Schüsse nach geplatztem Traum

von Redaktion

59-jähriger Rosenheimer streckt 26-jährige Frau nieder – Prozessauftakt

Rosenheim/Traunstein – Weil der Traum vom Lebensabend mit einer Frau auf einer Finca in der Dominikanischen Republik geplatzt war, soll ein 59-Jähriger aus Rosenheim am 16. März 2018 abends in Rosenheim auf offener Straße auf die Tochter der Frau mehrmals geschossen haben. Die 26-Jährige erlitt schwerste Bauchverletzungen. Seit gestern sitzt der 59-jährige auf der Anklagebank vor dem Schwurgericht Traunstein mit Richter Erich Fuchs. Dem teilgeständigen Täter liegen versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und Waffendelikte zur Last. Die viertägige Hauptverhandlung wird am 10., 14. und 18. Dezember, jeweils um 9 Uhr, fortgeführt.

Vor einem Lebensmittelmarkt in der Salinstraße soll der 59-Jährige am Tattag der 26-Jährigen, die mit ihrem achtjährigem Sohn unterwegs war, gegen 18.10 Uhr mit einem scharfen Revolver aufgelauert haben. In der Anklage geht Staatsanwalt Dr. Oliver Mößner davon aus, dass es dem Mann dabei eigentlich um deren Mutter, die frühere Lebensgefährtin des 59-Jährigen, ging. Der Angeklagte erzählte gestern stundenlang und im Detail über sein Leben und die Beziehung. Die Familie der Geschädigten stammt aus der Dominikanischen Republik. Das Land hatte der aus Baden-Württemberg stammende Mann auf Reisen lieben gelernt, wie Verteidiger Dr. Markus Frank aus Rosenheim schilderte. Zudem hatte der Angeklagte 2011 in Rosenheim eine Frau kennengelernt, deren Heimat das Land in der Karibik war. Der große Traum war, im Alter gemeinsam auf einer Finca zu leben. Die Mutter seiner Freundin sollte sich um den Kauf kümmern. Der Angeklagte investierte angeblich 130000 Euro aus Ersparnissen und einem aufgenommenen Kredit. Zudem unterstützte der 59-Jährige die Frauen finanziell mit rund 20000 Euro.

Dem Opfer

aufgelauert

Als seine Geldmittel zur Neige gingen, so der Verteidiger, habe die Mutter der 26-Jährigen die Beziehung beendet. Der Mann verlangte von der Familie, dass die von seinem Geld erworbene Finca auf ihn umgeschrieben werden sollte. Da soll sich herausgestellt haben, dass ein solches Anwesen in der Karibik nie gekauft worden war. Frank meinte gestern weiter, sein Mandant habe sich von der Mutter ausgenutzt gefühlt und Anzeige erstattet. Wenigstens einen Teil seines Geldes habe er zurückhaben wollen, um seinen Traum vom Leben in der Dominikanischen Republik doch noch zu verwirklichen.

Laut Anklage war die 26-Jährige, Nebenklägerin in dem Prozess mit Opferanwältin Manuela Denneberg aus Rosenheim zur Seite, am Tatabend mit ihrem Kind beim Einkaufen. Sie soll den 59-Jährigen nach Verlassen des Geschäfts bewusst ignoriert haben. Da soll er sich vor ihr aufgebaut haben, um sie zur Rede zu stellen. Die Frau ging weiter. Er stellte sich am Eingang zum Parkplatz wieder vor sie hin, packte sie am Arm und sagte, er wolle „es beenden“. Die 26-Jährige reagierte ablehnend. Da soll der Täter die Waffe im Hosenbund gezeigt haben. Das nahm die Frau nicht recht ernst und weigerte sich weiter, mitzukommen. Sie habe keine Angst vor ihm, soll sie gesagt haben. Da schoss der 59-Jährige mehrmals, auch, als die Verletzte schon wehrlos auf dem Rücken am Boden lag. Nur drei der acht Patronen zündeten. Dass er die 26-Jährige getroffen hatte, bemerkte der Angeklagte angeblich zunächst nicht. Er wollte sich entfernen und wurde kurz danach von Passanten überwältigt.

Die 26-Jährige wurde schwerstverletzt. Sie trug einen Steckschuss in den Bauch, einen Steckschuss in die Brust und einen Streifschuss am Ohr davon. Eine Notoperation im Klinikum Rosenheim rettete ihr Leben. Nach elf Tagen stationären Aufenthalts musste sie am 4. April 2018 nochmals ins Krankenhaus. Dabei wurde das noch in der Brust steckende Projektil entfernt.

Als Motiv der Tat nimmt Staatsanwalt Dr. Mößner „Heimtücke“ und „niedere Beweggründe“ an. Der Angeklagte habe sich an der Tochter wegen des Ärgers mit deren Mutter rächen wollen. Ganz anders stellte der Verteidiger den Fall gestern dar. Der 59-Jährige sei bei den Schüssen „völlig überlastet und verzweifelt“ gewesen. Nach einer Drohung gegen ihn habe er den Revolver als „Schreckschusswaffe“ gekauft. Damit habe er der 26-Jährigen lediglich „Angst einjagen“ wollen. Hinterher sei der 59-Jährige „erschrocken gewesen, geschossen zu haben“. Die Waffe habe er sich nach der Tat ohne Weiteres abnehmen lassen. Frank hob hervor, sein Mandant wolle sich entschuldigen und sei bereit, der Geschädigten ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen.

Drei Kripobeamte

als Zeugen geladen

Drei Beamte der Kripo Rosenheim informierten gestern über ihre Erkenntnisse. Den Revolver samt Munition hatte der Angeklagte für 350 Euro von „einem Unbekannten in Rosenheim“, dessen Namen er in polizeilichen Vernehmungen nicht nennen wollte. Von einem Trip in die Dominikanische Republik kam der 59-Jährige im Februar 2018 außerdem mit Verletzungen zurück, zu denen er sich nicht äußern wollte.

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