Die CSU als stärkste Partei hat bei der Bundestagswahl am Sonntag in der Stadt und im Landkreis Rosenheim hohe Stimmenverluste hinnehmen müssen. Die OVB-Heimatzeitungen unterhielten sich mit dem CSU-Kreisvorsitzenden Klaus Stöttner über die Gründe hierfür und die Schlüsse, die sie daraus ziehen muss.
Ein Minus von 13,1 Prozent bei den Zweitstimmen und von 12,1 Prozent bei den Erststimmen für Daniela Ludwig bei der Bundestagswahl in Stadt und Landkreis Rosenheim. Wie tief sitzt der Schock über dieses Ergebnis bei Ihnen?
Natürlich kann uns das Gesamtergebnis und vor allem das Abschneiden der CSU nicht zufriedenstellen. Das kann nicht der Anspruch der CSU sein. In der Analyse des Wahlergebnisses zeigt sich aber ganz deutlich, dass im Bundeswahlkreis Rosenheim vor allem die Grenznähe und die damit verbundenen Herausforderungen im Rahmen der Zuwanderung für das Wahlergebnis ausschlaggebend waren. Gerade die niederbayerischen Wahlkreise, wie zum Beispiel Rottal-Inn, Passau oder Deggendorf, die als traditionelle Hochburgen der CSU bekannt waren, haben hier deutlich größere Einbußen zu verzeichnen als Rosenheim. Der Trend kann keine Ausrede sein, jedoch Erklärung für die schlechten Ergebnisse.
Schreiben Sie das schlechte Ergebnis Ihrer Partei der politischen Großwetterlage zu oder haben auch weitere regionale Aspekte dazu beigetragen?
Sowohl der Wahlkampf selbst, als auch die Arbeit unserer Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig in den vergangenen Jahren war hervorragend. Daniela Ludwig konnte im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 den Abstand vom Erst- zum Zweitstimmenergebnis sogar von 4,0 auf 5,5 Prozentpunkte ausbauen. Das ist ein klarer Indikator für eine gute Arbeit der Abgeordneten vor Ort. Aber natürlich haben regionale Aspekte wie die Sexualstraftaten in Rosenheim und Riedering das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in unserer Region beeinflusst. Die Menschen haben berechtigte Ängste, das drückt sich unter anderem in den vergleichsweise hohen Zustimmungswerten für die AfD in Riedering aus.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Montag betont, sie könne keine entscheidenden Fehler bei ihrer Wahlkampf-Führung erkennen. Auch ihre Flüchtlingspolitik hat sie erneut verteidigt. Reizt Sie dies zum Widerspruch?
Wir sind sicher gut beraten, wenn wir uns nach aufregenden Wochen des Wahlkampfes und dem Ergebnis, dass eine neue Partei rechts der Union in den Bundestag eingezogen ist, wieder um Ruhe bemühen. Vorschnelle Schuldzuweisungen oder sogar Personaldebatten verbieten sich somit. Fakt ist jedoch auch, dass mit der FDP und der AfD zwei Parteien großen Zulauf bekommen haben, die sich in ihrem Wahlkampf – wenn auch in unterschiedlicher Tonalität – für eine sinnvolle Begrenzung eingesetzt haben. Das Thema Flüchtlingspolitik aus der Wahlanalyse kategorisch auszuklammern, ist nicht seriös.
Blicken wir auf die Koalitionsverhandlungen: Horst Seehofer hat das Bekenntnis der CDU zu einer Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme zu einer Grundbedingung erklärt, die erfüllt sein muss, ehe die CSU in solche Verhandlungen überhaupt eintritt. Wie will die CSU diese Position der Kanzlerin schmackhaft machen, die eine Obergrenze ebenso strikt ablehnt wie beispielsweise die Grünen?
Zunächst muss man feststellen: Ohne die CSU kann rein rechnerisch keine mehrheitsfähige Regierung gebildet werden; weder eine Große Koalition noch eine Jamaika- Koalition. Das heißt, ohne die CSU gibt es keine Regierung. Klar ist auch, dass Basis für alle weiteren Gespräche mit Grünen und FDP eine gemeinsame Linie mit der CDU sein muss, denn die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Koalitionspartnern wird sehr schwierig. Frau Merkel ist bereits in den vergangenen Monaten und Jahren in der Flüchtlingspolitik auf den vorgeschlagenen Kurs der CSU eingeschwenkt, zum Beispiel bei dem Thema Grenzkontrollen. Eine sinnvolle Begrenzung der Zuwanderung mit konsequenter Rückführungsstrategie ist deshalb ein weiterer konsequenter Schritt. Das Ergebnis der Wahl zeigt hierzu einen ganz klaren Auftrag. Hier müssen in den Koalitionsverhandlungen Lösungen gefunden werden.
