Prozess um Unfalltod zweier junger Frauen vom Samerberg wieder aufgenommen

„Es war wie eine Jagd“

von Redaktion

Vier Zeugen haben jetzt den Verdacht, dass ein illegales Autorennen im November 2016 zum Tod zweier junger Menschen vom Samerberg geführt hat, bei der Wiederaufnahme des Prozesses am Rosenheimer Amtsgericht erhärtet. Auch einer der Angeklagten hat sich erstmals persönlich geäußert.

Rosenheim/Samerberg – Einen größeren Kontrast könnten die zwei Angeklagten – der 24-jährige Daniel R. aus Kolbermoor und der 25-jährige Simon H. aus Ulm – kaum bilden. Während der Kolbermoorer scheinbar teilnahmslos den Prozess verfolgt und hin und wieder an den Löchern seiner Designerjeans spielt, kann der 25-jährige Ulmer bei der Verlesung der Anklage seine Tränen nicht zurückhalten.

Beiden Angeklagten wird vorgeworfen, am 20. November 2016 durch ein riskantes Überholmanöver den Tod zweier Menschen – der 15-jährigen Ramona Daxlberger und der 21-jährigen Melanie Rüth – verursacht zu haben. Simon H. war mit seinem VW Golf beim Überholen in einer Kurve auf der Miesbacher Straße in Rosenheim frontal in den Nissan der 21-jährigen Melanie gekracht. Die Samerbergerin starb noch an der Unfallstelle, ihre 15-jährige Freundin und Beifahrerin Ramona Daxlberger wenig später im Krankenhaus. Nur Magdalena Daxlberger, Ramonas Schwester, überlebte schwerstverletzt. Der Angeklagte Simon H. soll sich nach Ansicht der Nebenkläger ein Rennen mit Daniel R. und einem weiteren BMW-Fahrer geliefert haben und beim Überholvorgang vom Kolbermoorer, gegen den im Herbst 2017 zunächst getrennt verhandelt worden war, behindert worden sein.

Während der BMW-Fahrer aus Kolbermoor wie bereits im Herbst Angaben zum Hergang verweigerte, zeigte sich der Ulmer bei der Schilderung des Unfalls durch Staatsanwalt Jan Salomon nicht nur sichtlich betroffen, sondern teilte über seinen Anwalt auch mit, zur Aufklärung beitragen zu wollen. „Er schafft es leider nicht, sich selbst zu äußern“, erklärte Anwalt Stephan Rochlitz für seinen Mandanten. „Er weiß aber, dass er sehr große Schuld auf sich geladen hat, und möchte die Angehörigen um Entschuldigung bitten.“

Lücke zum Einscheren war zu klein

Zum Unfallhergang gab er an, den beiden BMW, die er vor dem Zusammenstoß überholt hatte, erst an der Panorama-Kreuzung begegnet zu sein. Diese hätten ihn zunächst überholt, da er nach eigenen Angaben wohl als Ortsunkundiger zu langsam auf der Straße unterwegs gewesen sei. Nachdem er nach einigen 100 Metern auf die beiden dunklen, getunten Fahrzeuge aufgeschlossen habe, habe er selbst zum Überholen des ersten Fahrzeugs angesetzt. „Dort war die Lücke zum Einscheren zwischen den beiden BMW aber zu klein“, so dessen Anwalt, weshalb sein Mandant schließlich versucht habe, auch den zweiten BMW zu überholen, bevor es zum Frontalzusammenstoß kam. Er könne sich zwar nicht an eine Provokation der BMW-Fahrer erinnern, antwortete aber auf die Frage, ob das Fahrverhalten der Autos eine Art Herausforderung zum Rennen gewesen sei, selbst mit den Worten „das kann sein“.

Auch vier der fünf am ersten Verhandlungstag aufgerufenen Zeugen erhärteten bei vielen Zuhörern die Einschätzung, dass sich an diesem Abend Tuner ein Rennen durch Rosenheim und die Umgebung geliefert haben. So gab eine 55-jährige Zeugin aus Rosenheim vor dem Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Christian Merkel an, dass ihnen der rote Golf GTI des Ulmers sowie zwei dunkle, getunte Fahrzeuge – darunter ein BMW – bereits gegen 20.15 Uhr durch deren rasante Fahrweise in Pfraundorf bei Raubling aufgefallen seien. Auch den Angeklagten Daniel R. wolle sie als Fahrer eines der BMW erkannt haben. Ein anderer Zeuge – ein 44-jähriger Vogtareuther – gab an, kurze Zeit vor dem Unfall von zwei langsam und nebeneinander fahrenden BMW auf der B15 zwischen Raubling und Rosenheim blockiert worden zu sein. „Ich habe bremsen müssen, weil die zwei die Straße zugemacht haben“, sagte der Mann, der allerdings in kleinen Details leicht abweichende BMW-Modelle und Kennzeichen erkannt haben will.

