knapp 2000 Teilnehmer bei Grossdemo gegen Nordzulauf zum BrennerBAsistunnel

Menschenkette gegen Trassenbau

von Redaktion

An den ausgefahrenen Teleskoparm einer Betonpumpe haben die Veranstalter in zwölf Metern Höhe ein riesiges Schild gehängt, auf dem eine Lokomotive zu sehen ist. Sie soll den Demonstranten zeigen, in welcher Höhe hier, am alten Sportplatz in Rohrdorf, eine der möglichen Trassen des Brennerzulaufs verlaufen würde, um die A8 zu überqueren.

Rohrdorf – Die weitere mögliche Trassenführung – immer noch in zwölf Metern Höhe – ist durch Heliumballons markiert. Ein überraschender Anblick selbst für diejenigen, die aus Rohrdorf und der näheren Umgebung kommen. Es geht den Demonstranten – nach Angaben der Veranstalter sind rund 2500 Menschen gekommen, andere Schätzungen belaufen sich auf knapp 2000 Teilnehmer – längst um mehr, als nur um eine lokale Trassenverhinderung. Sie sind gegen das Projekt als Ganzes.

Fragt man Teilnehmer nach dem Warum, so sind die Gründe fast durchweg dieselben. Man stellt infrage, dass neue Trassen notwendig sind, um Lkw-Verkehr auf die Schiene zu bekommen, bezweifelt ganz allgemein die Zahlen der prognostizierten Verkehrsentwicklung und glaubt, dass neue technische Entwicklungen wie fahrerlos in enger Kolonne rollende Lkws nicht berücksichtigt sind. Eine Skepsis, die durch Gastredner Lothar Gamper aus Innsbruck untermauert wird: „Glauben Sie Planern von Großprojekten kein Wort. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Ihnen hinsichtlich Kosten und Wirtschaftlichkeit ins Gesicht gelogen wird!“ Gampers Wort hat für die Demonstranten Gewicht, denn der Jurist gilt als ein Kenner des Basistunnel-Projektes, war er doch Mitarbeiter des Tiroler Landesumweltamtes und dort mit der Umweltverträglichkeitsprüfung auf österreichischer Seite befasst.

Er bezweifelt vor allem, dass der Brennerbasistunnel allein Lkw-Verkehr auf die Schiene bringen wird. Schließlich ändere ein Ausbau der Bahnverbindung nichts daran, dass der Gütertransport auf der Straße billiger ist, als auf der Schiene. Ändern würde sich daran nur etwas, wenn zugleich der Kostendruck auf die Straße durch politische Maßnahmen erhöht werde, so Gamper weiter. Dergleichen – Erhöhung der Maut, Erhöhung der österreichischen Mineralölsteuer, Nachtfahrverbote – sei aber schon heute und ganz ohne Trassenneubau möglich. Eine Ansicht, die die übrigen Redner – Dr. Josef Krapf und Dr. Gerd Hartlieb von der Bürgerinitiative „Bürgerinteressen Rohrdorf“, Rohrdorfs Bürgermeister Christian Praxl und Thomas Riedrich von der Bürgerinitiative Brennerdialog – unisono aufgreifen. Zumal, wie Hartlieb meint, der mögliche Verlagerungsverkehr ohne Probleme auf den bisherigen Trassen zu bewältigen sei. Dabei müsste man nicht einmal die zu erwartende Leistungssteigerung nach einer Modernisierung der Strecke in Anspruch nehmen: „Vor zehn Jahren sind pro Tag 100 Züge mehr auf diesen Schienen gefahren als heute.“

Kritik an Bahn,

Politik und Presse

Obwohl nicht nur Gamper von „Lügen“ im Zusammenhang mit der Rechtfertigung des Trassenneubaus spricht, sondern auch die anderen Redner tief in die rhetorische Waffenkiste greifen und weder an Bahn, noch an der Politik und auch an der berichtenden Presse kein gutes Haar lassen, bleiben die Zuhörer in ihrer Einschätzung des Gehörten überraschend differenziert. Viele sind der Meinung, man müsse in der Aussage klare Kante zeigen, aber viele sehen es wie Christine Heiss aus Riedering: Auch wenn man manche Wortwahl hätte…

Fortsetzung auf Seite 12

…überdenken können, sei es wichtig, den Zweifel am Sinn und das Unbehagen mit dem Ablauf eindeutig zu formulieren. Manfred Panhans aus Stephanskirchen hätte sogar erwartet, dass man noch deutlicher wird, um die Unzufriedenheit klar zu machen. Christopher Heil aus Rohrdorf dagegen zeigt sich zufrieden, dass nicht nur Schlagworte geboten waren, sondern auch Argumente, die für ihn überdies neu gewesen seien. Natürlich müsse man die noch überprüfen, aber für ihn gilt wohl, was Stephanskirchner Bürgermeister Rainer Auer als sein Fazit der Veranstaltung sieht: „Dass viele tatsächlich informierter heimgehen, als sie gekommen sind.“ Auf die Frage, warum er selbst an der Demonstration teilnimmt, antwortet er: „Weil es auch für mich klar ist, dass man heute schon den Verkehr auf die Schiene verlagern könnte, es aber nicht tut. Damit wird die Aussage, die Trassen wären notwendig für die Verlagerung, ein Gerede ohne Substanz – und dafür sollen wir dann unsere Gemeinden spalten lassen? Das kommt gar nicht in Frage.“

Aber kann die Demonstration tatsächlich etwas verändern? Susanne Reck, die in Thansau einen Bauernhof betreibt und damit vom Trassenbau möglicherweise unmittelbar betroffen ist, zeigt sich skeptisch: „Ich glaube, dass das Projekt als Ganzes im Grunde schon durch ist, dass allenfalls noch im Einzelnen ein paar Änderungen möglich sind.“ Warum sie trotzdem zusammen mit ihrer Tochter ein Protestschild gemalt hat und an der Veranstaltung teilgenommen hat? „Weil ich deutlich machen will, dass ich mit dem Projekt nicht einverstanden bin, egal wo die Trasse letztendlich verläuft – und zornig darüber, wie das Ganze durchgezogen wird. Es soll niemand sagen können, dass es da im Grunde doch gar kein Widerstand gibt.“

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