Vogtareuth/Landkreis – Der eine spielt zu laut Trompete – und das genau in der Mittagszeit. Der andere mäht seinen Rasen Samstagmorgen um 6 Uhr. Alles nicht erlaubt und schon gar nicht nett. Unter Nachbarn sollte man zumindest ein „gepflegtes Verhältnis“ anstreben. Und miteinander reden. Soweit, so gut.
Es gibt aber auch Nachbarn, die verhalten sich so, dass sie ihre Umgebung einschüchtern. Nachbarn fühlen sich regelrecht bedroht. Mit reden ist da nix mehr. Aber irgendwann läuft das Fass über, die Situation eskaliert. So geschehen erst jüngst in Vogtareuth.
Wie bereits in der Heimatzeitung berichtet, hatte ein dorfbekannter junger Mann wieder einmal lautstarken Streit, diesmal mit seiner Freundin.
Die Auseinandersetzung scheint zu eskalieren, Nachbarn rufen voll Sorge die Polizei. Sie schlichtet den Streit und geht wieder. Doch dann der erneute Hilferuf durch Anwohner. Es ist laut, es wird gebrüllt. Das Drama zwischen dem Pärchen scheint sich zuzuspitzen.
Als die Polizei eintrifft, greift der Vogtareuther zum Messer und geht damit auf die Beamten los. „Ich stech euch ab“, soll er gerufen haben. Sieben Zentimeter lang ist die Klinge. Dank Pfefferspray wird er überwältigt. Die Polizei nimmt ihn mit.
Doch auch in der Arrestzelle gibt er keine Ruhe, er soll sogar Teile der Bettkante herausgerissen haben. Ein Alkoholtest ergibt rund zwei Promille.
„Wir kennen ihn und wissen von den ständigen Eskalationen rund um seinen Wohnsitz“, bestätigt Vogtareuths Bürgermeister Rudolf Leitmannstetter. Immer wieder werde die Polizei gerufen und immer wieder werden Bürger bei ihm vorstellig. Sie klagten über „unzumutbare Zustände“, sagt der Rathauschef. „Unter ihnen geht regelrecht die Angst um, denn die Nachbarn fühlen sich durch den jungen Mann bedroht“, so der Rathauschef. Er würde auch auf sie losgehen. Doch die Gemeinde sei verpflichtet, ihn unterzubringen, seit er nicht mehr zu Hause wohnen kann und obdachlos ist.
Und da beginnen die Probleme. Etliche Versuche vonseiten der Kommune, die Situation durch Gespräche zu entschärfen, seien ins Leere gelaufen. „Irgendwann sind wir mit unserem Latein am Ende“, meint Leitmannstetter. Die rechtlichen Möglichkeiten des Bürgermeisters seien eben begrenzt. „Ich habe auch mehrere Gespräche mit der Polizei geführt. Da werde ich auch unterstützt“, sagt er. Doch am Ende stünden er und die Anwohner immer wieder vor der gleichen Situation.
Sogar der Gemeinderat sei informiert worden. Nun zeichne sich eine Lösung ab: „Wir wollen eine Wohncontainer-Lösung, denn in dem von uns zugewiesenen Haus kann er nicht mehr bleiben. Die Situation ist den Nachbarn nicht mehr zuzumuten. Sie fühlen sich massiv bedroht.“
Dass aber eine Umsiedlung nicht so einfach ist, hat Leitmannstetter schon erlebt. Als Anwohner spitz bekamen, dass der junge Mann in ihre Nachbarschaft verlegt werden sollte, sei es zu einem Proteststurm gekommen.
Robert Maurer, Pressesprecher der Polizeiinspektion Rosenheim, bestätigt den Messervorfall und die vorläufige Festnahme des Vogtareuthers. Über einen Haftbefehl entscheide der Staatsanwalt beziehungsweise der Ermittlungsrichter nach Faktenlage. Wie es im konkreten Fall des Vogtareuthers aussieht, dazu wollte er sich nicht äußern. Grundsätzlich sei es so, dass die Justiz ein halbes Jahr Zeit habe, zu ermitteln. Dazu gehöre es, Fakten zu sammeln und Gutachten in Auftrag zu geben. Dann werde entweder der Prozess gemacht, oder die Person wieder in die Freiheit entlassen.
Jeder Mensch hat
Grundrechte
Deutlich wird Alexander Huber, Pressesprecher im Polizeipräsidium Oberbayern Süd. Das juristische Problem: Die Grundrechte des Einzelnen stehen immer gegen die der Gemeinschaft. Hier müsse abgewogen werden. „Es kommt auf die Schwere der Tat an“, betont Huber. Wenn etwa „nur“ das Sicherheitsgefühl der Anwohner bedroht werde, ohne konkreten Angriff, könne die Polizei „nicht einfach wegsperren“. Aber sie habe eine Reihe von Möglichkeiten – etwa ein Platzverweis oder eine kurzfristige in Gewahrsamnahme. Belästigung sei eben nicht mit Mord und Totschlag zu vergleichen. Maurer und Huber raten aber, auf alle Fällen immer die Polizei sofort zu rufen oder den Vorfall zumindest anzuzeigen. Das ergebe in der Summe dann ein differenziertes Bild für die Polizei.
Ihr Tipp: „Die 110 wählen! Lieber kommen wir 100-mal umsonst, als einmal zu spät!“