer aufwendigen Bergungsvorrichtung keine Zeit war, hievten sie die beiden Männer mit einem Seil an die Oberfläche. Das am Silo fest installierte Frischluftgebläse hätte immerhin für eine gewisse Sauerstoffzufuhr gesorgt, berichtet Niggl.

Ansonsten nämlich ist in einem Silo so gut wie keine atembare Luft vorhanden. Wie die Polizei erklärt, entstehen durch Gärprozesse Gase, die durch ihren höheren Kohlenstoffdioxid-Anteil schwerer als Luft sind und deshalb zum Boden absinken. Dort bildet sich dann ein sogenannter „Gärgas-See“. Wer dort hineingerät, wird im schlimmsten Fall ohne Vorwarnung bewusstlos, und je nach Kohlenstoffdioxid-Konzentration tritt auch der Tod sehr schnell ein.

Dieses Schicksal hat wohl auch den 72-Jährigen ereilt. Trotz sofortiger Reanimationsmaßnahmen kam für ihn jede Hilfe zu spät. Der 30-Jährige hatte Glück und überlebte. Er kam – zusammen mit den beiden Angehörigen – in ein Krankenhaus. Sein Zustand ist laut Polizei stabil. Ein Kriseninterventionsteam kümmerte sich laut Niggl vor Ort um die Familie, Notfallseelsorger Richard Siebler betreute die Einsatzkräfte. Pfarrer Tadeusz Kmiec-Forstner hielt eine kleine Andacht für den Toten ab. „Darauf legen wir Wert“, erklärt Niggl.

Noch ungeklärt ist die Frage, warum der Landwirt in das Silo geraten ist. Die Kripo Miesbach ging gestern von einem „tragischen Unfallgeschehen“ aus. Eine Obduktion am Rechtsmedizinischen Institut München war für gestern Nachmittag angesetzt. Bayern & Region

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