Kurz vor dem tödlichen Aufeinandertreffen sind dann einer weiteren Zeugin – einer 47-jährigen Rosenheimerin – drei Autos im Bereich der Panorama-Kreuzung aufgefallen, die „gefühlsmäßig viel zu schnell und ganz knapp hintereinander“ gefahren seien. Auch sie hat nach eigenen Angaben einen roten Golf sowie einen BMW erkannt: „Das war wie eine Jagd zwischen den Fahrzeugen“, so die Einschätzung der 47-Jährigen.

Hoffnung bei

den Angehörigen

Nach dem Auftakt – der Prozess wird am Donnerstag fortgeführt – zeigten sich die Eltern der beiden getöteten Mädchen, die mit einem Foto ihrer beiden Töchter in den Gerichtssaal gekommen waren und den Angeklagten R. damit konfrontierten – hoffnungsvoll, dass die Wahrheit über den tragischen Unfall nun ans Licht kommen wird.

„Wir sind froh, dass der Angeklagte aus Ulm nicht ebenso schweigt wie der Angeklagte R.“, so Kerstin Rüth gegenüber den OVB-Heimatzeitungen. Ramonas Mutter Manuela Daxlberger hofft nun, dass Simon H. durch weitere Aussagen noch mehr Licht ins Dunkel bringen wird: „Vielleicht können wir ihm dann irgendwann verzeihen und er besser mit seiner Schuld leben.“

Erneut an Rennen beteiligt

Ob sich der 24-jährige Daniel R. aus Kolbermoor durch ein illegales Straßenrennen schuldig am Tod der beiden jungen Frauen vom Samerberg gemacht hat, muss das Rosenheimer Amtsgericht in den kommenden Wochen klären. Tatsache ist aber, dass der Kolbermoorer – wie gestern kurz vor Prozessbeginn exklusiv auf der Facebook-Seite der OVB-Heimatzeitungen berichtet – jüngst wieder auffällig geworden ist. Er wurde am 4. April von der Polizei in Rosenheim als Beteiligter eines Autorennens gestoppt.

Eine Polizeistreife hatte am vergangenen Mittwoch gegen 0.30 Uhr zwei BMW mit überhöhter Geschwindigkeit von der Enzenspergerstraße in die Äußere Münchener Straße einbiegen sehen, wobei die beiden Fahrer versuchten, sich gegenseitig zu überholen. Nach der Fahrt durch die Innenstadt unternahmen sie selbst an der Steigung des Brückenbergs weitere Überholmanöver. Nach Überquerung des Brückenbergs ging die Fahrt weiter Richtung Hubertusstraße, wo die Fahrer nach links abbogen und gegenseitig versuchten, sich den Weg abzuschneiden. „Es ist nur dem Zufall zu verdanken, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer verletzt wurde“, kommentierte die Polizei Rosenheim den Irrsinn, der erst endete, nachdem die Beamten einen der Fahrer – den 24-jährigen Kolbermoorer – an der Ampel am Kardinal-Faulhaber-Platz in Rosenheim stoppen konnten (wir berichteten).

Bei der Vernehmung durch die Polizei zeigte sich der BMW-Fahrer völlig uneinsichtig. Laut Unterlagen, die dem OVB vorliegen, erklärte der 24-Jährige bezüglich des Tatvorwurfs, dass „das alles lächerlich ist, was die Beamten machen“.

In einem späteren Telefonat mit einem Bekannten im Beisein der Beamten, das die Polizisten schriftlich festhielten, äußerte der Kolbermoorer Daniel R. gegenüber seinem Gesprächspartner: „Jetzt haben sie mir schon wieder den Führerschein genommen. Aber das ist mir egal. Ich geb‘ meinen Führerschein einfach freiwillig für drei bis vier Jahre ab. Dann kaufe ich mir einen Lambo und penetrier sie richtig.“ mw

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