Brenner-Nordzulauf

„Region wünscht sich Klarheit“

von Redaktion

Bahn nimmt zu sieben Fragen Stellung

Rosenheim/Inntal – Seit gestern liegen die Trassenvarianten des Brenner-Nordzulaufs auf dem Tisch. Aus den Vorschlägen soll sich in den nächsten zwei Jahren die eine, endgültige Variante herausschälen. Bürger, Bürgermeister, Fachleute und Interessierte sind nun aufgerufen, sich zu Wort zu melden. Vorab hat die Pressestelle der Deutschen Bahn AG einige Fragen mit Antworten dazu freigegeben. Hier die ungekürzte Version für die Leser der Heimatzeitungen.

Reichen die Kapazitäten auf der vorhandenen Strecke nicht aus?

Auf den zwei bestehenden Gleisen können rechnerisch 260 Züge am Tag fahren. Gegenwärtig sind es knapp 190. Allerdings sind in den für den Güterverkehr interessanten Tageszeiten nur noch wenig Kapazitäten frei.

Worauf beruhen die Prognosezahlen, die als Grundlage für die neuen Trasse dienen?

In Deutschland erhält die DB vom Bund den Auftrag, zwei neue Gleise zu planen. Basis ist der Bundesverkehrswegeplan 2030 und die dafür ebenfalls vom Bund vorgenommene Prognose der Verkehrsentwicklung der kommenden Jahre und Jahrzehnte. Dies korrespondiert bei internationalen Strecken auch mit dem erwarteten grenzüberschreitenden Verkehr und den Wachstumspotenzialen auf den europäischen Bahnachsen.

Warum wird mit 400 Zügen geplant?

Der Ausbau des Brenner-Nordzulaufs ist ein sehr langfristiges Projekt. Heutige Zugzahlprognosen stellen kaum den Zeitraum bis zur Inbetriebnahme eines Neubauabschnittes dar. Neue Bahnstrecken sind aber mit einer Lebensdauer für mehrere Generationen angelegt. Deshalb ist es vernünftig, entsprechende Leistungsreserven zu berücksichtigen. Aus diesem Grund wurde für unsere Planungen ein Schienenverkehr von 400 Zügen je 24 Stunden an der Grenze bei Kufstein definiert.

Wie werden Anwohner vor Bahnlärm geschützt?

Auf mehreren Wegen: Erstens werden Güterzüge leiser. Ab 2020 ist es in Deutschland gesetzlich verboten, laute Güterwagen einzusetzen. Die DB hat bereits 70 Prozent ihrer Wagen (Stand Anfang 2018) auf moderne Flüsterbremsen umgerüstet. Fachleute erwarten auf diese Weise eine Halbierung des Zuglärms.

Entlang der Bestandsstrecke zwischen Trudering und Kiefersfelden wird es zusätzlich zum freiwilligen Lärmsanierungsprogramm des Bundes weitere Schallschutzmaßnahmen geben. Bei Streckenaus- und -neubauten gelten strenge Vorschriften zur Lärmvorsorge – etwa mit Schallschutzwänden und -fenstern.

Kommt es wirklich zu einer Verlagerung von Verkehr auf die Schiene?

Als umweltfreundliches Verkehrsmittel hat die Bahn Vorteile. Die Staaten wollen über verkehrslenkende Maßnahmen, wie z. B. der Halbierung der Schienenmaut in Deutschland, die Verlagerung auch wirtschaftlich attraktiv machen. Neue und schnelle Strecken verkürzen die Reisezeit. Personenzüge können mit dem Brenner Basistunnel (BBT) mehr als eine Stunde schneller in Italien sein. Güterzüge können künftig länger werden, weil sie keine Steigungen mehr überwinden müssen.

Was bewirkt der Bürgerdialog wirklich?

Mit einer frühen Beteiligung der Bürger an der Trassenauswahl möchte die Bahn Transparenz schaffen und das lokale Wissen aus der Region für eine bessere Planung nutzen. Am Beispiel des Kriterienkataloges kann man nachvollziehen, dass rund die Hälfte der Indikatoren von Teilnehmern der Gemeindeforen verändert wurden. Die Trassenvarianten werden anhand dieser Kriterien bewertet.

Sind die Gremienrunden nur Alibi-Veranstaltungen?

Es wurden externe Moderatoren und Experten engagiert, die das Beteiligungsverfahren nach einem international vielfach bewährten Muster durchführen. Die Bahnen haben ein Interesse daran, dass frühzeitig „alles auf den Tisch“ kommt. Nur so können eventuell unterschiedliche Interessen ausgeglichen und eine möglichst verträgliche Trasse gefunden werden.

Die Erfahrung aus anderen Projekten zeigt, dass die Gemeindeforen Einfluss auf die Planungen haben. So wird am Semmering Basistunnel in Österreich derzeit ein Trassenvorschlag realisiert, den der Fachplaner so nicht vorgesehen hatte.

Gibt es viel Streit im Dialog?

Es sind – ganz logisch – unterschiedliche Sichtweisen vorhanden. Umso wichtiger ist es, dass konstruktive Gespräche und Diskussionen über das „Wie“ eines Trassenverlaufs geführt werden und nicht über das „Ob“.

Warum wird den Foren nicht mehr Zeit gewährt?

Die DB hat den Auftrag des Bundes, umzusetzen und muss dabei im Auge haben, dass Bahnprojekte einen langen Planungs- und Realisierungszeitraum haben. Viele Anwohner im Inntal wollen inzwischen nicht mehr abwarten, sondern konkret über Trassenvarianten sprechen, um mehr Gewissheit zu bekommen. Das zeigen auch die Gespräche mit den Bürgern im Infobüro: Die Region wünscht sich Klarheit.

Wie lange benötigt die Bahn für den Neubau?

Große Verkehrsprojekte brauchen in Mitteleuropa mit ihren vielen Planungs- und Genehmigungsschritten rund zwei Jahrzehnte. Dabei nimmt die reine Bauzeit meist den geringeren Anteil ein. Die Bahn geht in Etappen vor. Im nächsten Schritt soll dann 2020 die Trassenauswahl abgeschlossen sein. Dann folgen eine politische Befassung und Entscheidung. Weiter geht es mit Raumordnung, vertiefenden Planungen und Planfeststellung. Die Bauarbeiten werden sich vermutlich vor allem im übernächsten Jahrzehnt abspielen. Eine Fertigstellung ist frühestens zehn Jahre nach dem BBT realistisch. ske

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