Kurzzeitig war am Montag von einer möglichen Auflösung der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU die Rede, die ja vom Tisch ist. Ist für Sie vorstellbar, dass die CSU zwar wieder eine gemeinsame Fraktion mit der CDU im Bundestag bildet, aber keine Minister in ein künftiges Kabinett entsendet, wenn ihr die Ergebnisse von Koalitionsverhandlungen in wesentlichen Punkten nicht schmecken?
Der Parteivorstand hat hier eindeutig und einstimmig ein Votum für die weitere Zusammenarbeit mit der CDU gegeben. Ohne die CSU in der Koalition und im Kabinett ist daher die Regierungsbildung nicht möglich.
Horst Seehofer ist jetzt zumindest als Parteichef sehr angeschlagen. Das Duo Beckstein/Huber musste den Hut nehmen, als die CSU bei der Landtagswahl 2008 nur etwa 43 Prozent erreichte. Müsste er nicht längst zurücktreten?
Personaldebatten ohne eine vernünftige vorherige Sachanalyse bringen uns nicht weiter. Die Ursachen von Wahlergebnissen sind zu vielschichtig gelagert, als dass sich hier Schnellschüsse lohnen. Es geht jetzt darum, als CSU stark und geschlossen in den Koalitionsverhandlungen aufzutreten und mit erfahrenem und durchsetzungsstarkem Personal bayerische Interessen in Berlin zu vertreten. Für die anstehenden Koalitionsverhandlungen ist die bundespolitische Erfahrung von Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und des Parteivorsitzenden Horst Seehofer unabdingbar. Schließlich geht es nun darum, die Inhalte unseres Bayernplans in Berlin durchzusetzen.
Markus Söder, der innerparteilich als größter Rivale Seehofers gilt, hat bei seinen Besuchen in Rosenheim immer wieder die enge politische Verbindung und das freundschaftliche Verhältnis zu Ihnen hervorgehoben, das bereits seit JU-Zeiten besteht. Wenn er jetzt Seehofer ablösen will, kann er mit Ihrer Unterstützung rechnen?
Markus Söder gehört sicherlich zum Spitzenpersonal der CSU, und ich schätze seine Arbeit sehr. Dennoch halte ich Personaldebatten zum jetzigen Zeitpunkt nicht für zielführend.
Am heutigen Mittwoch kommt die CSU-Landtagsfraktion zusammen, in der Söder fest verankert ist und viele Freunde hat. Wird die Fraktion den Ministerpräsidenten stützen?
Ich gehe davon aus. Erzwungene Personaldiskussionen unmittelbar vor der Landtagswahl haben sich noch nie als erfolgreich erwiesen.
Markus Söder hat der CSU geraten, tief in die Partei „hineinzuhorchen“. Haben Sie nach der Wahl schon in Ihren Kreisverband hineingehorcht. Wenn ja, was haben Sie gehört?
Gerade weil die Mitglieder ein enormes Engagement im Wahlkampf gezeigt haben, sind die Ergebnisse natürlich auf den ersten Blick etwas ernüchternd. Entscheidend ist jetzt allerdings, ob die Kernthemen des Bayernplans umgesetzt werden können. Die Menschen erwarten von uns, dass wir Lösungen für die drängenden Probleme unseres Landes finden. Dazu gehören neben dem Bereich Sicherheit ganz eindeutig auch wichtige Themenfelder, die im Wahlkampf vielleicht etwas zu kurz gekommen sind: Digitalisierung, bezahlbarer Wohnraum, Gesundheits- und Rentenpolitik. Hier gilt es nun, unsere Positionen in reale Politik umzusetzen. Diese Erwartungshaltung wird von den Mitgliedern klar formuliert worden.
Die AfD ist nun zweitstärkste Kraft im Landkreis Rosenheim. Wie will die CSU vor allem mit Blick auf die Landtagswahl im kommenden Jahr mit dieser Tatsache umgehen?
Zunächst einmal ist festzustellen, dass die AfD knapp 30 Prozentpunkte weniger Stimmen erhalten hat als die CSU. Aber natürlich ist die Wahlentscheidung der AfD-Wähler zu akzeptieren. Unser klarer Auftrag als CSU ist es, in den kommenden Monaten die Ursachen für Zugewinne der AfD zu analysieren und die enttäuschten konservativen Wähler bei den nächsten Wahlen wieder zurückzugewinnen. Sobald verlässliche Zahlen, auch für Wählerwanderungen in Bayern, vorliegen, können auch eine seriöse Analyse erfolgen und Schlüsse gezogen werden.
Werfen wir abschließend einen Blick in die Glaskugel. Welchen Prozentsatz an Zweitstimmen holt Ihre Partei bei der Landtagswahl im kommenden Jahr hier in der Region?
Anspruch der CSU ist immer, dass die absolute Mehrheit in Bayern erhalten bleibt. Wichtig ist, dass wir mit klugen politischen Entscheidungen wieder mehr Glaubwürdigkeit erlangen. Hierzu ist es dringend notwendig, dass die CSU bundespolitisch die Garantien umsetzt, die wir gegeben haben.
Interview: Norbert Kotter