Politischer Aschermittwoch in der Region

Die „GroKo“ und die nächste Wahl

von Redaktion

Die neue Bundesregierung hat fünf Monate nach der Wahl noch nicht einmal ihre Geschäfte aufgenommen. Trotzdem prägte nicht nur das Gezerre um die Große Koalition, sondern schon die Landtagswahl den politischen Aschermittwoch der Parteien im Landkreis. Die Kandidaten nutzten die Chance, sich zu positionieren.

CSU: „Mittelstand nicht vergessen“

„Wir müssen mehr für die arbeitende Mitte tun“, forderte der CSU-Ortsvorsitzende von Rosenheim, Daniel Artmann, bei der Veranstaltung des CSU-Kreisverbandes im Happinger Hof. Der 29-jährige Artmann weiß als junger Familienvater, wovon er spricht: In Rosenheim sei es für Normalverdiener kaum noch möglich, sich aus eigener Kraft ein Eigenheim zu schaffen, bedauerte der Listenkandidat für die Landtagswahl im Oktober. Die im Koalitionsvertrag von der CSU durchgesetzten steuerlichen Anreize für Grundeigentümer, mehr Flächen für den Wohnungsbau zu verkaufen, hält Artmann für einen wichtigen Lösungsansatz.

Auch Landtagsabgeordneter Klaus Stöttner, Direktkandidat für den Stimmkreis Rosenheim-Ost, richtete den Blick auf die Mitte. „Wir dürfen in Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung den Mittelstand nicht vergessen“, appellierte Stöttner. Bäcker, Metzger, Wirte: Mit dem Erhalt der sogenannten „BMW-Berufe“ stehe und falle die Zukunft des ländlichen Raums, zeigte sich Stöttner überzeugt.

Der Happinger Hof lieferte das beste Beispiel: Brechend voll war der Saal. Von einer solchen Resonanz könnten sich die „blasse SPD“ und das „FDP-Häuflein“, die nach Beobachtungen des CSU-Kreisvorsitzenden Herbert Borrmann die zentralen Veranstaltungen dieser beiden Parteien auf Landesebene geprägt hatten, eine Scheibe abschneiden.

Gemeinsam mit dem Ortsvorsitzenden Artmann servierte Borrmann in Rosenheim zum Fischessen Blasmusik der Kapelle „Am Wasn“, Kabarett mit der Rosenheimer Rathausputzfrau Franz Knarr und Politik. Auf lange Aschermittwochsreden verzichteten die im Mittelpunkt des Abends stehenden Kandidaten für die Bezirks- und Landtagswahl. Sie stellten sich stattdessen für eine Stunde in einer Talkrunde den Fragen von Moderator Christian Baab (Radio Charivari).

Zentrale Themen der Gespräche, die auf harsche Verbalattacken auf den politischen Gegner verzichteten: der neue Heimatbegriff – für Artmann, Stöttner und CSU-Bezirkstagskandidat Günther Wunsam mehr als ein Stück Lebensgefühl. Es gehe darum, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass junge Leute in der Region Rosenheim bleiben könnten – weil es hier optimale Bedingungen für das Arbeiten, Wohnen und Leben gebe. Dazu gehören nach Angaben von Wunsam auch Infrastruktureinrichtungen zur Versorgung der Bevölkerung wie das Inn-Salzach-Klinikum, das als Einrichtung des Bezirks in Wasserburg einen gemeinsamen Neubau mit dem Romed-Klinikum Wasserburg für 250 Millionen Euro erhalte. „Die beste Zeit war immer, wenn wir alleine regiert haben“, warb Stöttner für den Einsatz der Parteifreunde zum Erhalt der absoluten Mehrheit.

SPD: „Erfolgreich für die Heimat einsetzen“

Schmunzelnd blickte die Landkreis-SPD auf die bayerische Landespolitik, in der es genauso menschele wie überall und gelegentlich die Grenzen zwischen Realität und Satire fließend seien. Dies besonders, wenn der Autor Ludwig Thoma seinen fiktiven Abgeordneten Josef Filser darüber berichten lässt, wie es im Landtag zu Beginn des 20. Jahrhunderts zuging, und diese Briefe vom genialen Thoma-Interpreten Michael Lerchenberg vorgetragen werden. Das Publikum im vollen Hirzinger-Saal in Söllhuben hatte seine helle Freude an Lerchenberg, der die Boshaftigkeiten der Filser-Briefe gegenüber den damaligen Obrigkeiten so mitreißend vortrug, dass man sich in die „gute alte Zeit“ versetzt fühlte. Und doch zeigen etliche Beobachtungen des königlich-bayerischen Abgeordneten über die Zustände in Landeshauptstadt und Parlament erstaunliche Parallelen zum Hier und Jetzt, findet die SPD.

