Weihnachtsaktion „OVB-Leser zeigen Herz“

Die Melodien des Lebens

von Redaktion

Die Gesundheit geht mit den Jahren dahin. Aber schöne Erinnerungen kann einem keiner nehmen. Und sie haben etwas Verbindendes, wie der Erfahrungsbericht von Hospizbegleiterin Brigitte S. deutlich macht.

Rosenheim/Traunstein – Die Weihnachtsaktion „OVB-Leser zeigen Herz“ ist diesmal der Hospizbewegung in der Region gewidmet. Brigitte S. ist eine Frau der ersten Stunde. Seit vielen Jahren ist sie dabei. Für die Leserinnen und Leser schildert die erfahrene Hospizbegleiterin eine Begegnung aus diesem Jahr, beispielhaft auf den Punkt bringt, worum es bei der Hospizarbeit geht.

Es ist das Frühjahr 2017, die Einsatzleitung fragt, ob Brigitte S. sie eine Begleitung übernehmen kann – nicht weit von daheim weg. Es handelt sich um eine Krebspatientin, die auf der Palliativstation medikamentös eingestellt und nach Hause entlassen worden ist. Dort will sie ihr Ehemann pflegen.

Brigitte S. sagt gerne zu. Den Erstbesuch zum „Beschnuppern“ macht sie zusammen mit ihrer Einsatzleiterin. „Ich hatte sofort das Gefühl, beim Ehepaar P. willkommen zu sein“, erinnert sich die Hospizbegleiterin.

Als sie das zweite Mal kommt, schläft Frau P. noch. So kann Brigitte S. mit Herrn P. über seine Situation sprechen. Er erzählt, dass er seine Frau schon vor dem Aufenthalt auf der Palliativstation eine Zeit lang gepflegt hat. P. betont, wie froh er ist, nun Unterstützung zu bekommen, um auch mal etwas für sich tun können – und sei es nur ein Spaziergang oder ein Einkauf, ohne sich Sorgen machen zu müssen.

Auf der Palliativstation haben ihm Brückenschwestern zuvor versichert, dass er sie jederzeit anrufen kann. Brückenschwestern organisieren und begleiten die Überleitung schwerstkranker Patienten von der Klinik nach Hause. Sie haben P. auch vom Pflegedienst, vom Hospizverein und vom SAPV-Team erzählt. SAPV steht für spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Das Team stellt sicher, dass ein Palliativarzt kommt, wenn die Schmerzen zu stark werden.

Ein ganzes Netzwerk steht also parat. So entschließt sich P., seine Frau nicht in ein Heim zu geben und stattdessen zu Hause zu pflegen. Brigitte S. bekommt von ihm die Anweisung, seiner Frau genau um 16 Uhr ihre Medizin in einem Glas Wasser zu geben. P. zeigt ihr die Telefonliste mit seiner Handynummer und anderen wichtigen Nummern. Er freut sich, für eine Weile das Haus verlassen zu können. Und dann geht er.

Als Frau P. aufwacht, ist sofort Vertrauen zwischen den etwa gleichaltrigen Frauen spürbar. Sie tauschen Erinnerungen an ihre Jugend- und Nachkriegszeit aus. Frau P. erzählt, wie schwer es war, sich um mehrere jüngere Geschwister zu kümmern. Aber sie hat es geschafft. Und das macht sie stolz.

Auch ihr späteres Leben hat sie tatkräftig und mutig in die Hand genommen, sich allen Herausforderungen gestellt und mit ihrem Mann viele gute Jahre verbracht, mit allen Höhen und Tiefen. Es gibt viele Erinnerungen an ein erfülltes Leben, „und das machte jedes unserer Treffen trotz ihrer schweren Krankheit zu einem fast heiteren Miteinander“, blickt die Begleiterin zurück.

Einmal erinnern sich die zwei Frauen, welche Lieder sie in der Kindheit gemeinsam mit Eltern und Geschwistern gesungen haben. Fernsehen gab es ja noch nicht, man musste die Abende selbst gestalten. Natürlich singen sie diese Lieder, einfache Volkslieder, jetzt alle wieder – ein halbes Jahrhundert danach. Dass ihre Stimmen ungeübt sind, stört die Frauen nicht im Geringsten. „Das Eintauchen in unsere Jugenderinnerungen tut uns so gut“, schwärmen sie.

Aber die Krankheit schreitet fort. Frau P. liegt Wochen später wieder auf der Palliativstation. Auch dort bekommt sie Besuch von ihrer Begleiterin. Worte werden kaum noch gewechselt. Brigitte S. summt die eine oder andere Melodie, von der sie weiß, dass sie Frau P. gut tut.

Dann geht es wieder heim. Nun wird ein Pflegebett installiert, weil Frau P. nicht mehr aufstehen kann. Brigitte S. besucht sie noch einmal, greift nach ihrer Hand. Worte sind nicht mehr notwendig, nur noch stille Wünsche. Kurze Zeit darauf schläft Frau P. wieder – aber nun für immer. Ruhig und in Frieden hat sie zu Hause sterben dürfen.

Bei der Beerdigung und ihren späteren Trauerbesuchen drückt ihr Mann stets seine große Dankbarkeit aus: „Ohne Sie wäre es mir nicht möglich gewesen, meine Frau bis zum Ende zu Hause zu pflegen“, sagt er den vielen Helfern immer wieder.

Zahlscheine für die Weihnachtsaktion „OVB-Leser zeigen Herz“ liegen der heutigen Ausgabe bei.

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