Bad Aibling – Das „Verhängnis“ nahm seinen Lauf, als das Tier durch ein schmales Gartentor verschwand. Wolfgang und Dörte Puder, zu deren Familie Mathilde und ihre beiden Artgenossen Adelheid und Einstein seit 42 Jahren gehören, suchten jeden Strauch und jeden Busch in der Umgebung ab. Von dem tierischen Mitbewohner jedoch keine Spur.
Währenddessen hatte, wie das Ehepaar durch Zufall erfuhr, ein Anwohner in einer Tiefgarage eine Schildkröte gefunden und seinerseits die Nachbarn befragt. Erleichtert suchte Puder den Mann auf. Doch dieser hatte Mathilde ins Tierheim gebracht. Egal: Gesucht, gefunden, die Wiedersehensfreude bei Puder, der sich sofort auf den Weg dorthin machte, war groß. Aber so einfach war die „Familienzusammenführung“ nicht: „Da ich nicht beweisen konnte, dass es sich um unsere Mathilde handelte, musste ich ein Formular unterschreiben, dass ich sie nur zur Pflege erhalte, und zehn Euro Bearbeitungsgebühr bezahlen.“
Zugleich erhielt der Aiblinger den Hinweis, dass die unter strengem Schutz stehenden Griechischen Landschildkröten seit 1980 im Landratsamt registriert werden müssen. „Das war uns nicht bekannt, wir hatten die Tiere ja schon seit vier Jahrzehnten“, so Puder, der in seinem Bemühen, den gesetzlichen Vorgaben nachzukommen, aber nun alles richtig machen wollte.
So kam er einer Empfehlung nach, nicht nur Mathilde, sondern auch Adelheid zwischenzeitlich umzutaufen. „Da es sich um drei männliche Tiere handelt, was wir selbst erst vor einigen Jahren erfahren haben, gab man uns im Tierheim den Rat, für die erforderliche Dokumentation im Landratsamt männliche Namen zu wählen.“ Aus Mathilde wurde Mathias, aus Adelheid Albert. Nur Einstein blieb Einstein.
Nötig wäre die Umbenennung aber gar nicht gewesen. „Dem Landratsamt ist das völlig egal, wie die Tiere heißen“, betonte Pressesprecher Michael Fischer gegenüber unserer Zeitung. Durchaus erforderlich hingegen war eine Bestätigung der Umstände, wann und wie die Tiere in Besitz der Puders gekommen waren. „Sie waren ja bis dato nirgends registriert oder dokumentiert, sodass sie genauso gut jemand erst vor kurzem aus einem Urlaub mit nach Deutschland hätte bringen können.“
Damit tat sich für die Familie allerdings die nächste Hürde auf: Die vom Landratsamt geforderte schriftliche Bestätigung mit Ausweiskopie jener Familie, die den Puders – damals noch in Feldkirchen-Westerham wohnhaft – die Tiere in den 70er-Jahren geschenkt hatte, konnte nicht beigebracht werden: Der Mann ist mittlerweile verstorben, zu seiner Frau besteht kein Kontakt.
Nun sollten die früheren Nachbarn von Feldkirchen-Westerham bestätigen, dass Puders diese Schildkröten im Sommer 1975 bekommen haben. Zugleich war eine Bestätigung der jetzigen Aiblinger Nachbarn erforderlich, dass Familie Puder die Tiere immer noch besitzt. Bei Ersterem kam es allerdings zu einem verhängnisvollen Irrtum nach all den Jahrzehnten, denn die Puders hatten sich bei der Jahreszahl vertan. Nachgewiesen hat ihnen das das Landratsamt. Das nämlich hat die Daten über das Einwohnermeldeamt gegengeprüft und herausgefunden: Die Nachbarin, die den von Puders angegebenen Sachverhalt bestätigt (Besitz seit 1975) hatte, wohnt erst seit Januar 1979 unter dieser Anschrift.
Dies fiel zwar auch noch unter den Zeitpunkt, bevor die Registrierungspflicht eingeführt wurde. Doch wurde Puder nun aufgefordert, „nochmals in sich zu gehen“ und zusammen mit besagter Nachbarin zu „rekapitulieren, bitte wann genau Sie selbst die drei Tiere erworben haben“ und ab wann die Nachbarin „tatsächlich etwas bestätigen kann“. Formblätter für diese Versicherung waren beigefügt.
Damit bestätigte das Ehepaar schließlich an Eides statt, dass es diese Schildkröten seit 1975 besitzt. Was passiert wäre, wenn die beiden das nicht getan hätten? „Dann wäre es wohl zu einem Überlassungsvertrag gekommen. Die Schildkröte wäre dann Eigentum des Freistaates Bayern geworden, und das Ehepaar hätte sie in Pflege nehmen können“, so Fischer. Doch nun gilt die Angelegenheit auch offiziell als erledigt. Mathilde heißt jetzt wieder Mathilde, und zu Adelheid sagt auch niemand mehr Albert. „Und wir sind dankbar, dass wir nun auch rechtlich Besitzer unserer Schildkröten sind“, so Dörte und Wolfgang Puder.