Keine Angst mehr vor Fegefeuer und Hölle

von Redaktion

Oberaudorfer Allerseelenbruderschaft vernetzt heute Vergangenheit mit Moderne

Oberaudorf – „Ja, Ja, die Zeiten haben sich geändert.“ In Josef Obermayers Stimme schwingt zum Erstaunen kein bisschen Bedauern mit. Er blickt auf die leicht vergilbten Blätter, die vor ihm liegen: Formulare zur Aufnahme in die Allerseelenbruderschaft, eine Vereinigung, die noch heute fester Bestandteil des Oberaudorfer Dorflebens ist. Regelmäßiges Beichten und das Lesen vieler Messen waren damals zur problemlosen Aufnahme Pflicht. Was sich wie ein verzweifelter Maßnahmenkatalog liest, um sich aus Fegefeuer und Hölle zu befreien, wurzelte in der Angst vor dem eigenen Tod. „Im Mittelalter galt es zusammen zu stehen“, so Josef Obermayer.

Sprichwörtliche

Sterbensangst

Die Bruderschaft war quasi eine Absicherung gegen die unabweisbare Realität des eigenen Todes, denn die sprichwörtliche Sterbensangst war allgegenwärtig.

Der Oberaudorfer ist Bruderschaftsmeister, im heutigen Jargon Vorsitzender der Allerseelenbruderschaft. Und schon an seinem Titel erkennt man das enge Band zwischen Vergangenheit und Moderne. Im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen erklärt er, wie er zusammen mit weiteren Brüdern, „das Rüberführen der Bruderschaft in die Gegenwart“ umsetzt.

Gegen die Satzung der Allerseelenbruderschaft Oberaudorf ist Halloween ein schwacher Abklatsch: „Zweck der Bruderschaft ist, den Armen Seelen im Fegefeuer in ihrem Leidenszustande, insbesondere den verlassenen und vergessenen, durch gottgefällige Werke, besonders das heilige Messopfer und das Gebet, zu Hilfe zu kommen, damit sie, so bald wie möglich, von ihren Peinen befreit werden und zur Anschauung Gottes befreit werden.“

In die heutige Zeit lasse sich das natürlich nicht mehr eins zu eins übertragen, meint Obermayer. Dennoch: Zu Gebet und heilige Messe stehen er und seine Allerseelenbrüder auch heute noch wie ein Fels: An Allerseelen in der 9-Uhr-Messe in der Pfarrkirche Oberaudorf beten die zwölf Räte, wie seine Mitbrüder heißen, mit den Gläubigen aus der Gemeinde für das Seelenheil vor allem derer, an die keiner mehr denkt, so Obermayer weiter. Hochfest der Allerseelenbruderschaft ist beim Laurentiusfest im August – mit dabei auch die charakteristischen schwarzen hölzernen Stangen. Ihre Spitze ziert ein auch Blech geschnittener, handgemalter Totenkopf. „Ja mei, scho a bisserl gruslig“, gibt Obermayer zu. Das sei aber ein durchaus überzeugendes Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens und ein Hinweis auf die im Fegefeuer darbenden armen Seelen.

Sicher habe sich das Glaubensleben verändert, doch Menschen seien immer vielerlei Gefahren und Krankheiten ausgesetzt. Begriffe wie Fegefeuer oder Hölle seien jedoch – Gott sei Dank – mehr und mehr einer auf die erlösende Frohbotschaft Jesu ausgerichteten Glaubensauffassung gewichen.

Kirchenaustritte, geringer Gottesdienstbesuch – kein Grund für Obermayer, die Allerseelenbruderschaft nicht mehr am Leben zu halten. Schließlich habe sie Jahrhunderte überdauert, warum gerade jetzt das Handtuch werfen? 1677 wurde sie von Peter von Prugglach, Pfleger auf der Auerburg, gegründet. Papst Innozenz XI. hat sie im Mai 1677 mit Ablässen und Privilegien versehen. Ende des 19. Jahrhunderts folgte der erste Einbruch: Fortschrittsglaube und soziale Umbrüche führten zu Mitgliederschwund. Mehr und mehr verlor die Bruderschaft ihren einst hohen Stellenwert im dörflichen Leben. In den 50er-Jahren ließen Bürgermeister Hans Rechenauer, Josef Obermayer senior und Geistlicher Rat Walter Hartmann an die Bruderschaft wieder erblühen.

Als „vitalen Beweis gegen den gesellschaftlichen Zeitgeist“ wertet der Oberaudorfer Professor Dr. Michael Langer die Allerseelenbruderschaft, der ein kleines Büchlein gewidmet hat. Sie verweise auf die Hoffnung, die uns Christen im Letzten trage: dass der Tod nicht das letzte Wort hat und das wir durch Gebet, Opfer und Eucharistie auch für unsere Verstorbenen Gnade erbitten können.

Und so lassen die Allerseelenbrüder, die im Volksmund die „Manteitrager“ genannt werden, auch heuer wieder um 8.30 Uhr eine Messe am Allerseelentag lesen. „Die armen Seelen, an die niemand mehr denkt, die brauchen unser Gebet ganz dringend“, weiß Obermayer – und sieht sich in der Nachfolge der vielen Allerseelenbrüder, die das über die Jahrhunderte genau so gehandhabt haben.

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