„Wenn ich in den Landtag gewählt werde, hoffe ich sehr, dass meine Briefe und Mails von dort anders klingen werden und nicht dereinst im Kabarett derbleckt werden müssen“, meinte SPD-Kreisvorsitzende und Landtagskandidatin Alexandra Burgmaier schelmisch. Und weiter: „Ich würd’s den Münchnern schon gern zeigen, wie man sich im bayerischen Landtag erfolgreich für seine Heimatregion einsetzen kann.“

Grüne: „Mehr Einfluss für Frauen in Politik“

Der Anspruch, nach der Landtagswahl erstmals Regierungsverantwortung in Bayern zu übernehmen, prägte den politischen Aschermittwoch des Grünen-Kreisverbandes im TAM OST in Rosenheim. Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen, sprach sich in ihrer leidenschaftlichen Rede auch für mehr politischen Einfluss der Frauen aus.

Angesichts des Kompromisses beim Familiennachzug für Geflüchtete blute ihr das Herz, und sie frage sich, wie ernst es einer Partei mit christlichen Werten überhaupt noch sei, „die das C nur im Namen trägt, aber nicht im Herzen“, so die kürzlich per Urwahl frisch gekürte Spitzenkandidatin der bayerischen Grünen für die Landtagswahl.

Um den ihrer Meinung nach politischen Stillstand im Freistaat zu durchbrechen, präsentierte Schulze ihre klare Zielsetzung: „Wir haben in Bayern eine wunderschöne Natur, sehr langsames Internet, ein löchriges Mobilfunknetz und wenige Busverbindungen. Und die letzten drei Dinge werden wir ab Herbst 2018 ändern“, versprach die Grünen-Politikerin.

Die agrarpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Gisela Sengl, forderte in ihrer Rede mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und Wertschätzung für ökologisch hergestellte Produkte. Mit den beiden Stimmkreiskandidaten für die Landtagswahl, Martin Knobel und Leonhard Hinterholzer, widerlegte Sengl im Rahmen eines fiktiven Wirtshausgesprächs mit Fakten und einem Schuss Humor so manches der gängigen Klischees über grüne Politik.

FDP: „Digitale Diaspora“

Scharfzüngige Kritik an der Großen Koalition gab es beim politischen Aschermittwoch der Rosenheimer FDP. Parteivize Marie-Agnes Strack-Zimmermann sowie die Landtagskandidaten Martin Hagen und Michael Linnerer sorgten für ausgelassene Stimmung unter den rund 70 Gästen im Rosenheimer Wirtshaus „Zum Augustiner“.

Hart ging Strack-Zimmermann mit CDU, CSU und SPD ins Gericht: „Die Selbsthilfegruppe der Wahlverlierer schickt sich an, die Zukunft Deutschlands zu gestalten.“ Den Bundestag schilderte die frischgebackene Abgeordnete als „digitale Diaspora“: Nicht mal WLAN gebe es, Formulare würden immer noch per Fax übermittelt. Für die FDP, die sich als Partei der Digitalisierung versteht, ein Unding: „Wir haben jetzt Router an die Wand getackert.“

Martin Hagen, der sich um die Spitzenkandidatur der FDP zur Landtagswahl bewirbt, nahm in seiner Rede die CSU aufs Korn. „Die Vorstellung, mit Söder auf eine Bühne zu müssen – das war wohl zu viel für Seehofers Immunsystem“, sagte er mit Blick auf die krankheitsbedingte Absage des Ministerpräsidenten beim Aschermittwoch in Passau. Die Große Koalition nannte er „eine Art SPD-Alleinregierung, bei der man Angela Merkel erlaubt, einmal im Jahr die Neujahrsansprache zu halten.“ Viel mehr habe die Union nicht durchsetzen können.

Michael Linnerer, Landtagskandidat für Rosenheim-West, kritisierte Politiker, „die in jeder Talkshow sitzen, aber kein Interesse an den Sorgen ihrer Mitmenschen haben“. Es sei Zeit für eine neue Politik in Bayern, betonte er.

ÖDP: „Glyphosatfreien

Landkreis schaffen“

Im vollen Gasthaus Höhensteiger sprach sich ÖDP-Landtagskandidat Ludwig Maier für die Schaffung eines glyphosatfreien Landkreises Rosenheim nach Vorbild des Kreises Miesbach aus. Maier lobte die Molkerei Berchtesgaden, die nur noch Milch von glyphosatfreien Höfen annimmt. Das gilt es zu unterstützen und nicht auszubremsen, wie zuletzt durch Agrarminister Schmidt geschehen, sagte Maier.

Für den Hochwasserschutz brauche es mehr Wasserrückhalteflächen sowie eine ausreichende Entschädigung der Landwirte. Der ÖDP-Politiker rief dazu auf, das Volksbegehren gegen Betonflut zu unterstützen. In dem Zusammenhang wandte Maier sich sowohl gegen den Bau einer autobahnähnlichen B15 Neu, als auch gegen den geplanten Ausbau der Brenner-Zulaufstrecke. Zudem will er sich für die Wiedereinführung des dreijährigen Landeserziehungsgeldes einsetzen.

Meeresbiologin Julia Hager wies mit Bildern auf die bedrohliche Verschmutzung der Weltmeere durch Plastikmüll hin. Alexandra Stibane stellte ihren Rosenheimer Laden „Nimms Lose“ vor, der von der Anlieferung bis zum Verkauf ohne Plastikverpackung auskommt.duc/re