Rosenheim/Inntal – An jenem Montag, 18. Juni, soll es soweit sein: Die ersten Variantenvorschläge kommen auf den Tisch. Das werde dann der Startschuss zur eigentlichen Trassendiskussion sein, so der Bahnsprecher. Im Jahr 2020 soll diese Diskussion dann abgeschlossen werden. Der eine, entscheidende Trassenvorschlag soll sich dann herausgeschält haben. Dieser wird anschließend an die parlamentarischen Gremien zur Entscheidung übergeben. Sollte von dort „grünes Licht“ kommen, werden weitere Feinplanungen an der Trasse vorgenommen. Schließlich geht die Entwurfsplanung in das Planfeststellungsverfahren mit Bürgerbeteiligung über. Sollte auch von dort eines Tages „grünes Licht“ kommen, geht es an die Umsetzung und schließlich an den Bau der Trasse. Soweit der weite Blick in eine noch völlig offene Zukunft.
Ein wichtiges Element bei diesem Großprojekt – es zählt neben der Fehmarn-belt-Querung und dem Baltikum-Korridor (Baltisch-Adriatische Achse von Danzig nach Rimini) zu den drei ganz großen Verkehrsprojekten der EU – ist die Bürgerbeteiligung. „Wir haben noch keine Erfahrung mit diesem Instrument“, geben Gruber und Lindemair bei der gestrigen Pressekonferenz zu. „Doch die ersten Erfahrungen, die wir in den Foren gemacht haben, sind durchaus ermutigend“, sagt Projektleiter Gruber. Natürlich gebe es auch Stimmen, die nicht zufrieden mit dem bisherigen Stand, aber dennoch „von uns absolut Ernst zu nehmen“ sind. „Wir versuchen, die Kritiker ins Boot zu holen und den gemeinsamen Dialog nicht abreißen zu lassen.“
Vorreiter in Sachen Bürgerdialog ist das Land Tirol. Ingenieur Martin Gradnitzer, Trassen-Projektleiter auf österreichischer Seite, legt dar, wie man zusammen mit den Bürgern an das Trassenauswahlverfahren herangegangen ist. Grundsätzlich, so sagt er, stoße die Idee „Schiene vor Straße“ bei den Bürgern vom Inntal in Langkampfen bis ins Wipptal auf offene Ohren. Die aktuelle Blockabfertigung sei ein Ausdruck davon.
Nachdem ein Kriterienkatalog als Beurteilungsgrundlage in den Foren erarbeitet worden war, wurden schließlich für den Abschnitt Schaftenau bis Radfeld 13 Varianten vom Planer erarbeitet und auf den Tisch gelegt. „Anschließend konnten Behörden, Bürger, Bürgermeister, aber auch Fachleute wie Geologen ihre Einwände zu den einzelnen Trassen darlegen und ihre Favoriten benennen“, so Gradnitzer. Interessant: Im Falle von Schaftenau etwa mussten die Geologen den Untergrund neu bewerten, denn Probebohrungen hatten ergeben, dass sich ein völlig anderes Bild präsentierte, als sie bislang angenommen hatten. „Deshalb sind diese zusätzlichen Erkundungsbohrungen durchaus notwendig, um ein insgesamt rundes Bild zu bekommen“, so der Projektleiter.
„Und genau an diesem Punkt werden wir im bayerischen Inntal in Kürze ebenfalls stehen“, macht der Projektleiter auf bayerischer Seite, Torsten Gruber, deutlich. „Mehrere Varianten werden von den Planern vorgelegt und das Pro und Kontra erläutert.“ Damit sei man auf der – zugegeben ersten – Zielgeraden: der Diskussion um die bestmögliche Variante. Gruber: „Hier werden dann all jene Argumente von Anwohnern gehört, gesammelt und letztlich auch bewertet. Die persönliche, sensible Gewichtung wird in das Auswahlverfahren einfließen.“
In einem nächsten Schritt werden die Trassenvarianten reduziert. „In Tirol haben wir für die Diskussion und die Abschmelzung der Varianten rund zweieinhalb Jahre gebraucht“, sagt Gradnitzer. Vier Varianten seien von den einst 13 übrig geblieben. „Diese vier wurden dann nochmals vertieft überplant, bis schließlich die eine Vorschlagstrasse vorlag.“
Und so werde auch der Ablauf des Dialogverfahrens für das bayerische Inntal sein, macht der Bahnpressesprecher deutlich und schiebt nach: „Das Ziel wird die wirtschaftlichste Variante einer Mischverkehrstrasse sein. Auf dieser werden sowohl Güterzüge als auch ICEs mit maximal 230 km/h Geschwindigkeit fahren.“