„Blindlings geschossen“

von Redaktion

Drei Jahre und neun Monate Haft nach Anschlag

Nußdorf/Traunstein – Bei zwei Brandanschlägen auf ein Asylbewerberheim in Nußdorf erlitt glücklicherweise niemand körperlichen Schaden. Alle 32 Bewohner kamen mit dem Schrecken davon (wir berichteten). Die geständigen Täter, zwei 24 und 21 Jahre alte Männer aus Nußdorf, verurteilte die Jugendkammer am Landgericht Traunstein am Freitag wegen versuchter schwerer Brandstiftung und anderer Delikte zu Freiheitsstrafen von jeweils drei Jahren und neun Monaten. Der jüngere Mann wurde nach dem Jugendstrafrecht verurteilt.

Damit blieb die Kammer mit Vorsitzendem Richter Dr. Klaus Weidmann deutlich unter den Anträgen von Staatsanwalt Jan Salomon, der jeweils sechs Jahre und fünf Monate Erwachsenen- beziehungsweise Jugendstrafe gefordert hatte. Die Verteidiger, Walter Holderle aus Rosenheim und Richard Rill aus München, hatten jeweils zwei Jahre mit Bewährung für ausreichend erachtet.

Der 21-Jährige habe sich ab 2013 immer intensiver mit rechtsradikalem Gedankengut beschäftigt, führte der Vorsitzende Richter aus. Ein Einschnitt sei ein schwerer Arbeitsunfall gewesen. In dieser schwierigen Zeit habe er den 24-Jährigen kennengelernt. Ende Januar 2018 hätten sie beschlossen, „ein Zeichen zu setzen“ in Bezug auf Asylbewerber und die Flüchtlingspolitik“.

Bei der ersten Tat am 2. Februar 2018 beschmierten die Angeklagten die Fassade der Flüchtlingsunterkunft mit einem Hakenkreuz. Das ahndete die Kammer als „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“. In einer Werkstatt bereiteten die Männer am 17. März 2018 zwei mit Benzin gefüllte Glasflaschen vor, die sie für einen Brandanschlag am 2. April 2018 gegen das Gebäude benötigten. Dem 21-Jährigen lagen darüber hinaus zwei bei ihm sichergestellte illegale Waffen zur Last.

Das Gericht stützte sich vor allem auf die glaubhaften Geständnisse der Männer am zweiten Tag der Hauptverhandlung. Die Kripo Rosenheim bezog nach Weidmann bei ihren Ermittlungen auch Chats zwischen den Angeklagten und eindeutige Inhalte auf ihren Rechnern mit ein. Der Vorsitzende Richter erinnerte an die Frage einer Bewohnerin des Flüchtlingsheims in dem Prozess an die Angeklagten nach dem Grund ihres Handelns. „Es waren rassistische, zynische Taten“, stellte Weidmann fest. Bei dem Werfen der Brandsätze in den Glasflaschen hätten die Angeklagten „blindlings geschossen, sich sofort umgedreht“. Der Kammervorsitzende wörtlich: „Sie haben es dem Zufall überlassen, was passiert.“

Bei dem 21-Jährigen, zu den Tatzeiten noch Heranwachsender, habe das Gericht wegen seiner Reifeverzögerungen Jugendstrafrecht angewendet und sowohl „schädliche Neigungen“, als auch die „Schwere der Schuld“ bejaht, fuhr der Richter fort. Zu ihren Gunsten habe die Kammer viele Punkte gewertet – darunter sein Geständnis, eine gewisse alkoholische Enthemmung und seine Entschuldigungen in alle Richtungen. Einen strafmindernden Täter-Opfer-Ausgleich habe das Gericht verneint – weil kein kommunikativer Prozess zu- stande gekommen sei. Andererseits gebe es belastende Aspekte wie „die negative, menschenverachtende Gesinnung“, die vorherige Planung der Taten, die zudem „sehr gefährlich“ waren. Für beide Angeklagte bestätigte das Gericht die Haftbefehle.

Artikel 3 von 20