Tuntenhausen – Der Stacheter-Hof in Berg ist schon seit vielen Generationen in Familienbesitz. Nikolaus Bartl senior hat ihn 1988 auf biologisch-dynamischen Landbau umgestellt, seitdem ist der Hof von Demeter zertifiziert. Im Sommer stehen die Milchkühe auf der etwa acht Hektar großen Weidefläche direkt an der Hofstelle.
Die Kälber und Färsen verbringen die schöne Jahreszeit auf der Steinbergalm. Im Winter leben sie im Stall in der Hofstelle in Berg, haben ausreichend Auslauf und Liegeflächen aus Stroh. Vor fünf Jahren eröffnete Nikolaus Bartl junior (35) gemeinsam mit seiner Frau Monika (37) die Hofmetzgerei. „Damit haben wir uns den Traum von einem geschlossenen Kreislauf erfüllt, vom Feld über die Tierhaltung bis zu selbst hergestellten Fleisch- und Wurstwaren“, erklärt der Juniorchef. Um die Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen und noch nachhaltiger zu produzieren, wollen die Bartls nun einen neuen Laufstall für 90 Färsen bauen. Der Gemeinderat von Tuntenhausen hat dem Vorhaben bereits zugestimmt. Nun fehlt nur noch die Genehmigung des Landratsamtes, damit der Bau im Jahr 2021 beginnen kann. Die Familie will circa 500000 Euro investieren. Mit dem Ziel, künftig auf Zukäufe für die Hofmetzgerei verzichten und komplett im eigenen Hofkreislauf produzieren zu können und so auch den Boden für nachfolgende Generationen zu bereiten.
Seit der Präsentation der Trassenvarianten für den Brenner-Nordzulauf am 1. Juli 2019 allerdings wissen die Bartls, dass einige Varianten ihre Pläne durchkreuzen könnten. Drei der fünf möglichen Trassen führen westlich an der bestehenden Bahnstrecke in Ostermünchen vorbei und tangieren vor allem den Ortsteil Berg erheblich.
„Wir wären dann von allen Seiten von der Bahn eingeschlossen“, verdeutlicht Bartl. Die Trassenvarianten sehen in Berg den vierspurigen Ausbau der Strecke und sogar eine Verknüpfungsstelle vor. Viergleisig bedeutet eine Breite von mindestens 25 Metern ohne Damm. Für die Verknüpfungsstelle wird eine Länge von etwa 1,5 Kilometern gebraucht. Auch der Bahnhof Ostermünchen müsste verlegt werden. Es würden also nicht nur Flächen für die viergleisige Neubaustrecke, sondern auch für Bahnhof und Parkplätze benötigt. Und für die Erschließungsarbeiten wäre noch wesentlich mehr Terrain erforderlich. „Die Topografie unserer Landschaft hier würde einerseits riesige Einschnitte und andererseits große Aufschüttungen erforderlich machen, um die für Hochgeschwindigkeitszüge erforderliche geringe Steigung zu gewährleisten“, erklärt der Landwirt. Für den Ort würde das bedeuten, dass riesige Weideflächen und der Sportplatz verloren gingen. Von der Lebensqualität der Menschen ganz zu schweigen.
Aber auch die große Artenvielfalt auf den Wiesen, in Wäldern, Biotopen und in den Mooren entlang der Brenner-Streckenvarianten ginge verloren. „Es ist ein Wahnsinn, was durch diese Trasse zerstört werden würde. Das kriegen wir nie wieder zurück“, sagt Bartl.
Auch er selbst verlöre einen Großteil seiner Weiden und fragt sich, ob er auf seinem eigenen Grund und Boden überhaupt noch einen Stall bauen darf, wenn ausgerechnet dieser Grund für den Brenner-Nordzulauf gebraucht würde? Das Landratsamt in Rosenheim sieht diesbezüglich keine Probleme. „Die Planungen für den Brenner-Nordzulauf haben noch keine Auswirkungen auf unsere Genehmigungsverfahren, da sie noch viel zu unkonkret sind“, informiert Ina Krug von der Pressestelle des Landratsamtes.
Hat Berg als Heimat
noch eine Zukunft?
Noch in diesem Jahr aber wird es nach Informationen der Bahn eine konkrete Trasse geben. Passiert diese Ostermünchen und Berg, wären auch die Weiden und das Land der Bartls betroffen. Nikolaus und Monika Bartl fragen sich, ob ihre Familie mit Sohn Nikolaus (6) und Tochter Lucia (2) in Berg überhaupt noch eine Zukunft hat.