Brannenburg – „Wissen die eigentlich, wie es wirklich bei uns aussieht? Und: interessiert es sie überhaupt?“ Diese Frage konnte man am Montag in Brannenburg öfter hören, als über 240 Bürger vor den Karten standen, mit denen die Bahn aufeiner Infoveranstaltung die Grobtrassenverläufe des Brenner-Nordzulaufs vorstellte.
Für Torsten Gruber, den Leiter der Planungen, ist die Antwort zumindest auf den zweiten Teil der Frage klar: Es interessiert natürlich und genau deshalb gibt es auch die Infoveranstaltungen, die außer in Brannenburg noch in 15 anderen Orten stattfinden. Sie sind für ihn Teil eines Dialogs, der seiner Überzeugung nach in den nächsten eineinhalb Jahren im weiteren Projektverlauf das A und O sein wird. Denn noch ist es in der Tat so, dass die Bahn nicht in allen Einzelheiten weiß, wie es vor Ort aussieht. Die Strecken sind bislang, wie es Fachplaner Manuel Gotthalmseder formulierte, „salopp gesagt gewissermaßen mit dem Textmarker gezogen: Die Feinplanung auf Bleistiftstärke, sprich ortsgenau und detailbezogen, steht ja jetzt erst an“. Und in diese Feinplanung, so Gruber, werden dann auch die Rückmeldungen einfließen, die man auf den Informationsveranstaltungen erhält, vor allem aber auch alle Bedenken, die die Bürger über ihre Vertreter im weiteren Verlauf in die sogenannten Dialogforen einbringen können.
Das Problem dabei: Viele sind offenbar nicht überzeugt, dass ihre Einwände tatsächlich gehört werden. Wie zum Beispiel die Frau aus Reischenhart, die Gotthalmseder sehr emotional vorhielt, dass der Ort ruiniert wäre, sollte dort eine als Möglichkeit erwähnte Verknüpfungsstelle zwischen den Bestandsgleisen und der neuen Trasse tatsächlich verwirklicht werden. Das werde vielleicht aus der Karte nicht deutlich, man sähe es aber sofort, wenn man sich die Mühe mache und einmal vor Ort gehe. Den Einwand Gotthalmseders, dass genau das ja in den nächsten anderthalb Jahren noch geschehe, überzeugt sie nur halb: Schließlich liegt vor ihr die Karte und auf der ist der problematische Streckenverlauf schwarz auf weiß festgehalten – wo ist die Garantie, dass darüber wirklich noch diskutiert werden wird?
Was hier zum Vorschein kommt, ist ein offenbar bei vielen Besuchern verbreitetes prinzipielles Misstrauen. Man fühlt sich von der Politik nicht ernst genommen bei der grundsätzlichen Infragestellung der Notwendigkeit neuer Trassen und hat, weil man Politik und die Bahn als ausführendes Organ kurzerhand in einen Topf wirft, offenbar auch nur wenig Vertrauen in die Planungen der Bahn.
Für Brannenburgs Bürgermeister Matthias Jokisch wäre dagegen genau diese Unterscheidung wichtig, denn: „Wenn mein Nachbar neben meinem Einfamilienhaus vierstöckig bauen will, dann muss ich ja auch mit ihm als Auftraggeber reden, ein Einprügeln auf den planenden Architekten bringt mich dagegen nicht weiter.“ Was nicht heißen solle, dass es nicht richtig und wichtig sei, parallel dazu an die Politik die grundsätzliche Frage nach der Notwendigkeit immer wieder zu stellen. Was sich viele Bürger dabei von der Bahn als dem direkten Ansprechpartner wünschen, zeigte wohl ganz gut eine Aufstellung, wie sie auf dem Stand der Bürgerinitiative vor der Wendelsteinhalle zu sehen war. Dort hat man ganz konkret und sehr detailreich die Vor- und Nachteile aller fünf Trassen gegenübergestellt, zusätzlich ist auch der Vorschlag des Planungsbüros Vieregg-Rösslers berücksichtigt. Die Aufstellung bezieht sich auf die gesamten Trassenverläufe, ist aber auch aus Brannenburger Sicht aus gesehen.
Naturgemäß geht es deshalb auch um die Problematik eines Verknüpfungspunktes bei Brannenburg, der den Bahnhof aus der Ortsmitte heraus Richtung Autobahn verschieben würde. Für viele Brannenburger wäre eine derartige Verlegung ein Unding, weil sie dem Ort einen entscheidenden Standortvorteil nehmen würde. Auch Jokisch hält sie deshalb „für mittelschwer dramatisch“. Da stößt es sauer auf, wenn ein Planer der Bahn auf entsprechende Einwände entgegnet, dass eine Bahnhofsverlegung doch auch Vorteile bieten könnte. Zum Beispiel, weil innerorts Flächen frei würden. So berichtet es Irmi Bartl, eine der Teilnehmerinnen. Die Äußerung des Planers zeigt ihrer Meinung nach klar, dass man sich mit den örtlichen Gegebenheiten nicht ausreichend beschäftigt oder zumindest noch nicht beschäftigt hat.
Matthias Jokisch setzt trotzdem oder vielleicht gerade deshalb nach wie vor große Hoffnungen in den Dialog der Bahn mit den Bürgern und den Gemeinden. Wobei ihm wichtig ist, dass es nicht darum gehen kann, einzelne Trassen aus lokalen Gründen möglichst schnell aus der Diskussion herauszubringen: „Ziel muss sein, diejenige zu finden, die für den gesamten Raum insgesamt die wenigsten Probleme bringt. Der Trassenneubau hat durch seine Größe Auswirkungen auf das gesamte Inntal, ganz gleich welche Trasse am Ende verwirklicht wird.“