Bahn gewährt Einblick in Erneuerungsarbeiten

Nostalgie beim Oberleitungsbau

von Redaktion

Während einige Pendler an den Oberleitungs-Bauarbeiten zwischen Rosenheim und Grafing schwer zu knabbern haben, arbeiten die Monteure an der Strecke mit schwerem Gerät. Wie genau das vonstatten geht, das haben Verantwortliche der Deutschen Bahn nun bei einem Pressetermin erläutert.

Ostermünchen – In Schrittgeschwindigkeit schleicht ein aufgegleister, gelber Unimog auf den Bahnübergang bei Vogl zwischen Jarezöd und Großkarolinenfeld zu. Rückwärts. Die beiden hellen Lichtkegel der runden Scheinwerfer stechen durch den Schleier aus strömendem Regen. Auf einer ausgefahrenen Hebebühne stehen zwei Männer in oranger Warnbekleidung und hantieren an den bereits aufgezogenen Oberleitungen. „Die bringen unter anderem Isolationen und Stromverbinder an“, erklärt Thomas Busse, Regionalleiter bei der Firma SPL Powerlines Germany, die die DB Netz AG mit den Baumaßnahmen zwischen Rosenheim und Grafing beauftragt hat. Die Feinjustierung.

Wie berichtet, werden auf besagtem Streckenabschnitt gegenwärtig die Oberleitungen erneuert, deren Masten noch aus den 1930er-Jahren stammen. Bereits während der vergangenen zwei Jahre wurde in Nachtschichten ein Großteil der Masten erneuert. Jetzt werden Ausleger, Tragseil und Fahrdraht ausgetauscht. Aus Sicherheitsgründen tagsüber – die jeweilige Strecke ist währenddessen blockiert und logischerweise gesperrt.

Um eine Vollsperrung der stark frequentierten Linie zu vermeiden, werden die Arbeiten allerdings – anders als ursprünglich geplant – nicht in beiden Richtungen gleichzeitig, sondern nur eingleisig durchgeführt. Dadurch verlängert sich jedoch der Bauzeitraum. Das ist zwar bisweilen ein Ärgernis für die Pendler, dennoch aber das wohl kleinere Übel. Und: „Wir liegen gut in der Zeit“, sagt Busse. Heißt: Ab dem 5. August fahren Meridian und Co. wieder wie gewohnt.

Die Kapuze ob des Regens tief ins Gesicht gezogen, fährt der Oberleitungsmonteur, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, die Hebebühne nach oben bis zum Ausleger in rund fünfeinhalb Metern Höhe. „Zuuuug“, schreit ein Mann in gelber Warnkleidung, die Sicherungsaufsicht, nach oben. Keine zehn Sekunden später rauscht der Meridian mit 120 Sachen vorbei. Der Fahrtwind bläst den Arbeitern Regen ins Gesicht. Trotz Kapuze.

Nachdem der Zug die mobile Baustelle passiert hat, bringt der Monteur, mit einer Hand auf das Geländer gestützt, ein zackiges Draht-Gestell an der Gummi-Isolation an. „Das ist ein Vogelschutz“, erklärt Bernd Honerkamp, Bayern-Sprecher der Deutschen Bahn. Ohne die Vorrichtung würden die Tiere immer wieder Kurzschlüsse an der Oberleitung und damit Störungen verursachen. „Die liegen dann verkohlt am Boden.“ Unschön, für Mensch und Tier.

Die Monteure arbeiten in drei Schichten pro Tag – bis zu 22 Mann rund um die Uhr. Rund 1200 Meter schaffen sie am Tag. Dabei ist Präzision gefragt: Da sich der Fahrdraht, in der Regel eine Kupfer-Silber- oder Kupfer-Magnesium-Legierung, je nach Temperatur ausdehnt oder zusammenzieht, gilt es, die Vorrichtung genau zu justieren. „Die Gewichte für den Fahrdraht, die Ausleger und die Stromverbinder werden anhand von Temperaturtabellen eingestellt“, erklärt der Monteur. Und zwar so, dass konstant eine Spannung auf 1000 Kilogramm Zuglast gehalten werden kann.

Vor der Feinjustierung geht es ans Grobe – Fahrdraht und Tragseil müssen montiert werden. Und da kommt ein DDR-Relikt zum Einsatz. Ein alter Bahnwagen. „Der hat oben eine 18-Meter-Bühne und kann eine zweite Bühne seitlich ausfahren“, sagt Regionalleiter Busse. Gezogen wird das Dreier-Gespann von einem rund 750000 Euro teuren Unimog. In der Mitte fährt der Trommelwagen mit sechs Fahrdraht- und Tragseil-Rollen, und hinten der Bahnwagen. Ein Stück Nostalgie beim Oberleitungs-Bau.

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