Aschau/Frasdorf/Rosenheim – Wegen Vergewaltigung und Hausfriedensbruch musste sich jetzt ein 25 Jahre alter Mann aus dem Priental vor dem Schöffengericht Rosenheim unter dem Vorsitz von Richter Christian Merkel verantworten. Das Opfer: die 21-jährige Cousine des Mannes.
Bis zum 18. Juni 2018 waren Cousin und Cousine ein Herz und eine Seele. Alle Prozessbeteiligten bestätigten vor Gericht, dass zwischen beiden eine enge platonische Freundschaft bestand. An diesem Montag – Onkel und Tante waren verreist – trafen sie sich in ihrer Wohnung zusammen mit einem weiteren Freund zum Ratschen. Gegen 23 Uhr verabschiedeten sich die jungen Männer.
Skimütze mit Augenschlitzen
Der 25-jährige Schreiner aber fuhr nicht nach Hause, sondern hatte sich einen perfiden Plan zurecht gelegt. Zunächst sandte er seiner Cousine eine SMS, um festzustellen, ob sie schon schlief. Mit einer Skimütze bekleidet, in die er zwei Augenschlitze geschnitten hatte, verschaffte er sich Zugang zur Wohnung, in der sich die 21-Jährige befand. Er schlich in das Zimmer, in dem die angehende Krankenschwester tief und fest schlief.
Am Bett angekommen, fing er an, die junge Frau zu streicheln und an intimen Stellen zu berühren. Erst als die Frau erwachte, ließ der maskierte Mann von ihr ab und ergriff die Flucht. Trotz ihres Schocks über den Überfall nahm sie die Verfolgung auf und erkannte letztlich an der Stimme, dass sie von ihrem eigenen Cousin sexuell belästigt worden war.
Vor Gericht war der wegen Vergewaltigung und Hausfriedensbruch angeklagte junge Mann größtenteils geständig. Susanne Schomandl, die als Rechtsanwältin die Nebenklage des Tatopfers vertrat, bestand aber darauf, dass er den Vorwurf komplett eingestand.
Das Problem: Die Art der sexuellen Handlungen ist entscheidend für das Strafmaß. So wird eine sexuelle Belästigung mit maximal fünf Jahren Gefängnis bestraft, während im Falle einer Vergewaltigung mindestens zwei Jahre Haft angesetzt werden, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.
Genau dies war jedoch das Ziel der Verteidigung von Rechtsanwalt Dr. Marc Herzog. Der strebte einen vollendeten „Täter-Opfer-Ausgleich“ mithilfe eines angemessenen Schmerzensgeldes an. Dies konnte zu einer Strafrahmenverschiebung führen, die eine Bewährungsstrafe ermöglicht hätte.
Dass der Angeklagte echte Reue zeigte, diese Einschätzung teilten wohl alle Prozessbeteiligten. Zudem waren alle Verfahrensbeteiligten einer befriedigenden Lösung nicht abgeneigt. In einem Rechtsgespräch klärten Gericht, Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklage, unter welchen Bedingungen eine Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe zustande kommen könne.
Gericht folgt
Staatsanwaltschaft
Eine Verständigung konnte schließlich erreicht werden, zumal der Angeklagte bisher noch nicht straffällig geworden war. Als Voraussetzung galt zum einen ein wirklich umfassendes Geständnis, zum anderen die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Auch ein striktes Kontaktverbot war Gegenstand der Vereinbarung. Daher stellte die Staatsanwältin in ihrem Schlussvortrag den Antrag, den Angeklagten zu zwei Jahren Gefängnis mit Aussetzung zur Bewährung zu verurteilen. Die Nebenklägervertreterin schloss sich dem an, wohingegen Rechtsanwalt Herzog der Meinung war, dass es mit 21 Monaten Haft mit Bewährung sein Bewenden haben könne. Das Gericht folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Dabei machte Richter Merkel dem Verurteilten nochmals sehr deutlich, dass die Strafe in diesem Fall nicht so sehr auf die Art der sexuellen Belästigung, als vielmehr auf die ungeheuerliche Schreckens-Szenerie abgestellt sei, unter der sein Opfer wohl noch auf unabsehbare Zeit zu leiden habe.