„Den Sozialstaat modernisieren“

von Redaktion

SPD-Bundesvize Ralf Stegner spricht beim Bierfest in Rott – Kritik an umstrittenem Polizeiaufgabengesetz

Rott – Sechs Jahre ist es her, dass beim Rotter Bierfest ein „Roter“ auf der Bühne stand. Dafür schaffte es heuer gleich ein echter SPD-Hochkaräter ans Rednerpult: Ralf Stegner, stellvertretender SPD-Vorsitzender und Landes- sowie Fraktionsvorsitzender der SPD Schleswig-Holstein. Was einen Sozialdemokraten dazu bringt, der Strauß’schen CSU-Hochburg einen Besuch abzustatten? Offenbar Missionsarbeit: „Wenn der Söder in seinem Kinderzimmer stets ein Plakat von Franz-Josef Strauß hängen hatte, dann kann sich so etwas schon auf die Psyche niederschlagen“, sagte Stegner. „Hätte er doch besser ein Poster von Winnetou hingehängt, denn die Roten sind die Guten.“

Zunächst hatten jedoch Stegners regionale Genossen das Wort: SPD-Ortsvorsitzender Christoph Sewald begrüßte die Gäste, darunter auch SPD-Kreisvorsitzende Alexandra Burgmaier, die als Erste zum Rednerpult schritt und sich kämpferisch zeigte: „Die CSU kann nicht mehr sicher sein, eine absolute Mehrheit einzufahren und mit jedem Schmarrn durchzukommen – etwa mit ,Kreuzzügen‘ in bayerischen Ämtern.“ Die Politikerin, die sich im Stimmkreis Rosenheim-West um das Direktmandat für den Landtag bewirbt, appellierte an die Wähler, den Botschaften der SPD Gehör zu schenken. Schließlich fordere diese Verbesserungen etwa beim öffentlichen Nahverkehr, bei der dualen Ausbildung, bei der Vereinfachung von Bauvorschriften oder bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum: „Zuerst kommt der Mensch, dann die Natur und die Umwelt“, stichelte sie gegen die Grünen.

Stegner, der Hauptredner, griff Söders „Kreuzzug“ noch einmal auf und erinnerte daran, dass gegen diese Instrumentalisierung christlicher Symbole für den Wahlkampf sogar die Katholische Landjugend und Kardinal Marx protestiert hätten: „Wir dürfen Leute nicht ausgrenzen, die nicht an das Kreuz glauben“, forderte er.

Hart ging Stegner im gut gefüllten Rotter Festzelt mit dem umstrittenen Polizeiaufgabengesetz ins Gericht: „Ein Staat, der alle Bürger als Gefährdung ansieht, ist selbst ein Gefährder“, findet er. „Wer die Sicherheit gegen die Freiheit ausspielt, der zerstört schlussendlich beides.“ Es sei an der Zeit, dass bei der Landtagswahl am 14. Oktober der Stimmzettel zum Denkzettel für die CSU werde.

Überhaupt sparte Stegner nicht mit Kritik an den Christsozialen: Mit Wohnraum zu spekulieren, wie es seitens der CSU geschehe, sei genauso wenig die Zukunft Bayerns wie die ständige Gleichsetzung Bayerns mit der CSU. Und schon gar nicht sollten Politiker wie Dobrindt Parolen der Rechten übernehmen. Das Land brauche Einwanderer und Asylbewerber. Diese dürfe man nicht gegen Facharbeiter ausspielen. Vielmehr müsse gegen Fluchtursachen vorgegangen werden.

Forderung nach einer Kultur der Vernunft

„Wir brauchen eine funktionierende Armee, aber keine neue Aufrüstung, wir brauchen eine Kultur der Vernunft, der Abrüstung, der Diplomatie – aber keine neue Leitkultur-Debatte.“ Und: „Es gibt keine Obergrenze für Menschlichkeit“, betonte Stegner.

Politische Parteien, stellte Stegner klar, seien kein demokratischer Lieferservice. Die Bürger müssten dafür schon etwas tun. „Ihr Demokratie-Arbeiter in den Parteien, Ihr habt viel mehr Lob verdient“, rief er ins Publikum. Stegner wandte sich gegen Lethargie bei Wahlen und machte zudem auf die ungute Konstellation von geringer Wahlbeteiligung bei steigenden Erfolgen rechter Parteien aufmerksam.

Die SPD stelle sich ihrer Verantwortung. Sie setze sich dafür ein, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können, Dumpinglöhne dürfe es in Bayern nicht länger geben. „Es ist unsere dringlichste Aufgabe, den Sozialstaat zu modernisieren und den Menschen attraktive Chancen für die Gestaltung ihrer Zukunft zu eröffnen“, betonte Stegner. Dazu gehöre aber auch eine breite Basis solidarischer Absicherung. Menschen müssten für Menschen einstehen und sich solidarisch zeigen. „Wir haben kein Recht dazu“, zitierte Ralf Stegner den einstigen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme, „unseren Kindern weniger Perspektiven zu bieten, als wir selbst gehabt haben.“

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