Söchtenau/Prutting/Vogtareuth – Einkaufstraining im Supermarkt? Für gestandene Landfrauen??? Die Referentin muss gut sein… Zeit für einen Selbstversuch. Ich bin zwar keine gestandene Landfrau, gehe aber auch nicht erst seit vorgestern einkaufen. Und habe zig Allergien.
Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern hat Zeit, wir verabreden uns im Supermarkt. Eine Grundbedingung für einen vernünftigen Einkauf erfülle ich schon mal: Ich habe keinen Hunger. Wer Hunger hat, kauft mehr. Schon erlebt.
Mandarinen, Paprika, Bananen, Möhren, Salatköpfe lachen uns an. „Eigentlich ist es Obst und Gemüse am Eingang viel zu warm. Und unpraktisch ist es auch – bis man an der Kasse steht, ist der Wagen voll und der Salat wird erdrückt“, kann sich Daniela Krehl immer wieder ärgern. Aber: Die Obst- und Gemüseabteilung ist eine Landezone. Hier werden die Kunden entschleunigt, sollen in den Shopping-Modus schalten und derart entspannt mehr einkaufen, als auf dem Zettel steht. „Manche Märkte haben mittlerweile sogar einen unebenen Untergrund, der an Marktplätze erinnern soll“, erzählt Daniela Krehl amüsiert.
Zucker ersetzt Ballaststoffe
Neben den Auberginen lauert schon die erste Falle: Das Regal mit den Smoothies. Eigentlich sind Smoothies pürierte Früchte mit viel Ballaststoffen. In Flaschen abgefüllt sind Säfte und mehr oder weniger viel Zucker, „das läuft durch, ohne zu sättigen“ – als Mittagessen am Schreibtisch also eher ungeeignet.
Low Carb, Vegan, Lactosefrei – Ernährungsberaterin Daniela Krehl kennt zu allen Ernährungsformen die Klippen. Wir haben uns darauf geeinigt, „normale“ Ernährung anzunehmen und beim Zuckergehalt ein wenig genauer hinzuschauen.
Erstmal Kaffee. Gilt nicht nur am Morgen, sondern dank der Einrichtung des Marktes auch beim Einkauf. „Haben Sie auch wirklich Kaffee?“, fragt Daniela Krehl und amüsiert sich über mein verdutztes Gesicht. Viele Hersteller, auch sehr namhafte, sind dazu übergegangen, elf Prozent Kaffee einzusparen, durch Karamell und anderes zu ersetzen. Beim Kaffeedurst der Deutschen rechnet sich das. Auf der Packung muss man den Hinweis aber suchen.
Was unterscheidet den Supermarkt vom Discounter? Die Bedientheke für Wurst, Fleisch, Käse, Fisch. Die ist wieder auf dem Vormarsch, erzählt Daniela Krehl. Weil die Würschtl besser schmecken als die abgepackten Kollegen? „Quatsch! Das ist Einbildung“, rutscht es der Fachfrau raus.
Keine Einbildung: der Trend weg von tierischen Produkten. Deswegen bekommen Hafer- und Mandelmilch oder auch die Kochsahne im Fläschchen immer mehr Platz im Regal. Letztere ist für einen Single-Haushalt auch noch ausgesprochen praktisch, weil wiederverschließbar. „Sind mehr und mehr Schlagsahnen aber auch“, deutet Daniela Krehl etwas weiter nach unten ins Kühlregal.
Die Inhaltsstoffe von Käse angucken? Was soll da schon drin sein außer Milch, Lab und vermutlich Salz? Eigentlich nichts, vor allem nicht im Frischkäse. Und dann: Joghurt hier, Verdickungsmittel dort, Säuberungsmittel im dritten. Also sind es Frischkäsezubereitungen. Nur die Hausmarke kommt mit Milch, Salz und Lab – in dieser Reihenfolge – aus und darf sich Frischkäse nennen. Kräuter, Knoblauch, Chiliflocken, Meerrettich zählen nicht. Die dürfen rein.
Alarmglockenläuten ab fünf Zutaten
Daniela Krehl macht sich auf die Suche nach Light-Käse. Bringt den nicht-lighten Verwandten gleich mit. 45 Prozent Fett der eine, 16 Prozent der andere, stelle ich fest. Und schaue auf Anregung der Fachfrau genauer hin: Die 16 Prozent sind der absolute Fettgehalt, hinter den 45 steht die berühmte Buchstabenkombi i.Tr. „In der Trockenmasse“, heißt das. Und die macht, das habe ich mal gelernt, bei einem Schnittkäse etwa die Hälfte des Gewichts aus. „Unterscheidet sich beim Fettgehalt ja kaum“, stelle ich fest. Sonst schon, wie ein Blick auf die Zutatenliste zeigt. „Light-Produkte sind Imitate“, sagt Daniela Krehl, „was rausgezogen wird, muss durch etwas anderes, meist minderwertiges, ersetzt werden“. Irgendwie logisch. Ihre Faustregel: Je weniger Inhaltsstoffe, desto besser, ab fünf sollten so langsam die Alarmglocken klingeln.
Ich bin nicht so die Süße, kann an Schokolade gut vorbeigehen. Bei Salzigem fällt das schwerer. Hmmm, Wasabi-Erdnüsse – ja bitte! Bevor mich Daniela Krehl ertappt, gucke ich gleich auf die Zutatenliste: Jawohl, Erdnüsse ganz vorne, also Hauptbestandteil. Gefolgt von – Zucker? 23,4 Gramm oder acht Würfel in 100 Gramm Wasabi-Erdnüssen? Da kann ich auch zur Schoki oder zum Müsliriegel greifen, zumal nur 0,003 Gramm – kein Tippfehler – Wasabi in den Wasabi-Nüssen sind.
Zucker im Rotkohl
und im Dessert
Einen Gang weiter bin ich fassungslos: Bio-Rotkohl im Packerl. Schnell, lecker und gesund. Pustekuchen: In einer Portion, zwei davon sind im Beutel, sind 22 Gramm oder sieben Würfel Zucker. Sieben Würfel Zucker in einer Portion Rotkohl. „Da kann ich auch gleich ein Schokomus essen“, greife ich schimpfend ins Regal gegenüber. Und staune: In der Mousse au Chocolat sind wegen des Fetts zwar mehr Kalorien, aber pro Portion „nur“ fünf Würfel Zucker. Daniela Krehl grinst. Sie hat ihr Ziel erreicht: Ich lese künftig intensiver, was auf der Zutatenliste steht.
Die Reise geht in Richtung Algen
Ob die Landfrauen aus Söchtenau, Prutting und Vogtareuth das auch machen? Vermutlich. Die haben aber durchaus noch ein anderes Interesse an dem Vortrag von Daniela Krehl: „Vor allem die, die einen Hof haben, wollen im Umkehrschluss auch wissen, wo die Reise hingeht, was gefragt ist und was nicht.“ Und wo geht die Reise hin? Zu Hanf-Produkten, zu Algen und Insekten – „hochwertige Mineralien und Spurenelemente, hochwertige Omega3-Fettsäuren und sehr hochwertiges Eiweiß“, lobt Daniela Krehl. Meinetwegen. Nur an Majas und Willis hüpfenden Kumpel Flip darf ich dabei nicht denken.