Das erste Abenteuer einer Neupendlerin

von Redaktion

Als Pendler kann man was erleben. Einen liegengebliebenen Bus und einen hilfreichen Mann vom Gemeindebauhof zum Beispiel.

Vogtareuth – 7.43 Uhr, Montag, Busbahnhof Wasserburg. Noch ist der Bus 9415 nicht da. Eigentlich soll er in drei Minuten Richtung Rosenheim losfahren. Tut er nicht ganz, es wird 7.49 Uhr. Der Busfahrer, nennen wir ihn Franz Mayr, gibt alles, die schneebedingte Verspätung aufzuholen.

In der Griesstätter Ortsmitte wünschen sich die zu diesem Zeitpunkt sieben Passagiere, sie hätten sich angeschnallt – in einer der 90-Grad-Kurven ist Vollbremsung angesagt, zwei Busse stehen sich gegenüber. Rangieren entlang der Schneehaufen und dann gibt Mayr wieder Gas.

Die Aufholjagd endet jäh. An einer Haltestelle, an der niemand einsteigen will und niemand aussteigen. Um 8.22 Uhr an der Schön-Klinik. Die enge Busschleife ist suboptimal geräumt, der Fahrer muss mehr als einmal ansetzen, wählt dann doch wieder den Weg über den Schneerand. Nur dass sich unter dem ein dicker Stein verbirgt. Es knirscht kräftig. „Do kimmi nimma aussi“, stellt Mayr nach ein paar Versuchen des Vor- und Zurückruckelns fest. „Am Stoa hängma fest.“

Es ist 8.30 Uhr, der Busfahrer greift zum Mobiltelefon, sucht Hilfe bei Kollegen. Der erste der mittlerweile neun Passagiere sagt irgendwo Bescheid, dass es vermutlich etwas später wird. Diejenigen, die vorne sitzen, vernehmen erleichtert, dass der Kollege des Busfahrers den Vogtareuther Winterdienst alarmiert hat. Der soll zur Hilfe kommen. Wann? Ist offen. Aber Vogtareuth ist ja übersichtlich, „der taucht hoffentlich bald auf.“

Katharina Stumpf und Thomas Vogtmann steigen, wie die Mehrheit der Busgäste, aus. Sie sind beide auf dem Weg zur Ausbildung. Er hat eine betriebliche Schulung, sie Unterricht im Rahmen ihrer Ausbildung, „nur bis 12 Uhr – da kann ich fast schon gleich zurückfahren.“

Ihre Ausbilder scheinen verständnisvoll zu sein. Aber auch die anderen, die bei Ausbildern, Kollegen, Vorgesetzten, Gesprächspartnern, Bescheid sagten, stießen offensichtlich auf offene Ohren, denn alle bleiben entspannt. Harren den Dingen, die da kommen.

Was kommt, ist ein großer, schwarz-grün lackierter Traktor mit Schneeschaufel und einem energischen Mann mittleren Alters am Steuer. Der schaut sich die Misere an. Stein weg? Geht nicht, ist zu sehr unter dem Bus. Also: Bus weg. Möglichst schnell, der Mitarbeiter des Gemeindebauhofs muss schließlich die Straßen in und um Vogtareuth weiter vom Schnee befreien.

Heckklappe des Busses auf, kräftiges Seil angebunden, der erste Versuch scheitert. Dem Traktor dreht das linke Hinterrad durch. Der zweite Anlauf, mit etwas verändertem Winkel, gelingt. Es ruckt zweimal, der Bus ist wieder frei. Und sollte jetzt gerade am Rosenheimer Busbahnhof in der Stadtmitte ankommen. Da ist er dann – nach einer weiteren kurzen Schlitterpartie. auf dem schmalen Sträßchen nach Gmain – um 9.23 Uhr. Eine Dreiviertelstunde zu spät.

Die Neupendlerin – bisheriger Arbeitsweg: Drei Minuten, zu Fuß – fragt sich, wie normal das alles war.

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